Anne Holt: "Gotteszahl"


Zahlenmystik und ein eiskalter Serienmörder

Jeden einzelnen der vorherigen Romane von Anne Holt hat die norwegische Presse als ihren bisher besten gelobt. Das mag der modernen Medienpolitik geschuldet sein, die ihr Publikum mitten durch eine mehr und mehr verflachende Landschaft von einem Höhepunkt zum nächsten führt.

Doch Anne Holts Bücher bilden tatsächlich eine Ausnahme innerhalb des großen Angebots an Kriminalromanen. Seit ihrem ersten Buch hat der Rezensent alle ihre Kriminalromane gelesen, und bis auf nur wenige Ausnahmen bewegen sie sich durchgängig auf hohem Niveau, nicht nur in literarischer, sondern auch gesellschaftlich-politischer Hinsicht, mit erstaunlichen Reflexionen über gegenwärtige und zeitgenössische Themen.

Dominierte in vielen früheren Büchern die legendäre Hanne Wilhelmsen, die, seit ihrem schweren Unfall im Rollstuhl sitzend, auch in "Gotteszahl" einen kurzen Auftritt hat, indem sie einer Protagonistin einen entscheidenden, zur Lösung des Falles zentralen Hinweis gibt, sind seit etlichen Büchern der Osloer Kommissar Yngvar Stubø und sein Team sowie seine Ehefrau Inger Johanne Vik die ermittelnden Hauptpersonen in durchgängig spannenden Fällen.
Inger Johanne forscht als Juristin seit längerer Zeit schon zu gesellschaftlichen Phänomenen von Kriminalität; im gegenständlichen Fall ist es die sogenannte "Hass-Kriminalität"; und Anne Holt lässt sie regelmäßig, oft unter Lebensgefahr, in die Fälle ihres Mannes verwickelt erscheinen.

In "Gotteszahl" beginnt alles damit, dass die von der Bevölkerung geliebte Bischöfin Eva Karin Lysgaard am Weihnachtsabend in Bergen auf offener Straße ermordet wird.
Die Osloer Kriminalpolizei wird sofort hinzugezogen, und so verbringt Yngvar Stubø schon den ersten Feiertag dort. Der Ehemann der Bischöfin verhält sich seltsam, und auch ihr Sohn Lukas scheint etwas zu verbergen.

Doch das ist nur ein Strang von vielen, die Anne Holt auf den ersten einhundert Seiten geschickt und nur am Anfang verwirrend entwickelt. Handlungsstränge aus dem Privatleben von Yngvar und Johanne und ihren Kindern sowie solche mit weiteren Toten werden aufgewickelt, die zunächst nichts miteinander zu tun zu haben scheinen.

Langsam stellt sich heraus, dass Homosexualität auf der einen und eine in regelrechten Hass ausartende Homophobie auf der anderen Seite die Klammer sein könnte, die alles verbindet.
Der Leser wird auf eine spannende Reise in die Welt religiöser Fanatiker und eines christlichen Fundamentalismus, der in seinem Hass dem islamischen in nichts nachsteht, mitgenommen.

Vor dem Hintergrund einzelner Lebensschicksale entwickelt Anne Holt überzeugend ein Bild von einer Welt, in welcher der Hass auf bestimmte Gruppen Ausmaße angenommen hat, die den Leser erschrecken lassen.
Eine sympathische Familie um Yngvar Stubø und seine Frau mit ihren alltäglichen Problemen wird in schreckliche Verbrechen hineingezogen und erneut schweren Belastungsproben ausgesetzt.

Fazit:
"Gotteszahl" ist ein Kriminalroman, der das allfällige Lob aus Norwegen durchaus verdient.

(Winfried Stanzick; 01/2011)


Anne Holt: "Gotteszahl"
(Originaltitel "Pengemannen")
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs.
Piper, 2010. 460 Seiten.
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Anne Holt, geboren 1958 in Larvik, wuchs in Norwegen und in den USA auf. Als freie Autorin lebt sie heute mit ihrer Familie in Oslo. Seit 1993 veröffentlicht sie Kriminalromane, die zu internationalen Erfolgstiteln avancierten und mit den wichtigsten Krimipreisen ihres Landes ausgezeichnet wurden. Ihre Bücher werden in zahlreiche Sprachen übersetzt und machen sie zu einer der erfolgreichsten skandinavischen Autorinnen weltweit.

Weitere Bücher der Autorin (Auswahl):

"Der norwegische Gast"

Ein Schneesturm zwingt die Passagiere eines Zuges, in einem norwegischen Berghotel Zuflucht zu suchen. Unter ihnen ist die ehemalige Kommissarin Hanne Wilhelmsen. Als das Hotel komplett eingeschneit wird, geschieht ein brutaler Mord. Panik macht sich unter den Eingeschlossenen breit, und die an den Rollstuhl gefesselte Kommissarin muss ihr Bestes geben, um den Mörder zu enttarnen. (Piper)
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"Die Präsidentin"
Bis auf diese schreckliche Notiz hat Kommissar Yngvar Stubø nichts, worauf er sich stützen könnte: Die us-amerikanische Präsidentin hält sich zum Staatsbesuch in Norwegen auf. Nun ist sie entführt worden. Politischer Terror oder private Hintergründe? Stubø bleibt wenig Zeit, das herauszufinden - unerwartet kommt ihm seine Kollegin Hanne Wilhelmsen zu Hilfe. (Piper)
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