Renate Feyl: "Lichter setzen über grellem Grund"
"Notre
Dame du couleur" - die französischen Porträtmalerin
Elisabeth Vigėe-Lebrun
Eine literarische Biografie
Noch bevor der französische Absolutismus in der
großen Revolution sein unrühmliches Ende fand,
gelang einer jungen Frau sich als bedeutendste Porträtmalerin
ihrer Zeit zu etablieren und mit ihrem eigenen Stil von Lebendigkeit
und Natürlichkeit neue Maßstäbe zu setzen.
Tout Paris, alle, die es sich leisten konnten, der aufgeklärte
Adel, wohlhabende Bürger, schließlich
Königin Marie Antoinette selbst, ließen sich von
Elisabeth Vigėe-Lebrun porträtieren. Ihre
Auftragsbücher waren voll, ihr Wohlstand zunehmend. Geboren
1755 als Tochter eines Pastellmalers und einer Friseurin in Paris,
lernte sie bei ihrem Vater erste Grundlagen der Malerei, wurde von
Malerkollegen gefördert und binnen kürzester Zeit zur
gefeierten Porträtmalerin. Nach Ausbruch der Revolution floh
sie unter dem Vorwand einer Kunstreise mit ihrer kleinen Tochter nach
Italien, lebte und arbeitete als Malerin in Rom und Neapel, zog dann
weiter nach Wien und schließlich nach St. Petersburg. Nach
zwölfjährigem Exil konnte sie endlich wieder in ihre
Heimat, nach Frankreich und Paris, zurückkehren.
Renate Feyl, eine Meisterin der historischen literarischen Biografie,
hat sich in ihrem Roman "Lichter setzen über grellem Grund"
eben dieser Lebensgeschichte von Elisabeth Vigėe-Lebrun als einer
tonangebenden und professionellen Porträtmalerin angenommen.
Waren es bisher intellektuelle Frauen und
Schriftstellerinnen, deren Spuren im deutschen männlichen
Geniekult verlorengegangen sind, die sie in ihren Roman
wiederauferstehen ließ - Luise Adelgunde Victoria
Gottsched, Schriftstellerin und Gattin des großen Gottsched,
Caroline von Wolzogen, Schriftstellerin und Schwägerin
Schillers, Sophie von LaRoche, Schriftstellerin und
Großmutter der Brentanos - so wird nun der kreative Horizont
der Wahrnehmung um die Malerei erweitert. Und wie bei den
Schriftstellerinnen steht auch bei der Malerin Vigėe-Lebrun
weniger der Lebenslauf im Mittelpunkt als vielmehr die Kunst und das
dazugehörige kreative Handwerk.
Kreative Leidenschaft sichtbar und nachvollziehbar zu machen, darin
liegt die große Stärke von Renate Feyl. In
flirrenden Wortkaskaden spiegeln sich der Zauber der Farben und die
Magie des Handwerks und lassen die Kunst der Herstellung der Farben mit
ihren unzähligen Nuancen, die das Geheimnis der Alchemie
umgibt, erahnen. Damals fast eine Geheimwissenschaft. Jeder
Künstler hatte seine eigenen Rezepturen, die nicht nur
für die Qualität und Aussagekraft des
fertigen Bildes maßgeblich waren, sondern auch über
deren Haltbarkeit entschieden, was in den Zeiten vor einer technischen
Reproduzierbarkeit von nicht zu unterschätzender Bedeutung
war. Erst im 19. Jahrhundert entwickelte die chemische Industrie
künstliche Farben. Bis dahin wurde mit Naturfarben
gearbeitet. Erden, Halbedelsteine, Pflanzen, Tiere, sie alle
dienten der Farbproduktion. Seltenes Vorkommen und enormer Aufwand bei
der Herstellung machten die Farben zu Kostbarkeiten.
