Antonio Scurati: "Das Kind, das vom Ende der Welt träumte"
Dieser Roman des in
Italien schon mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Schriftstellers
Antonio Scurati ist sein erster, der auf Deutsch erscheint. Mit seiner
Thematik trifft er mitten in die aktuelle Debatte um den sexuellen
Missbrauch in Einrichtungen der Katholischen Kirche.
Der Roman hat über lange Strecken zwei Zeitdimensionen, die dann
irgendwann zusammengeführt werden. In der ersten Dimension geht es um
die Erinnerungen jenes "Kindes, das vom Ende der Welt träumte".
Der Junge, später stellt sich heraus, dass er mit dem 38-jährigen
Ich-Erzähler des Romans identisch ist, hat Alpträume, er ist
Schlafwandler, und seine Eltern wissen nicht, was sie tun sollen.
In der zweiten Zeitebene wird chronologisch von einem Geschehen
berichtet, das sich in den Jahren 2007 und 2008 in Bergamo, einer
italienischen Stadt in der Lombardei, zugetragen hat. Zunächst werden
pädophile Priester, die in einem versteckten Kloster leben, wo sie
Heilung für ihre Krankheit finden sollen, des Kindesmissbrauchs
verdächtigt, und schon bald werden zwei Erzieherinnen aus einem
örtlichen Kindergarten festgenommen, die in diesen Missbrauch verwickelt
sein sollen.
Der namenlose Ich-Erzähler, der als Dozent am Institut für
fremdsprachige Philologie an der Universität in Bergamo arbeitet und
nebenberuflich immer wieder für eine Zeitung Artikel schreibt, wird in
das ganze, sich von Monat zu Monat ausweitende und immer hysterischer
werdende Verfahren hineingezogen, halb lässt er sich hineinziehen. Das
liegt natürlich auch an seinen furchtbaren Kindheitserinnerungen, denen
er endlich auf die Spur kommen möchte.
Die ganze Erzählung ist hochreligiös; die Mutter, die den Stein ins
Rollen brachte, ist Mitglied einer katholischen Gruppe der
Charismatischen Erneuerung, von deren Innenleben wir in diesem Roman
eine Menge Interessantes erfahren. Etliche Priester werden verdächtigt,
systematisch und organisiert Kinder missbraucht zu haben.
Schon bald wird jede Stimme der Vernunft in einer hoch emotionalisierten
Debatte niedergebrüllt. Es gibt nur noch zwei Lager: Die Einen halten
alles für wahr, auch die Tatsache, dass nun Dutzende anderer Eltern
jedes kleine Indiz eines anderen Verhaltens ihrer Kinder für den Beweis
eines erfolgten Missbrauchs achten, die Anderen halten die ganze
Diskussion für eine Scheindebatte. Keiner hört mehr auf den Anderen, und
für den Ich-Erzähler ist diese Situation die Inkarnation des Bösen.
Er verfolgt, auf die unterschiedlichste Weise regelrecht angezogen von
einer Diskussion, die ihn gleichzeitig abstößt, die ganze Geschichte bis
hin zu ihrem doch sehr überraschenden Ende. Über sein eigenes Verhalten
kritisch reflektierend kommt er einer regelrechten Angstepidemie auf die
Spur.
Zwischendrin erfahren wir noch viel über das Privatleben und die
Beziehung des Ich-Erzählers, und auch die dramatischen und
erschütternden Erinnerungen des "Kindes, das vom Ende der Welt
träumte", lösen sich auf.
In diesem spannenden und angesichts der Missbrauchsfälle auch in anderen
Ländern Europas sehr aktuellen Roman geht es kritisch um die
gesellschaftliche Reaktion auf ein Verbrechen. Dabei ist der erzählende
Protagonist Teil des gesamten Medienspektakels, der sich durch das
Geschehen mit seinem eigenen Kindheitstrauma konfrontiert sieht.
Antonio Scuratis Roman ist Lektüre, die den Leser zwischendurch
regelrecht erschüttert und die man bis zum doch überraschenden Ende
nicht mehr aus der Hand legen kann.
(Winfried Stanzick; 08/2010)
Antonio Scurati: "Das Kind, das vom Ende
der Welt träumte"
(Originaltitel "Il bambino che sognava la fine del mondo")
Deutsch von Suse Vetterlein.
Rowohlt, 2010. 345 Seiten.
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Antonio Scurati, 1969 in
Neapel geboren, lehrt an der Universität Mailand und koordiniert
dort das Forschungszentrum für Kriegs- und Gewaltsprachen. Seine Romane
sind in viele Sprachen übersetzt und wurden mehrfach mit Preisen
ausgezeichnet, unter Anderem mit dem "Premio Mondiello" und dem "Premio
Campiello".
