Rudyard Kipling: "Genau-so-Geschichten"
oder Wie das Kamel seinen Höcker kriegte
Witzige Vorlesegeschichten
Die Idee, seinen Kindern vor dem Einschlafen Geschichten zu erzählen,
ist immer noch eine lobenswerte, und Rudyard Kipling, der aus dem einen
oder anderen Grund immer wieder gern kritisiert wird, wenn es um seine
Ansichten zur "Bürde des weißen Mannes" geht, war zumindest in
diesem Bereich wohl relativ vorbildlich. Er erzählte seiner kleinen
Tochter gern Geschichten, die häufig auch einen gewissen erzieherischen
Anklang hatten, und seine Tochter war wie viele kleine Kinder im
Hinblick auf ihre Einschlafgeschichten, die immer "genau so" - also
genau so wie beim vorigen Mal - erzählt werden müssen. Es war also
sicherlich eine gute Idee, diese Geschichten schnell aufzuschreiben, um
so langwierige Korrekturen durch das "kindliche Lektorat" zu vermeiden.
Ausgehend von seinen Erfahrungen in Indien, Afrika, Saudi Arabien,
Südamerika und Australien entwickelte Kipling lehrreiche
Kindergeschichten, die sich mit mancherlei wichtigen Fragen
beschäftigten, zum Beispiel: Woher der Wal seinen Schlund hat, wie das
Kamel zu seinem Höcker gekommen ist, und warum ein Nashorn
so faltige Haut hat. Ebenso für die Flecken des Leoparden, die Hautfarbe
der Schwarzafrikaner und den langen Rüssel des Elefanten
finden sich in diesen Geschichten fantasievolle Erklärungen, wie auch
für die Entstehung des Gürteltiers. Weitere Themen sind Ebbe und Flut,
die Domestizierung der wichtigsten Haustiere, eine erste Idee eines
chaostheoretischen Schmetterlings
und die Stacheln des Stachelschweins.
Neben diesen tierlastigen Geschichten gibt es auch drei um eine
Steinzeitfamilie, die das Schreiben, das Alfabet und auch die Verbote in
der Erziehung
entwickelt und die gewiss die pädagogischsten der erzählten Geschichten
sind.
Dazwischen finden sich immer wieder Illustrationen, die Kipling wohl
irgendwann einmal zur Veranschaulichung der Texte angefertigt hat und
die in einem Fall sogar eine eigene Geschichte erzählen, die im Anhang
näher erläutert wird. Diese Illustrationen sind zum Teil ziemlich
komplex, weswegen sie immer von einem erläuternden Text begleitet
werden, der in der gleichen Diktion gehalten ist wie die Geschichten
selbst. Einige der Texte weisen auch mehr als eine Illustration auf.
Im Anhang des in Leinen gebundenen und auf hochwertigem Papier
gedruckten Buchs finden sich Hinweise zur Veröffentlichungsgeschichte
der einzelnen Texte, von denen der letzte eine sehr neue Ergänzung der
Sammlung darstellt. Mit seinem handlichen Format und dem Lesebändchen
ist das Buch ein guter Begleiter auf dem Nachttisch und ein Buch, das
den Leser auch problemlos im (Familien-)Urlaub begleiten kann.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2011)
Rudyard
Kipling: "Genau-so-Geschichten oder Wie das Kamel seinen Höcker
kriegte"
(Originaltitel "Just So Stories")
Mit Rudyard Kiplings Illustrationen.
Herausgegeben und übersetzt von Gisbert Haefs.
Unionsverlag, 2011. 252 Seiten.
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