Mag. Gabriele Lukacs: "Unheimliches Wien"

Gruselige Orte. Schaurige Gestalten. Okkulte Experimente.


Ein ungewöhnlicher, doch stimmungsvoller Stadtführer

Es handelt sich in der Tat um eine ganz besondere Art von Stadtführer, den die Autorin Gabriele Lukacs und Fotograf Robert Bouchal ihren Lesern hier präsentieren. Ein Führer in abgelegene, verwunschene und zum Teil vergessene Regionen der alten Kaiserstadt Wien. Und diese Lesereise an die verrufenen Orte, in die Unterwelt Wiens, wo schon Orson Welles im Film "Der dritte Mann" herumgeisterte, sie ist spannend, unterhaltsam und abwechslungsreich. Ein Schreckenskabinett des Bizarren und Unheimlichen tut sich dem Leser auf. Frau Lukacs - zu Halloween geboren und eine Leiterin der beliebten mystischen Fremdenführungen in Wien - führt uns in Spukhäuser, auf Friedhöfe und in dunkle Grüfte, in denen das Morbide zu Hause ist; sie gewährt uns Einblicke in die längst verlassenen Labore und Werkstätten der Alchimisten, in Kellerlabyrinthe, ins Wiener Kanalsystem, aber auch in Museen wie zum Beispiel in das Wiener Kriminalmuseum oder in den berühmten Narrenturm, die älteste "Irrenanstalt" der Welt, in deren Mauern heute eine pathologisch-anatomische Sammlung von menschlichen Abnormitäten untergebracht ist. Ein Besuch dort ist allerdings nur Medizinern oder Leuten mit starken Nerven anzuraten. An diesen unheimlichen Schauplätzen begegnet der Leser solch illustren Persönlichkeiten wie Gerhard van Swieten, Leibarzt Maria Theresias und Vampirjäger (Vorbild für Bram Stokers "van Helsing"), dem Grafen von Saint Germain, dem Schriftsteller Alexander Lernet-Holenia, dem Arzt Franz Anton Mesmer (Begründer des Mesmerismus) oder dem sagenumwobenen Doktor Faust. Der Graf von Saint Germain soll übrigens im Jahr 2015 auf die Erde zurückkehren, wie die Autorin durchaus glaubhaft versichert.

Nein, natürlich kann sie das nicht im Ernst meinen, diese und ähnliche Andeutungen sind nämlich stets mit einem gewissen Augenzwinkern versehen, Gabriele Lukacs berichtet mit sanfter, zurückhaltender Ironie von den Schauplätzen und den Legenden, die sich um diese Orte ranken, ohne allerdings dem Unheimlichen dabei etwas von dessen Faszination zu rauben. Es ist eine mit Witz und Charme angereicherte Darstellung des Unheimlichen, und beinahe alles wird wohlweislich im Dunkel der Vermutung belassen, wo es sicher auch am besten aufgehoben ist. Und nur dann, wenn es in den Narrenturm oder in die Folterkammern der Inquisition geht, bleiben Witz und Charme selbstredend auf der Strecke.

Nicht alle in diesem Buch berichteten Erscheinungen, unheimlichen Begebenheiten und Wunder stammen aus einer mehr oder weniger weit zurückliegenden Vergangenheit, das letzte Wunder, von welchem dieses Buch Zeugnis ablegt - ein Marienwunder - ereignete sich am 8. Mai 2010 in Wien. Eine Marienstatue, die augenzwinkernd ihre Wimpern bewegt! Und wer sich selbst vor Ort von diesem Wunder überzeugen oder auch den einen oder anderen Schauplatz des Unheimlichen besuchen möchte, für den hält die Autorin die entsprechenden Informationen bzw. Adressen parat. Auch Literaturtipps findet der Leser in diesem Buch, so dass er sich über für ihn besonders interessante Themen eingehender informieren kann.

Zum unterhaltsamen Text steuert Robert Bouchal die entsprechenden Bilder bei, seine Fotos sind wahre Prunkstücke. Grelle Farbtöne werden mit dunklen Schattierungen kombiniert und lassen eine Atmosphäre entstehen, die den Texten Gabriele Lukacs' stets gerecht wird

(Werner Fletcher; 11/2010)


Mag. Gabriele Lukacs: "Unheimliches Wien. Gruselige Orte.
Schaurige Gestalten. Okkulte Experimente"

Fotograf, Illustrator: Robert Bouchal.
Pichler Verlag, 2010. 208 Seiten.
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