Hans-Dieter Gelfert: "Charles Dickens"
Der Unnachahmliche. Eine Biografie
Auch wenn Charles Dickens
sich stets dagegen verwahrt hatte, dass ihm ein Denkmal errichtet wurde
- in seinem Testament hat er dies nämlich ausdrücklich verfügt - vom
Sockel der Popularität wird ihn niemand mehr stoßen können. Weder in
seiner englischen Heimat noch im deutschsprachigen Raum oder sonst wo
auf der Welt. 2012 jährt sich der Geburtstag des Unnachahmlichen, wie
Dickens sich bisweilen selbstironisch nannte, zum zweihundertsten Mal.
Eine lange Zeit, fast 150 dieser 200 Jahre, stand Charles Dickens bei
der internationalen Kritik im Ruch des "nur" populären
Schriftstellers, dem es an literarischer Seriosität und Tiefe mangelte.
In der angelsächsischen Welt wurde dieses Dickens-Bild etwa Mitte des
zwanzigsten Jahrhunderts weitestgehend korrigiert, und der Autor wurde -
vornehmlich von us-amerikanischen Kritikern - sogar auf eine Stufe mit Kafka
gestellt. In den deutschsprachigen Ländern jedoch steht nach wie vor die
humoristische Facette des Dickens-Bildes im Vordergrund der Betrachtung,
andere, tiefer gehende Aspekte der Werke Charles Dickens' wurden dagegen
vom deutschsprachigen Lesepublikum bislang kaum wahrgenommen.
Diesem Manko abzuhelfen und so zu einer weiter gehenden Sicht auf
Charles Dickens beizutragen, ist eines der Hauptanliegen der
vorliegenden Biografie. Es geht dem Verfasser also nicht in erster Linie
um die Auflistung möglichst zahlreicher biografischer Details, sondern
mehr um eine sachgerechte Beurteilung der Werke dieses neben
Shakespeare
wohl größten englischen Dichters. Wer jedoch noch mehr Details aus dem
Leben des Charles Dickens erfahren möchte, der mag sich an die 2009
erschienene Biografie von Michael Slater halten, die allerdings bisher
nur auf Englisch verfügbar ist. Und Leser, die der englischen Sprache
mächtig sind, sollten auch die Dickens-Romane im Original lesen, denn
nur im englischen Original offenbart sich der grandiose Sprachwitz
dieses Autors.
Hans-Dieter Gelfert beschränkt sich in seiner Biografie auf das
Wesentliche. In einer geschmeidigen, gut lesbaren Sprache zeichnet er
das Leben des Charles Dickens nach, und seine Kunst der biografischen
Rekonstruktion lässt dabei ein anschauliches und lebensnahes Bild des
Dichters entstehen. Wohltuend ist auch Gelferts Verzicht auf jegliche
Art von Weitschweifigkeit. Episoden aus dem Leben Charles Dickens'
wechseln sich ab mit kompakten Werkbetrachtungen.
"Das Ziel des vorliegenden Buches ist es, neues Interesse für einen
der größten Prosadichter der englischen Sprache - wenn nicht den
größten überhaupt - zu wecken." So schreibt Hans Dieter Gelfert in
seinem Vorwort. Um diesem Ziel allerdings voll gerecht zu werden, fehlt
mir doch manchmal ein Quäntchen mehr an Begeisterung des Biografen für
den Dichter. Seine Werkbetrachtungen wecken nicht den unbedingten Wunsch
beim Leser, sich nun voller Neugier und Enthusiasmus in die Romane
Charles Dickens' zu stürzen. Ein wenig zu nüchtern, von einer eher
kühlen Sachlichkeit erscheinen mir die Kommentare des Biografen. Aber
das kann man ja andererseits auch als durchaus positiv bewerten.
(Werner Fletcher; 11/2011)
Hans-Dieter
Gelfert: "Charles Dickens. Der Unnachahmliche. Eine Biografie"
C.H. Beck, 2011. 376 Seiten.
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Weitere Buchtipps:
Mary Dickens, Charlie Dickens: "Unser Vater Charles Dickens"
Charles Dickens' heiterste Seiten.
Die hier erstmals übersetzten Erinnerungen der Kinder an ihren Vater
zeigen Dickens von einer unbekannten Seite. Alexander
Pechmann hat sie mit Notizen und Briefen des Dichters zu einem
lebendigen und liebenswerten Porträt zusammengestellt.
"Manchmal ist es gut, wie die Kinder zu sein", war ein Rat von
Charles Dickens, den er selbst gern befolgte. Er wohnte mit seiner
Familie in Gad's Hill Place, einem Landhaus südöstlich von London. Schon
als Neunjähriger hatte er es entdeckt. Rund dreißig Jahre später konnte
der mittlerweile berühmte Autor das Anwesen kaufen, das Schauplatz
dieses bezaubernden Porträts ist: Erzählt wird von Weihnachtsfeiern
und Polkaabenden, von Bulldoggen, Bernhardinern und Grip, Dickens'
Lieblingsraben, von Kinderkrankheiten, Kricket-Turnieren und der Arbeit
an seinen großen Romanen. Neben heiteren Anekdoten werden auch traurige
Momente dargestellt bis hin zur ergreifenden Schilderung von Dickens'
plötzlichem Tod. (Aufbau Verlag)
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