Siri Hustvedt: "Der Sommer ohne Männer"
Über
den sogenannten Krieg der
Geschlechter
Mia Fredriksen ist seit dreißig Jahren mit dem
Neurowissenschaftler Boris verheiratet, Mutter einer mittlerweile
erwachsenen und erfolgreichen Tochter und
selbst eine preisgekrönte, wenn auch nicht sonderlich
bekannte, Dichterin. Und
nun, scheinbar aus heiterem Himmel, hat Boris ein "Pause" eingefordert
und ist in dieser Zeit mit einer französischstämmigen
Kollegin
zusammengezogen.
Für Mia bricht
eine Welt zusammen - und auch ihr Nervenkostüm, weswegen sie
sich für eine kurze
Zeit in intensive psychiatrische Behandlung begeben muss und danach
weiterhin regelmäßig
Beratungs- und Therapietermine wahrnimmt.
Nach ihrem Aufenthalt in der Psychiatrie
sucht sie einen Ortswechsel
und übernimmt
kurzfristig das Haus eines Ehepaares, das nicht anwesend ist, um auch
mehr Zeit in der
Nähe ihrer Mutter zu verbringen, die in einer betreuten
Wohngruppe mit anderen
älteren Herrschaften lebt. Gleichzeitig übernimmt sie
einen Kurs für
kreatives Schreiben für eine Gruppe junger Damen, um nicht
allzu viel Zeit zum
Nachdenken zu haben - und wohl auch, um etwas dazuzuverdienen. Zudem
versucht sie sich in einer Art Nummerntagebuch
über ihre eigene sexuelle Identität
ohne Boris klarzuwerden.
Letzteres erweist sich als wenig befriedigend. Die
regelmäßigen Besuche in der
Altenwohngruppe und der Kontakt mit den Freundinnen ihrer Mutter
ermöglichen ihr
allerdings eine andere Perspektive auf das Leben und auf Beziehungen
sowie deren
Enden, so dass dies - vielleicht noch mehr als ihre Therapie - zu ihrer
inneren Heilung beiträgt. Das Unterrichten der Jugend, in der
sich die Dramen der
Jugend mit
Mobbing und Meidung abspielen,
gestattet eine
Perspektive aus der anderen zeitlichen Richtung und nötigt Mia
Fredriksen dazu, ihren
eigenen Umgang mit sozialen Verletzungen zu hinterfragen.
All dies wechselt sich ständig ab und wird noch
ergänzt durch ein
Familiendrama in Mias direkter neuer Nachbarschaft, in das sie sich
hineinziehen
lässt, und durch ihre Überlegungen zu ihrer Beziehung
zu Boris, zu ihrer
eigenen geistigen Gesundheit und zu Beziehungen
zwischen
Männern und Frauen
ganz allgemein.
Dies ist ein wenig sprunghaft, passt aber sehr gut zur Person
der Erzählerin und ihrer Situation, weswegen diese Form der
Darbietung durchaus
Sinn ergibt und nach einer gewissen Eingewöhnungsphase
Vergnügen bereitet.
Allerdings sind die meganarrativen Äußerungen nach
Ansicht des Rezensenten
bisweilen ein
ganz klein wenig störend. Aber im Großen und Ganzen
kann man den Roman "Der Sommer
ohne Männer", in dem viel an abwesende Männer gedacht
wird, als sehr
gelungen bezeichnen.
(K.-G. Beck-Ewerhardy;06/2011)
Siri
Hustvedt: "Der Sommer ohne Männer"
Übersetzt von Uli Aumüller.
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Siri Hustvedt wurde am 19. Februar 1955 in Northfield, Minnesota, geboren. Sie studierte Literatur an der Universität Columbia und promovierte mit einer Arbeit über Charles Dickens. Sie lebt in Brooklyn und ist mit dem Schriftsteller Paul Auster verheiratet.