Markus Zusak: "Die Bücherdiebin"
1939, Nazideutschland: Der
Tod hat viel zu tun und eine Schwäche für Liesel Meminger.
Der Vater der neunjährigen Liesel Meminger ist Kommunist und
wahrscheinlich tot. Im Januar des Jahres 1939 sind Liesel, ihr
sechsjähriger Bruder Werner und die Mutter der beiden auf dem Weg nach
Molching, eine Kleinstadt nahe München. Dort sollen die Geschwister dem
Ehepaar Hubermann übergeben werden, das die Kinder für eine kleine
Beihilfe bei sich aufnehmen und für eine sichere Zukunft sorgen soll.
Doch auf der Fahrt nach München stirbt Werner, sodass Liesel sich nun
ganz allein bei den Hubermanns zurechtfinden muss. Schnell fasst sie
jedoch Vertrauen zu Hans Hubermann, dessen silbrige Augen Liesel
sogleich von seiner
Freundlichkeit und Ruhe erzählen. Er ist es auch, der sie jede
Nacht aus ihren Alpträumen weckt und sie Lesen
und Schreiben lehrt. Ganz anders dagegen seine Frau Rosa: Sie flucht,
dass sich die Balken biegen, und Liesel braucht eine Weile, bis sie
erkennt, dass Rosa ihre eigene und sicher gewöhnungsbedürftige Art hat,
ihre Liebe zu zeigen - vor allem indem sie ihre Lieben "Saumenschen"
nennt.
So lebt sich Liesel nach und nach bei den Hubermanns ein, spielt
Fußball mit den anderen Kindern in ihrer Straße und freundet sich
mit dem liebenswert verrückten Rudi an, der vergebens versucht, ihr
Küsse zu stehlen, und ein großer Fan von Jesse Owens ist. Zusammen
stehlen Sie Äpfel und Kartoffeln, denn das Essen ist knapp und der
Hunger allgegenwärtig. Doch Liesel stiehlt nicht nur Essen, sondern auch
Bücher: Das erste Buch, "Handbuch für Totengräber", rettet Liesel aus
dem Schnee, das zweite Buch aus dem Feuer, weitere aus der Bibliothek
der Bürgermeistersfrau.
Doch nicht alle Bücher im Besitz der Bücherdiebin sind gestohlen, zwei
bekommt sie von Max, einem Juden, den die Hubermanns in ihrem Keller
verstecken und der die Seiten von "Mein Kampf" weiß tüncht und Liesel
darauf eine selbstgeschriebene Geschichte erzählt, eines bekommt sie von
der Frau des Bürgermeisters, und eines schenkt Hans Hubermann Liesel zu
Weihnachten.
Trotzdem die Familie angesichts des Juden in ihrem Keller in ständiger
Gefahr schwebt und aufgrund des allgemeinen Mangels kleineren und
größeren Nöten und Sorgen gegenübersteht, scheinen zumindest der Krieg
und sein Verderben einen Bogen um Molching zu machen. Doch wie lange
noch?
Der 1975 geborene Australier Markus Zusak wollte eigentlich nur ein
schmales Büchlein über die Geschichte seiner Eltern in München und Wien
während des Zweiten Weltkrieges schreiben, so der Klappentext,
herausgekommen ist schließlich der fast 600 Seiten umfassende, epische
Roman "Die Bücherdiebin", der vor allem die Geschichte der Liesel
Meminger, ihrer Pflegeeltern und Freunde zwischen Januar 1939 und
Oktober 1943 beschreibt. Der Erzähler dieser Geschichte ist der Tod
höchstpersönlich. Der Sensenmann ist hier aber nicht kaltherzig und
grausam, sondern ein sensibler und verantwortungsbewusster
Menschenfreund. Die Personifikation des Todes kann insbesondere zu
Beginn etwas irritieren. Man gewöhnt sich aber recht schnell an diesen
merkwürdigen Erzähler, der die Menschen beobachtet und zu verstehen
versucht. Seine auktoriale Perspektive und seine sympathische Art machen
einen großen Teil des Charmes aus, den das Buch im Verlauf immer mehr
verströmt. Aber auch Zusaks Schreibstil unterhält mit ungewöhnlichen
Metaphern, und seine Beschreibungen der Personen lassen diese vor dem
inneren Auge des Lesers erstehen: Da sieht man den milden, leisen und
gutherzigen Hans mit den silbrigen Augen, die laute und derbe, aber
ebenso gutherzige Rosa, den gewitzten und liebenswerten Rudi, den
gebeutelten Max, die
nazigetreue
Frau Lindner; all die Anderen und natürlich die trotz ihrer herben
Verluste lebensfrohe Liesel Meminger, die während der Bombenangriffe im
Luftschutzkeller allen aus ihren Büchern vorliest.
Zusaks Hauptfiguren sind unglaublich rührend, und mehr als einmal kommen
beim Lesen die Tränen, insbesondere auch im Kontrast zu der
Unbarmherzigkeit und Unmenschlichkeit der Nazis, denen man
beispielsweise in Gestalt der nazigetreuen Frau Lindner oder des
gemeinen Anführers der örtlichen Hitlerjugend begegnet, aber auch als
Juden durch die Straßen Molchings nach Dachau getrieben werden. Das
eigentlich Tolle an dem Buch ist, dass es sehr traurig ist und
gleichzeitig voller Hoffnung, die tiefsten menschlichen Abgründe neben
strahlendste Tugenden stellt und so sowohl das Schöne als auch das
Hässliche einfängt.
Am Ende schließt man das Buch ein wenig traurig, aber auch zufrieden,
und zusammen mit dem Tod
kann man sich fragen, "wie ein und dieselbe Sache so hässlich und
gleichzeitig so herrlich sein kann und ihre Worte und Geschichten so
vernichtend und brillant."
(Katja Dolge; 01/2010)
Markus Zusak: "Die Bücherdiebin"
(Originaltitel "The Book Thief")
Übersetzt von Alexandra Ernst.
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