Die malerische Obsession, bestimmte Farbnuancen zu schaffen, Farbspiele
einzufangen, "den Schimmer hinter dem Schimmer zum Vorschein
kommen zu lassen", diese tägliche Arbeit
als Mühe und Befriedigung erlebbar zu machen, das macht zu
einem großen Teil das Lesevergnügen dieses Buches
aus. Da werden Farben mit Lavendelöl angerieben, da es nicht
gelb wird, die Pigmente noch streichfähiger macht und das
Weiß und das Blau nicht verblassen lässt. Aber zuvor
wird das Öl noch durch ein sandgefülltes
Säckchen laufen gelassen, damit auch kein letztes
Stäubchen die Reinheit trübt; außerdem kam
auch Honig hinzu und gebleichtes Bienenwachs, und - ihr Trick - ein
Körnchen Kandiszucker, um die Bindung zu verbessern.
"Tag für Tag saß sie bis spät in
den Abend an ihren Staffeleien, grundierte, übermalte,
probierte Firnisse und Lasuren aus, rieb zwischendurch in immer neuen
Mischungen die Farben an, wusch die fertigen Portraits mit Rosenwasser
ab, um die Klarheit der Farben um einen winzigen Schein klarer zu
machen, und ließ sie des Nachts im Mondlicht
gleichmäßig und langsam trocknen."
Fürwahr eine Werkstatt..
Wir befinden uns in Paris in den Jahren vor der Revolution. Renate Feyl
beschreibt die Atmosphäre jener Zeit in vielen Facetten, von
der Malerei und ihrem Handwerk, dem Kunstbetrieb und Kunsthandel bis
zur höfischen Gesellschaft. Ein besonders eindrucksvoller
Einblick gelingt ihr, als sie Marie Antoinette von der Praxis des
beschämenden öffentlichen Gebärens
erzählen lässt. Vor allem aber sind es sinnliche
Eindrücke, welche die Autorin auf das Papier bannt. Farben,
Kleider, Kutschen, Gerüche, all das wird gekonnt eingesetzt,
um das Bild jener Zeit in seiner Vielschichtigkeit und Lebendigkeit zu
malen. Manche Sinneseindrücke kommen wohl zu kurz wie Essen
und Trinken oder gar die körperliche Sinnlichkeit.
Aber umso eindringlicher die Kernthematik: die Kunst und ihr
Handwerk und die professionelle Arbeit einer hauptberuflichen Malerin.
Denn ein Verdienst von Renate Feyl ist es auch, Kunst in ihrer
Professionalität zu zeigen und künstlerische
Leidenschaft vom Nimbus der Romantik zu befreien.
Leidenschaft für eine Kunst heißt nicht (nur)
träumen, sondern Arbeit, Disziplin und Ausdauer. Elisabeth
Vegée-Lebrun wird als eine Persönlichkeit
gezeichnet, welche die Malerei zu ihrem absoluten Lebensmittelpunkt
machte, mit Selbstvertrauen, Energie und Ausdauer ihre Begabung und ihr
Talent zur Kunst weiterentwickelte und die mit dem gleichen Elan alle
Wirren ihrer Zeit überlebte.
Mit der unnachahmlichen ironischen Distanz, die dem Schreiben von
Renate Feyl zu eigen ist, entsteht vor uns die Geschichte einer Malerin
aus dem 18. Jahrhundert in einer Anschaulichkeit, die Zeiten
und Epochen verschwimmen lässt. Oder in den Worten der
Autorin: Es ist das Geheimnis aller Kunst, "die Dinge
lebendig über die Zeiten zu tragen."
(Brigitte Lichtenberger-Fenz; 09/2011)
Renate
Feyl: "Lichter setzen über grellem Grund"
Kiepenheuer & Witsch, 2011. ca. 464 Seiten.
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Hörbuchausgabe:
Gesprochen von Ulrike Hübschmann.
Jumbo Neue Medien, 2011. 5 CDs; Gesamtspielzeit: ca. 370 Minuten.
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Renate
Feyl wurde 1944 in
Prag geboren und wuchs in Jena auf. Sie absolvierte
eine Lehre als Buchhändlerin und studierte Philosophie an der
Humboldt-Universität Berlin. Heute lebt sie als freie
Schriftstellerin in Berlin und veröffentlicht Romane und
Essays. Im Mittelpunkt ihres künstlerischen Schaffens stehen
historisch-biografische Romane über bedeutende Frauengestalten
der deutschen Literaturgeschichte des 18. und frühen 19.
