Arthur I. Miller: "137"

C. G. Jung, Wolfgang Pauli und die Suche nach der kosmischen Zahl


Eine Reise ins Niemandsland

Ins "Niemandsland zwischen Physik und Psychologie", in welches sich C. G. Jung und Wolfgang Pauli ehedem verirrt hatten, möchte uns Arthur I. Miller, Physiker und emeritierter Professor für Geschichte und Philosophie der Naturwissenschaften, mit seiner Publikation führen. Auf schwieriges Terrain also, in ein schwer zu entwirrendes Gespinst aus Wissenschaftlichkeit und Esoterik, das etwas transparenter zu machen, dem Autor nur selten gelingt. Zudem lassen sich in dieser Doppelbiografie weder biografisches Kontinuum noch erzählerische Stringenz ausmachen, so dass der Leser recht schnell die Orientierung zu verlieren droht.

Wolfgang Pauli, Physik-Nobelpreisträger und Entdecker des Ausschließungsprinzips, sowie Carl Gustav Jung, der Begründer der Archetypenlehre, sind Hauptakteure einer merkwürdigen Jagd, der Jagd nach "einer Zahl, von der alles im Universum abhängt und die alles erklärt - einer Urzahl". Für den Rezensenten allerdings stellt Millers Dokumentation dieser manchmal absurd anmutenden Suche ein ziemlich dubioses Machwerk dar, auf das selbst eingefleischte Jungianer getrost verzichten können. Viel Neues erfährt der Leser hier nämlich nicht, obwohl Fakten auf Fakten und mehr noch Spekulationen auf Spekulationen angehäuft werden. Umständlich stochert Miller im Dickicht der Jungschen Psychologie herum und fördert dabei nur Altbackenes und Altbekanntes zutage. Abstruse Traumdeutungen und vertrackte Zahlenmystik begegnen dem Leser auf Schritt und Tritt, und er muss sich fragen, ob er das alles ernst nehmen soll, was ihm hier aufgetischt wird. Wie beispielsweise Folgendes:

"Könnte es also eine einzelne Zahl auf dem Grund des Universums geben, die Antwort auf das Leben, das Universum und den ganzen Rest gibt? Manche haben die Zahl Drei vorgeschlagen - wie sie in der Dreifaltigkeit und in den drei Dimensionen Länge, Breite und Höhe zum Ausdruck kommt. Manche haben für die Vier plädiert. Immerhin haben wir vier Jahreszeiten, vier Himmelsrichtungen (Norden, Süden, Osten und Westen) und vier Gliedmaßen. Manche Forscher waren überzeugt, dass die äußerst seltsame Zahl 137 die Antwort sein könnte, denn einerseits beschreibt sie ziemlich genau die Feinstruktur von Atomen des Lichts und andererseits die Summe der hebräischen Buchstaben des Wortes Kabbala."
An anderer Stelle heißt es: "Sieben ist natürlich an sich schon eine geheimnisvolle Zahl, die die sieben Tage der Schöpfung, die sieben Öffnungen im Kopf und die sieben Planeten im präkopernikanischen Planetensystem umfasste."

Arthur I. Miller versetzt sich nicht nur in Wolfgang Pauli hinein ("Pauli grübelte weiter über drei mal vier, zwei mal sechs und den Tierkreis. Ein innerer Sturm wütete."), er konstruiert sogar Dialoge zwischen Jung und Pauli, obwohl niemand weiß, was sich genau zwischen den beiden abgespielt hat. Und vollends unverständlich für den physikalischen Laien wird das Buch dann gegen Ende, wo der Autor mit immer neuen Formeln und komplizierten mathematischen Gleichungen aufwartet. Dieser Überfrachtung mit Problemen aus der theoretischen Physik vermag der Leser kaum standzuhalten, und wohl nur ein ausgebildeter Physiker wird die Zusammenhänge noch verstehen können, falls es deren denn überhaupt sinnvolle geben sollte, was man manchmal bezweifeln möchte. Der Autor selbst bemerkt an einer Stelle: "Wie ein Kaninchen aus dem Hut hatte er allein (gemeint ist Eddington) mit mathematisch logischem wenn auch fragwürdigem Denken die Zahl 136 hervorgezaubert." Und Eddingtons Forscherkollege Paul Dirac konstatierte: "Eddington bewies zuerst die 136, und als die Experimente 137 ergaben, bewies er auch die 137!"

Wer die Logik hinter diesem ganzen Zahlenwahnsinn, die dem Rezensenten leider entgangen ist, herausfinden möchte, der mag sich dieses seltsame Buch zulegen. Mir bleibt nur festzustellen, dass Autor und Verlag mit diesem doch schwer verdaulichen Buch weder Jung noch Pauli ein würdiges Denkmal gesetzt haben.

(Werner Fletcher; 06/2011)


Arthur I. Miller: "137. C. G. Jung, Wolfgang Pauli und die Suche nach der kosmischen Zahl"
(Originaltitel "Deciphering the Cosmic Number. The Strange Friendship of Wolfgang Pauli and Carl Jung")
Übersetzt von Hubert Mania.
DVA, 2011. 416 Seiten.
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Ein weiteres Buch des Autors:

"Der Krieg der Astronomen. Wie die Schwarzen Löcher das Licht der Welt erblickten"

Der Krieg der Astronomen ist die Geschichte eines genialen Außenseiters, der mit einer wichtigen Entdeckung zunächst an der Ignoranz und den Vorurteilen eines berühmten Kollegen und der wissenschaftlichen Meinungsmacher scheitert. Und es ist die Geschichte eines Meilensteins in der Erforschung des Universums.
Der junge Inder Subrahmanyan Chandrasekhar, genannt Chandra (1910 bis 1995), bewies 1930 mathematisch, dass Sterne ab einer bestimmten Größe am Ende ihres Lebens zu unendlich dichten Gebilden zusammenstürzen, die man später als Schwarze Löcher bezeichnete. Nicht nur Einstein bezweifelte, dass dies möglich sei. Der englische Astrophysiker Arthur S. Eddington verwarf 1935 öffentlich Chandras Erkenntnis schlicht als absurd. Praktisch alle Kollegen schlossen sich ihm an. Erst in den 1960er-Jahren erkannte man die Richtigkeit und Bedeutung der Entdeckung, für die Chandrasekhar schließlich 1983 den Nobelpreis erhielt. (DVA)
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