Isaac Bashevis Singer: "Ein Bräutigam und zwei Bräute"
Geschichten
Heitere, jiddische
Melancholie
Lange hat es gedauert, bis die hier veröffentlichten siebenundzwanzig
Geschichten in Buchform veröffentlicht wurden. Sie wurden in den Jahren
1955 bis 1960 im Journal "Forverts" auf Jiddisch
erstveröffentlicht. Im Jahr 2000 erschien die us-amerikanische
Erstausgabe "More Stories from My Father's Court" im Verlag
Farrar, Straus and Giroux, New York.
Im DTV Verlag ist nun die deutsche Taschenbuchausgabe erschienen.
Der Titel der us-amerikanischen Ausgabe trifft die Idee dieser
Geschichten auf den Punkt genau.
Ein Mann erinnert sich an seine Kindheit als Sohn eines Rabbis im
jüdischen Viertel von Warschau.
Mit viel Humor
und kindlicher Naivität erinnert sich der Erzähler an zankende Ehepaare,
eifersüchtige Männer, hexenartige Frauen, Kleinganoven, Hochzeiten,
Scheidungen, Wiedervermählungen, einen zum Judentum konvertierten Goi,
frivole Nachbarn und betrogene Erben; allesamt Fälle, die auf die eine
oder andere Art und Weise an den Vater herangetragen wurden.
Geschichten, die auch die Entwicklung des Ich-Erzählers geprägt haben.
Er baute sich vor Vaters Schreibtisch auf, hieb mit der Faust darauf
und sagte: "Rabbi, ich will Klage erheben."
"Gegen wen?"
"Meine Frau."
"Setzen Sie sich. Was ist los?"
"Rabbi, entweder ich oder der Hund", dröhnte Sainwel. "Für uns beide
ist kein Platz."
"Wer ist dieser Hund?"
"Es ist ein richtiger Hund, kein Mensch. Sie wollte einen Hund
im Haus haben - Feuer in ihr Gedärm ... "
Der 1904 im polnischen Radzymin in eine Rabbinerfamilie geborene und
1991 in Miami verstorbene Isaac B. Singer, 1978
Nobelpreisträger für Literatur, war ein geborener
Geschichtenerzähler. Mit den ersten Worten jeder Geschichte nimmt er den
Leser mit und führt ihn durch diese heiteren, melancholischen, jeweils
acht bis neun Seiten kurzen Geschichten aus der vergangenen Welt des
Ostjudentums zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
In jeder kleinen Geschichte steckt ein Hinweis, eine Moral,
eine Lehre oder auch nur die kindliche Wahrnehmung einer dem Kinde noch
unverständlichen Sache.
"Ich ging in den Hof hinunter und grübelte: Was waren unreine Tage?
Und was bedeutete: Er ist zu mir gekommen? Sie lebten doch zusammen,
und also war er sowieso immer bei ihr. Erwachsene hatten so
merkwürdige Geheimnisse."
Mit einen leichten Hang zur Ironie
und der sehr sympathischen Fähigkeit, die Schattenseiten und kleinen
Sünden des Lebens vor dem Hintergrund der religiösen Strenge nicht allzu
ernst zu nehmen, hat Isaac B. Singer siebenundzwanzig unprätentiöse
schlichte kleine Prosajuwele geschaffen.
(Roland Freisitzer; 05/2010)
Isaac
Bashevis Singer: "Ein Bräutigam und zwei Bräute. Geschichten"
Übersetzt von Sylvia List.
dtv, 2010. 207 Seiten.
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