Jahrhunderts wie "Das sanfte Joch der Vortrefflichkeit" und "Die
profanen Stunden des Glücks".
Weitere Bücher der Autorin (Auswahl):
"Aussicht
auf
bleibende Helle. Die Königin und der Philosoph"
Königin Sophie Charlotte und Gottfried Wilhelm Leibniz - eine
Liebe im Geiste.
Der letzte Universalgelehrte und die schöngeistige
Königin: Mit diesem Buch kehrt Renate Feyl auf das Terrain
zurück, auf dem sie mit überaus erfolgreichen
Büchern geglänzt hat: die historische Romanbiografie.
Sie erzählt die Geschichte einer Beziehung, die aus dem
lebendigen Austausch der Gedanken Funken der Leidenschaft
schlägt - und die Leibniz die fünf
glücklichsten Jahre seines Lebens beschert.
Sophie Charlotte, geboren 1668 auf Schloss Iburg im
Fürstenbistum Osnabrück, begegnet Leibniz am
elterlichen Hofe in Hannover, wo er in kurfürstlichen Diensten
steht. Mit sechzehn Jahren heiratet sie Friedrich III., den Sohn des
Großen Kurfürsten, und geht mit ihm nach Berlin.
Hier besucht sie Jahre später der weithin berühmte
Mathematiker und Philosoph, um sie für den Plan zu gewinnen,
eine Akademie der Wissenschaften zu gründen. Während
ihr Gatte mit diplomatischem Geschick das Ziel seiner Krönung
zum König in Preußen erreicht, fördert sie
die schönen Künste und Wissenschaften. Im Laufe der
zahlreichen anregenden und geistreichen Gespräche entwickelt
sich eine enge Beziehung, und Leibniz wird zum Gefährten ihrer
Gedanken. Sophie Charlotte animiert den universellen und genialen
Gelehrten zu einer systematischen Ausarbeitung seiner Ideen, die
letztendlich in die berühmte Theodizee mündeten.
Renate Feyl erzählt mit großem Gespür
für die Sprache des Barock und die leisen
Zwischentöne vom Zauber einer "mariage mystique" - einer
geistigen Liebe voller Esprit und Dezenz. Und es gelingt ihr, die
Atmosphäre des Berlin im Aufbruch, die Zwänge des
höfischen Protokolls und die Freiheit des intellektuellen
Austauschs in eindrucksvollen Bildern einzufangen - und zugleich das
Porträt einer faszinierenden jungen Frau zu zeichnen, die eine
eigenständige Rolle sucht und das geistige Klima am Hofe
prägt. (Kiepenheuer & Witsch)
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"Die
profanen Stunden des Glücks"
Als anno 1771 der erste deutsche Frauenroman "Die Geschichte des
Fräuleins von Sternheim" zur Leipziger Messe erschien, machte
er seine Verfasserin mit einem Schlag berühmt: Sophie
von
La
Roche (1731-1807). Ihre Jugendliebe Wieland
und Herder, Goethe,
Lenz und Schiller
bewunderten sie ebenso wie vor allem die Damen der Gesellschaft,
später abonnierte Katharina die Große 500 Exemplare
von Sophie von La Roches Zeitschrift "Pomona". Dennoch war der
glanzvolle Auftakt der La Roche als Romanautorin vor allem der Beginn
einer mühseligen, von Neid, Klatsch,
Schicksalsschlägen und, nach dem Sturz ihres Mannes,
ständigen Geldsorgen begleiteten Autorinnenkarriere.
In ihrem Roman erzählt Renate Feyl die Geschichte der La Roche
und ihrer literarischen Laufbahn, ihrer Lebensmaximen und
Kämpfe, wobei der Detailreichtum über den Alltag der
"Großmutter Brentanos", über die Erziehung ihrer
Kinder und ihrer Ehe, vor allem aber über die Besonderheiten
des damaligen "Literaturbetriebs" fasziniert. Voll brillanter
Seitenhiebe und lebenskluger Einsicht: die Geschichte einer bedeutenden
Frau und das Gegenstück zu "Idylle mit Professor", dem Roman
über Victoria Gottsched. (Kiepenheuer & Witsch)
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