Weitere Buchtipps:
Alfred Wieczorek, Bernd Schneidmüller, Stefan
Weinfurter (Hrsg.): "Die Staufer und Italien"
Die Staufer haben im 12. und 13. Jahrhundert die Geschichte und
Geschicke in Europa geprägt. Friedrich
I. Barbarossa, Heinrich VI. oder Friedrich II. gehören bis heute
zu den bekanntesten
Königs- und Kaisergestalten des Mittelalters. In drei der
innovativsten Regionen aber waren sie besonders präsent: in der
Rhein-Main-Neckar-Region, in Oberitalien und im ehemaligen Königreich
Sizilien. Wie die Staufer in diesen Regionen agierten, was diese einte
und unterschied und welche Impulse von ihnen in Politik und Wirtschaft,
aber auch Wissenschaft, Gesellschaft, Kunst und Kultur ausgingen,
beschreibt dieser Begleitband zu einer Ausstellung. (Theiss)
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Olaf B. Rader:
"Friedrich II. Der Sizilianer auf dem Kaiserthron. Eine Biografie"
Heiland oder Antichrist? Wie kein zweiter Herrscher hat Friedrich II.
(1196-1250) die Gemüter erhitzt. Noch im 20. Jahrhundert wurde er zum
genialen Staatsmann, Vorläufer der Moderne und deutschen
Idealherrscher stilisiert. Olaf B. Rader porträtiert Friedrich vor
allem als Sizilianer und zeichnet so ein neues, überraschendes Bild
des Kaisers, der uns bis heute auch als Wissenschaftler, Bauherr und
Dichter beeindruckt.
In Italien geboren und aufgewachsen, verbrachte Friedrich, das "Kind
aus Apulien", auch nach seiner Kaiserkrönung die meiste Zeit im
Mittelmeerraum. Hier lag der Schwerpunkt seiner Herrschaftsinteressen,
hier führte er endlose Kämpfe zu Land und zur See. Seine Schriften
über die Falkenjagd, seine Gespräche mit Gelehrten und sein
Dichterkreis zeugen von einem für das Mittelalter ganz
außergewöhnlichen Interesse an Kunst und Wissenschaft. Schon zu
Lebzeiten galt Friedrich als "Staunen der Welt". Bis in die neueste
Zeit wurde er von Legenden umrankt und politisch vereinnahmt.
Olaf B. Rader legt in seiner meisterhaften Biografie die historische
Figur des Kaisers hinter den Mythen frei. Das "Staunen der Welt" wird
so zum Staunen des Lesers über einen Sizilianer, der den Lauf der
Weltgeschichte veränderte. (C.H. Beck)
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Gianluca Falanga: "Italien. Ein Kompass durch
das geliebte Chaos"
Spätestens seit Goethes Italien-Reise blicken (nicht nur) die Deutschen
sehnsüchtig nach Süden, auf das "Land, wo die
Zitronen blühen". Inzwischen haben sich Millionen Deutsche
ihren Traum erfüllt, ob als Pauschaltourist am Strand von Rimini oder
als Wein- und Kunstfreund in der Toskana.
Die Klischees vom Dolce Vita sind so zahlreich wie jene von den
Schattenseiten Italiens, von allgegenwärtiger Korruption,
innerstädtischen Müllbergen und Mafiosi.
Für Gianluca Falanga dagegen ist die italienische Gesellschaft eine
lebendige Vielfalt unterschiedlichster Regionen, Kulturen und
Lebensstile, in der Avantgarde und Rückständigkeit, Leidenschaft und
Apathie, Anmut und Brutalität nebeneinander bestehen. Falanga führt
durch die chaotischen Zustände seines Heimatlandes, erzählt von der
Geschichte und politischen Kultur Italiens, vom Alltag und dem
Zusammenleben seiner Landsleute. Ein Kompass für alle Italien-Liebhaber.
(Christian Links Verlag)
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Anna
Sgroi: "Typisch Anna! La vera cucina italiana - Rezepte der
Sterneköchin Anna Sgroi"
Anna Sgroi, die sternengekrönte Sizilianerin in Hamburg, steht für die
"vera cucina
italiana", eine klare und geschmackvolle Küche, eine Küche ohne
Schnickschnack oder italienische Folklore. Mit bedingungsloser
Konsequenz und Selbstbewusstsein präsentiert sie Gerichte von einer
verblüffenden Leichtigkeit.
Ihre Fischzubereitungen sind für viele eine Offenbarung, ihr
Klassiker, das Zicklein aus dem Ofen, ist ein Gedicht. Ihre Risotti,
darunter besonders das Steinpilzrisotto mit Blaubeeren, und ihre
gefüllten Ravioli sind umwerfende Geschmackskompositionen. Sie ist
eine Meisterin der kleinen Saucen und der Marinaden, die sie lauwarm
über originelle Salatkombinationen träufelt. Das Geheimnis ihrer
eleganten Küche sind, wie sie selbst sagt, nichts als "frische
Zutaten, perfekte Zubereitung und raffinierte
Geschmackskombinationen".
Mit diesem Buch lässt die Sterneköchin den Leser zum ersten Mal in
Küche und Kochtöpfe blicken und verrät die Rezepte zu den schönsten
Gerichten, die ihre puristische Qualitätsküche so unvergleichlich
machen - klassisch-klar von Julia Hoersch fotografiert. (AT Verlag)
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