Mansura Eseddin: "Hinter dem Paradies"
Diese
Geschichte der Schwestern Galima und Salma, Töchter einer
Fabrikantenfamilie im Nildelta, beschreibt das aufbrechende
Ägypten der 1980er-Jahre genauso wie das
Beharrungsvermögen in den Traditionen, für die jede
der Schwestern in unterschiedlichem Grad sinnbildlich steht.
Die eine, Salma, die Traditionalistin, wendet sich dem Familienroman
zu, um als Journalistin nun durch Schreiben an ihrer eigenen Therapie
mitzuarbeiten, was ihr ihre Therapeutin angeraten hat. Dabei werden
ihre eigenen Wahrnehmungen der Realität sowie der Versuch,
diese in Text zu fassen, immer wieder reflektiert, und die Therapeutin,
ähnlich wie der Leser, wird durch die Verquickung dieser
beiden Bereiche wiederholt verwirrt.
Insgesamt kommen dabei neben der Darstellung der wirtschaftlichen
Entwicklung im Nildelta auch Fragen der Moralauffassung auf, ebenso
sind Familienschuld und der Umgang mit der eigenen muslimischen
Religion sowie die Reaktion auf die christliche behandelte
Themenkreise. Letztere findet dabei einmal ihren Ausdruck in der
Reaktion der Familie auf eine koptische Familie, die in die
Nachbarschaft zieht, und dann durch das Einheiraten einer
"Ausländerin" in die eigene Familie.
Familiengeschichten unterliegen in der Realität viel mehr
Zufällen, als es die Literatur in der Regel zu vermitteln
sucht, und das ist in "Hinter dem Paradies" eigentlich sehr gut
dargestellt, also sehr realistisch. Aber trotzdem: Die Figuren werden
auf diesen knapp 180 Seiten eigentlich nicht lebendig und bis zum Ende
auch nicht greifbar. Sie bleiben auf Distanz und verwirrend, genauso,
wie die Äußerungen Salmas in ihren
Therapiesitzungen, die ihre Therapeutin auch verwirren, weil ihr nicht
klar wird, ob nun gerade über reale Personen gesprochen wird
oder nicht.
So blieben dem Rezensenten am Ende der Lektüre zwar einzelne
interessante Episoden im Kopf, aber ein größerer
Handlungszusammenhang wollte sich leider nicht erschließen.
Das Buch liest sich eher wie ein erster oder zweiter kurzer Entwurf
eines längeren Romans, den es noch zu schreiben gilt. Das
Ganze, wie es vorliegt, passt zwar zur Konzeption des Buchs als
therapeutisches Schreiben, bereitet jedoch beim Lesen kein
Vergnügen.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2011)
Mansura
Eseddin: "Hinter dem Paradies"
(Originaltitel "Wara'a al-Firdaus")
Aus
dem Arabischen von Hartmut Fähndrich.
Unionsverlag, 2011. 190 Seiten.
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Mansura
Eseddin, 1976 im Nildelta in Ägypten geboren, studierte
Journalismus an der Universität Kairo und arbeitet bei "Akhbar
al-Adab", einem der wichtigsten Literaturmagazine Ägyptens.
Ihre Romane sind in zahlreiche Sprachen übersetzt. Im Jahr
2010 wurde sie als eine der besten arabischsprachigen Autoren unter 40
ausgewählt. Anno 2010 war sie als einzige Frau für
den "International Prize for Arabic Fiction" nominiert.
Weitere Buchtipps:
Christoph Braendle: "Der Unterschied zwischen einem Engel.
Ägyptische Novelle"
Eine poetische Annäherung an das Land der Pharaonen.
Auf dem schmalen Grat zwischen Tatsache und Legende balancierend zeigt
Christoph Braendle dem Leser auf Umwegen, die immer die Ortskenntnis
erhöhen, ein Land, dessen Wundern auch viertausend Jahre
Tourismus nichts anhaben konnten. Mit zügelloser Lust am
Fabulieren verknüpft Braendle spielerisch und leicht
Gehörtes und Erfahrenes, Erdachtes und Erahntes zu einer
fantasievollen Prosa, die die Auseinandersetzung mit den Schattenseiten
- und deren gibt es reichlich in diesem Land voll Sonne und Licht -
nicht scheut. Wer Paul, den Protagonisten, auf seiner Reise durch
Ägypten begleitet, taucht ein in das Gewühl und die
bröckelnde Pracht der Metropole Kairo, bestaunt auf den
Kamelmärkten diese eigenartigen, zwischen Hochmut und
Lächerlichkeit schwankenden Tiere und nimmt teil am regen
Leben in der nordöstlichen Totenstadt. Er reitet durch die
Wüste,
schläft unter dem großen
Sternenzelt, gelangt an den Rand des großen Sandmeeres und
sucht die Oase Baharyya auf, um dort im Hotel "Alpenblick" abzusteigen.
Er erklimmt den Berg Sinai und imaginiert den brennenden
Dornbusch,
unternimmt - natürlich - eine Kreuzfahrt auf dem Nil, lernt
einen Liebesbriefschreiber kennen und erfährt, warum Paul sich
verliebt: "Es gibt Dinge in diesem Land, die sind zu
schön für einen allein". (Picus)
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Walter
M. Weiss: "Das
Erbe der Götter. Ägyptische Ambivalenzen"
Reportagen von der Quelle mehrerer Hochkulturen, dem Land am Nil.
Ägypten sei reicher an Wundern als jedes andere Land,
schwärmte schon Herodot.
Sein Urteil ist heute
gültiger denn je. Auf dem fruchtbaren Boden der schmalen
Strom-Oase sind im Anschluss an die pharaonische
auch eine hellenistische, eine christliche und eine islamische
Hochkultur gediehen. Sie alle haben nicht nur grandiose Kunstschätze
hinterlassen, sondern auch die hier lebenden Menschen geprägt,
deren besondere Friedsamkeit, Frömmigkeit und Courtoisie bei
jedem empfindsamen Gast aus Europa bis heute zu den bleibendsten
Reiseeindrücken zählen. Dieses so
liebenswürdige Wesen von Land und Leuten bildet denn auch
neben all den fantastischen Kunstdenkmälern und
Naturlandschaften den roten Faden für jene Entdeckungsreise,
zu der dieser Reportageband einlädt. Von den heillos
übervölkerten modernen Stadtvierteln Kairos zu den
Tauchparadiesen am Roten Meer, in die weltabgewandten Oasen der
westlichen Wüste und natürlich zu den Pyramiden
führen die verschlungenen Wege, auf denen sich Walter M. Weiss
dem Phänomen Ägypten nähert. (Picus)
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