Catalin Dorian Florescu: "Jacob beschließt zu lieben"


Lieb- und lebloser Familienroman

Der Hauptprotagonist dieses drei Jahrhunderte umfassenden Romans, Jakob, sieht ein Foto einer für die damaligen Verhältnisse nicht mehr ganz so jungen Dame in der Zeitung, von der im angehängten Artikel berichtet wird, dass sie soeben aus Amerika zurückgekehrt und nun auf der Suche nach einem Ehemann zwecks Familiengründung im rumänischen Banat sei. Er macht sich sofort selbstbewusst auf den Weg, diesen Platz in ihrem Leben einzunehmen, und erreicht Triebswetter während eines schweren Unwetters. Dort macht er relativ rasch durch seine ungehobelte Art auf sich aufmerksam.
Er nistet sich mehr oder weniger ungebeten bei einem ehrlichen Bauern ein, dessen Gastfreundlichkeit und Geduld er gehörig auf die Probe stellt.

Nachdem der Hof der "Amerikanerin", wie Elsa im Dorf gemeinhin genannt wird, abbrennt, bietet er sich als Retter und Erneuerer an und erobert so auf relativ uncharmante Weise zuerst das Bett und danach das Herz der schönen Elsa.
Sieben Monate nach der Hochzeit erblickt Jacob (mit "c") das Licht der Welt, der seit Beginn des Romans die Rolle des Erzählers eingenommen hat und die Geschichte seiner Familie bis in den Zweiten Weltkrieg und die 1950er-Jahre erzählt.

Die Geschichte springt zwischen den verschiedenen Generationen hin und her und führt dem Leser einen Menschenschlag vor, der eigentlich zutiefst unsympathisch und uninteressant ist. So verliert dieser Roman, trotz teilweise sehr eleganter und feiner Prosa, den Leser doch immer mehr, bis dieser sich zur Zeit der deutschen Belagerung in Rumänien bereits eher langweilt als interessiert weiterdrängen würde.

In dieser Stimmung sind die teilweise recht brutalen Einschübe nicht mehr als kleine Weckschwellen, die jedoch in Anbetracht der Häufigkeit ihres Erscheinens auch bald ihre Wirkung verlieren.

Catalin Dorian Florescu ist ein sehr talentierter Erzähler, der in den Vorgängerromanen großartige Figuren erschaffen ("Zaira") und spannende, fesselnde Geschichten ("Zaira", "Der blinde Masseur") erzählt hat. "Jacob beschließt zu lieben" leidet darunter, dass dieser Beschluss zu lieben von keinem der Protagonisten auch nur annähernd gelebt wird. Die männlichen Vorfahren Jacobs haben sich ihre Frauen meist mit Gewalt genommen und wurden dementsprechend auch nicht geliebt. Elsas Ehe mit Jakob gleicht auch eher einem Trauerspiel, und Jacob selbst leidet unter dem Verrat seines Vaters.

Besonders aber leidet der Leser darunter, dass die Figuren auffallend starr und leblos ausgefallen sind. Da die Figuren nie wirklich zu leben beginnen, entwickelt sich aus der im ersten Teil des Buches existierenden Antipathie lustloses Desinteresse.
Zu sehr ist "Jacob beschließt zu lieben" als Versuch der Wiederholung eines Erfolgs ("Zaira") erkennbar, wodurch die Defizite dieses Textes leider noch offensichtlicher werden.

Möglicherweise ist dieser Roman in geschichtlicher und historisch-politischer Hinsicht von Interesse, auch weil sich Catalin Dorian Florescu sehr darum bemüht, die ethnische Vielfalt des Gebiets genau darzustellen, vielleicht sogar zu gewissenhaft; als Roman jedoch geht "Jacob beschließt zu lieben" leider nicht auf. Es beschleicht den Leser sogar der Gedanke, dass Florescu für seine Figuren wenig bis gar keine Empathie empfindet. Selbst die üblicherweise beeindruckende Prosa Catalin Dorian Florescus leidet auf diesen knapp vierhundert Seiten immer wieder an Durchhängern und stilistisch fragwürdigen Formulierungen.

Und so bleibt am Ende leider nur ein recht schwacher Nachhall des soeben Gelesenen, der jedoch die Hoffnung leben lässt, dass Catalin Dorian Florescu in seinen nächsten Büchern wieder die Erzählfreude und den Erzählfluss seiner vorherigen Romane finden möge.

(Roland Freisitzer; 05/2011)


Catalin Dorian Florescu: "Jacob beschließt zu lieben"
C.H. Beck, 2011. 403 Seiten.
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Noch ein Buchtipp:

Miloš Okuka, Dareg Zabarah (Hrsg.): "Banat"

Aus der Reihe "Europa erlesen".
Das Banat ist Heimat vieler Volksgruppen. In diesem vielsprachigen Landstrich im Norden von Serbien, im Westen von Rumänien und im Süden von Ungarn stand die Wiege vieler Dichterinnen und Denker, die unser multikulturelles Europa durch ihre Werke erheblich bereichert haben. Literatur wurde im Banat stets großgeschrieben - und das in fünf Sprachen. Literaturgrößen wie Herta Müller und Ana Blandiana, der serbische Aufklärer Dositej Obdradivić und der Kosmopolit Ivan Ivanji wurden hier geboren. Und viele Andere, die Rumänisch, Deutsch, Serbisch, Ungarisch oder Slowakisch gesprochen und geschrieben haben bzw. es heute noch tun. (Wieser Verlag)
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