Bernard Werber: "Die Invasion"
Dieser
Band versammelt zwischen
seinen Buchdeckeln die drei "Ameisen"-Romane des 1961 in Toulouse
geborenen Schriftstellers zum ersten Mal unter einem Titel. Diese
sollen darum
auch im Folgenden separat besprochen sein.
Die Ameisen
Jonathan Wells erbt, kurz nachdem er arbeitslos geworden ist, das Haus
seines
Onkels, eines berühmten Ameisenforschers und Misanthropen.
Zusammen mit seiner
Frau und seinem Sohn zieht er dort ein, und alle sind ein wenig
irritiert, dass
der Erblasser der Familie untersagt hat, den Keller aufzusuchen. Eines
Tages zwängt
sich der Familienhund unter der etwas hochgesetzten Tür durch
und beginnt dann
im Keller sehr laut zu werden. Als Jonathan nachschauen geht findet er
im Keller
etwas, das ihn dazu veranlasst, die Kellertür zu sichern und
seiner Familie
strikt zu untersagen, in den Keller zu gehen, den er aber von nun an
mit allerlei
Material und Werkzeug selbst aufsucht. Und eines Tages kommt er nicht
wieder zurück.
Genauso wenig, wie die einige Tage später folgende Frau. Zwei
weitere Tage später
ruft ihr Sohn die Polizei.
Ein Polizist und acht Feuerwehrleute machen sich auf und verschwinden
ebenfalls
in den Tiefen des Kellers, genauso, wie eine schwerbewaffnete
Sondereinheit der
Polizei an einem anderen Tag. Danach wird die
Küchentür zugemauert, und man
versucht die Ereignisse aus der Presse heraus zu halten. Die
Großmutter
Jonathans und die Tante des Erblassers übernehmen jetzt das
Haus mit dem
geheimnisvollen Keller.
In einem Bau von roten Waldameisen ist alles sehr gut organisiert. In
den
letzten Jahrhunderten haben die Ameisen eine große
Föderation von 64 Städten
gegründet und damit so ziemlich alle von außen
kommenden Gefahren überstehen
können. Doch diesmal erlebt ein fortpflanzungsfähiges
Männchen auf der ersten
Expedition des neuen Jahres Fürchterliches und ist sicher,
dass gegen die
Expeditionstruppe eine Geheimwaffe eines anderen Ameisenvolkes oder der
Termiten
eingesetzt wurde. Doch trotz aller Bemühungen kann es sich im
Bau kaum "Gehör"
verschaffen und muss sich mühsam Verbündete suchen,
während seltsame, nach
Felsen riechende Ameisen danach trachten, es umzubringen. Nur mit
Mühe erreicht
es den Tag des Hochzeitsfluges, nach dem Einiges geklärt
werden soll.
Diese Geschichte bietet zwei interessante Teile, die eng miteinander
verwoben
sind. Die Idee, aus der Sicht von Ameisen zu schreiben, ist originell,
und zu
Beginn schafft es der Autor auch fabelhaft auf unnötige
Anthropomorphisierungen
zu verzichten, was allerdings im letzten Drittel des Buches anders wird
und so
leider ein wenig von dem Gefühl der Authentizität der
Ameisenwahrnehmung
raubt. Aber auf jeden Fall handelt es sich um einen ganz anderen und
handwerklich gut geschriebener Roman.
Der Tag der Ameisen
Am Ende des ersten Buches waren einige Menschen unter einem Ameisenbau
gefangen
und wurden von Gehilfinnen der Königin ernährt, die
allerdings kurz vor Buchschluss
ums Leben gekommen ist. Ihre Nachfolgerin, die weitgereiste Prinzessin
aus dem
vorhergehenden Band, steht den "Fingern", wie sie die Menschen nennt,
sehr misstrauisch gegenüber und hat ihre Versorgung
eingestellt. Doch einige
Ameisen im Volk haben sich die "Finger" zu Göttern auserkoren
und füttern
diese heimlich weiter, wobei allerdings die Nahrungsmengen erschreckend
klein
bleiben müssen. Als dann eine der Städte der
Föderation aus der Erde gerissen
und verschleppt wird, beschließt die Königin einen
Vernichtungskrieg gegen die
"Finger" und schickt eine Strafexpedition unter der Leitung von Nr.
130, der unermüdlichen Forscherin aus dem ersten Band, los.
Nr. 130 ist von
dieser Mission nicht sonderlich überzeugt, kann aber auch
nicht gegen den
Willen ihrer Königin handeln. Die Expedition wird eine Reise
der Erfahrungen
und des Leidens, die aus Nr. 130 eine andere Ameise machen.
Gleichzeitig sterben in Paris mehrere Spezialisten für
Insektizide
auf unerklärliche
Art und Weise. Die Vermutung des ermittelnden Kommissars, dass es sich
bei
diesen Todesfällen um
Giftmorde
handeln könnte,
erweist sich schnell als trügerisch,
und so ist er auf die Hilfe einer menschenscheuen Journalistin
angewiesen, die
sich als die Tochter des Ameisenforschers Edmond Wells und damit
direkte
Verwandte der verschollenen Familie Wells herausstellt. Schnell ist
diese
Ameiseninteressierte, die sogar einen Ameisenbau in einem Terrarium in
ihrem
Appartement hält, eine der Hauptverdächtigen.
Wie schon im ersten Band wechselt die Erzählung
ständig zwischen den Figuren,
immer wieder unterbrochen von Auszügen aus Edmond Wells'
"Enzyklopädie
des absoluten und relativen Wissens", die der Erläuterung
bestimmter
Aspekte dienen sollen. Dabei werden leider auch immer wieder
auftauchende Irrtümer
der "Allgemeinbildung" mit aufgearbeitet, und einige Einträge
in
dieses Werk sind deutlich von dem Zielinteresse des Autors mit dieser
Geschichte
bestimmt, ohne dabei wissenschaftlich relevant oder nachgewiesen zu
sein. Tatsächlich
werden einige tatsächliche Fehler eingesetzt, wie z.B. die
Theorie zur
Entstehung des Küssens bei den alten Römern. Und da
die Ameisen und die
Menschen immer stärker miteinander in Kontakt treten, wird
auch die
Anthropomorphisierung der Ersteren zunehmend verstärkt, und
die Sachlogik
beginnt sich mehr und mehr aufzulösen. Dies ergibt im
Endeffekt eher eine ein
wenig absurde Fabel.
Die Revolution der Ameisen
Im dritten Teil der Trilogie geht es nun, nach der Begegnung und der
Konfrontation zwischen den Menschen und den Ameisen, um den Versuch der
Kooperation.
Julie, eine junge Schülerin, die nun schon in
ihrem dritten Anlauf
zum höheren Schulabschluss ist, lebt von ihrem Umfeld
weitestgehend isoliert
und kann mit ihren Jahrgangsstufengenossen relativ wenig anfangen. Als
sie dann
eines Tages von einigen rechtsgerichteten Jugendlichen
überfallen wird, rettet
sie eine Rockgruppe bestehend aus Außenseitern, die sich
selbst "die
sieben Zwerge" nennen, und nach einigem Zögern
erklärt sie sich dazu
bereit, die Sängerin dieser Combo zu werden. Inspiriert durch
Texte aus dem
dritten Band der "Enzyklopädie des absoluten und relativen
Wissens"
und mit einer Grille als Instrumentalmusikerin machen sich die nun als
"Ameisen"
bekannten Musiker daran, ihre Ideen - und jene von Edmond Wells zu
verbreiten.
Dabei haben sie so viel Erfolg, dass sich bereits ihr zweites Konzert
zum
Startschuss einer revolutionären Bewegung in Fontainebleau
auswächst, die
wenige Stunden nach dem Konzert das örtliche Gymnasium in
Besitz nimmt, das von
da an von der Polizei belagert wird.
Ähnliche Umwälzungen beginnen auf der Ebene der
Ameisenwelt, in der Nr. 130
wieder zum Bau zurückkehrt, um die Ameisen vor Bauvorhaben der
Menschen zu
warnen. Um ihr Ziel zu erreichen, muss Nr. 130 alle möglichen
und scheinbar unmöglichen
Allianzen mit anderen Insekten eingehen und auch ihre eigene Kaste mit
Hilfe der
Wespen ändern. Denn sie glaubt, wie auch viele
Anhänger Edmond Wells', dass
die Zukunft der Menschen und der Ameisen auf dieser Welt nur durch eine
enge
Kooperation der beiden Rassen gesichert werden kann. Auf beiden Seiten
sind
jedoch starke reaktionäre Kräfte dagegen.
Und hier liegt eigentlich der große Problembereich dieses
Buches. Reformierende
Ameisen und Menschen klingen in der Regel wie pubertierende
Jugendliche, die
gegen die Realität anzukämpfen hoffen und nur dadurch
gewinnen können, dass
sich ihre Gegner, ausgebildete Polizisten und Journalisten, studierte
und
erfahrene Richter und Staatsanwälte, absolut unlogisch und oft
auch extrem
regelwidrig verhalten. Und all das oft ohne einen klar
nachvollziehbaren Grund.
Nachdem die Ameisen immer mehr anthropomorphisiert wurden, greift dies
jetzt
auch auf andere
Insekten über, was die anfängliche
Glaubwürdigkeit der
Trilogie weiter aushöhlt und den Leser zunehmend
verärgert - ebenso wie viele
juristische und logische Probleme.
Insgesamt thematisiert Bernard Werber eine interessante Idee,
nämlich die
Menschen
den staatenbildenden Insekten gegenüber zu stellen,
was man ja in
Romanform auch schon bei von Däniken sehen durfte. Aber
dadurch, dass die
Wahrnehmungsebene der Insekten nicht durchgängig ernstgenommen
wurde, wird
diese Fabel mehr und mehr zur Farce.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2010)
Bernard
Werber: "Die Invasion"
(Originaltitel "Les Fourmis / Le Jour Des Fourmis / La revolution des
fourmis")
Übersetzt von Michael Mosblech und Alexandra von Reinhardt.
Heyne, 2010. 1407 Seiten.
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Buchtipps:
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Ameisen faszinieren den Menschen seit jeher und in ganz besonderer
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erfolgreich. Ihr geradezu sprichwörtlicher
Fleiß, ihre genial anmutenden Überlebenstechniken
und ihr perfekt aufeinander
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Tiere und
seine leicht verständlichen Erläuterungen ihrer
erstaunlichen Fähigkeiten
machen die besondere Faszination deutlich, die von diesen Tieren
ausgeht. (C.H.
Beck)
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Peter Miller: "Die
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