Corinna Hesse: "Das Schumann-Hörbuch"
Wenn
Töne sprechen
"Die Musik zeigt den Menschen eine Vergangenheit und eine
Zukunft, die
sie nie erleben. Wenn Töne sprechen, müssen wir
zugleich uns erinnern und uns
sehnen. Rinnen nun in den Tönen Vergangenheit und Zukunft des
Herzens zusammen
und fehlt ihnen die Gegenwart, die beide scheidet: so sind sie ja das
irdische
Echo der Ewigkeit, und der Mensch hört an ihnen kein
Außen, sondern nur sein
Innen und ewiges Ich."
Man könnte meinen, der Dichter Jean Paul habe in diesen Worten
an einen
bestimmten Mann gedacht. Sein facettenreiches Werk und sein von
romantischer
Liebe und genialem Schaffensdrang geprägter Lebensweg
faszinieren bis heute die
Menschen in aller Welt. Ein Komponist, der sein Inneres in Klang
verwandeln
sollte und dessen Geburtstag sich am 8. Juni 2010 zum zweihundertsten
Mal jährte.
Und wie es der Zufall will: Robert Schumann findet sich vor allem in
den Werken
Jean Pauls wieder, ja, er äußerte sogar einmal, dass
er bei ihm mehr
Kontrapunkt gelernt habe als bei seinem Theorielehrer.
Der im sächsischen Zwickau geborene Komponist war, angeregt
durch seinen Vater
- einen Schriftsteller, Übersetzer und Verleger - auch ein
leidenschaftlicher
Literat. Als Achtjähriger schmiedet er bereits Verse und
bringt Räuberkomödien
auf die häusliche Bühne. Abgerundet wird das
bürgerliche Bildungsprogramm
durch Musik und erste Stunden am Klavier. "Was ich eigentlich
bin, weiß
ich selbst noch nicht klar: Phantasie, glaub’ ich,
hab’ ich: und sie wird
mir auch von keinem abgesprochen: tiefer Denker bin ich nicht: ich kann
niemals
logisch einen Faden fortgehen, den ich vielleicht gut
angeknüpft habe. Ob ich
Dichter bin - denn werden kann man es nie - soll die Nachwelt
entscheiden",
schreibt er mit 15 Jahren in sein Tagebuch.
Letztendlich hat die Musik den Vorrang bekommen, auch wenn Schumann ein
Leben
lang aus den literarischen Quellen von Shakespeare, Schiller, Lord
Byron oder Hölderlin
schöpfen wird.
Klavierschüler bei Friedrich Wieck, Theorieunterricht beim
Leipziger
Hofkapellmeister Heinrich Dorn, ein exzessives Leben: "Geradezu
süchtig
improvisiert er stundenlang am Klavier. Die großen Virtuosen
wachen über ihn:
Kleine Statuetten von Paganini, Thalberg und Liszt stehen auf seinem
Schreibtisch. Doch seine eigenen Finger stolpern unfolgsam! Schumann
spannt sie
in Apparaturen ein, um Kraft zu erzwingen - bis Zeige- und Mittelfinger
der
rechten Hand gelähmt sind. Seine Karriere als Pianist ist
dahin. Doch wäre der
schüchterne, junge Mann überhaupt für ein
Leben im Rampenlicht geeignet
gewesen?", intoniert der gebürtige Dresdner,
Schauspieler Dietmar Mues,
gemeinsam mit seiner Kollegin Anne Moll, die den Part Clara Schumanns
übernimmt,
das großartige Hörbuch aus dem Silberfuchs-Verlag.
Stück für Stück nimmt der Hörer
teil an dem Lebenslauf des genialen, aber
nicht immer einfachen Zeitgenossen Schumann, bis dieser
schließlich mit nur 46
Jahren in geistiger Umnachtung, offensichtlich Spätfolge einer
Syphilis-Infektion, am 29. Juli 1856 stirbt.
Mit wachen Sinnen verfolgt man den Werdegang Robert Schumanns.
Kumulierend
wirken die gezielt eingesetzten Untermalungen aus dem reichhaltigen
musischen
Schaffen des Künstlers. So erklingen zum Beispiel
Auszüge aus seinem
Violinkonzert d-Moll, der 3. Sinfonie, seiner berühmten
"Träumerei",
oder Dietrich Fischer-Dieskau intoniert "Ich will meine Seele tauchen".
Alles in allem weckt das Hörbuch ein Lust auf "mehr". "Denn
darum geht es natürlich vor allem", schreibt Dr.
Ingrid Bodsch, die
Direktorin des "StadtMuseums Bonn" und Projektleiterin des
"Schumann-Netzwerkes",
in ihrem Vorwort, "vielen Menschen den Zugang zur Musik von
Robert
Schumann zu eröffnen und sie als begeisterte Zuhörer
zu gewinnen, die über
das Hörbuch auch den Weg in die Konzertsäle finden."
Fazit:
"Das Schumann Hörbuch" offenbart sich als wunderbares Kleinod,
das
eine ansprechende Kurzbiografie geschickt mit dem Werk des
Künstlers im
Allgemeinen und der wunderbaren Musik Robert Schumanns im Besonderen
vereint.
Konzept, textliche Auswahl, inhaltliche Dramaturgie und zwei wohltuende
Sprecher
tragen zum Gesamtgelingen bei.
(Heike Geilen; 06/2010)
Corinna
Hesse: "Das Schumann-Hörbuch"
Silberfuchs-Verlag, 2010. 1 CD, Spieldauer ca. 80 Minuten.
Sprecher: Dietmar Mues.
Künstlerisch gestaltete CD-Edition von Roswitha Rösch
mit sechzehnseitigem Beiheft.
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Ergänzende
Buchtipps:
Peter Gülke: "Robert Schumann. Glück und Elend der
Romantik"
Robert Schumann ist eine der großen Gestalten der Romantik:
Genie von höchster
Produktivität, hingebungsvoller Ehemann, Vater von acht
Kindern, manisch und
depressiv - und jung gestorben in einer geschlossenen Anstalt. Peter
Gülke
widmet sich in dieser Biografie dem Pianisten und Komponisten von
Klaviermusik
und Kunstliedern, von Symphonien und Konzerten, dem Musikschriftsteller
und
Leser von Jean Paul und E.T.A.
Hoffmann. Seinerseits ein leidenschaftlicher
Musiker, erklärt er die schumannsche Musik und ihre
Entstehungsbedingungen und
setzt sich dabei kritisch auseinander mit manchem festgefügten
Bild. (Zsolnay) zu einer Leseprobe ...
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Martin
Geck: "Robert Schumann. Mensch und Musiker der
Romantik"
Er war ein leidenschaftlicher Tonpoet und kühner musikalischer
Vordenker, der
in seinem Schaffen Sinnlichkeit und Intellektualität,
Realismus und
Traumverlorenheit genial zu vereinen wusste: Robert Schumann
(1810-1856), bis
heute in allen Konzertprogrammen der Welt präsent.
Schumann war jedoch nicht nur ein bedeutender Komponist und
Musikschriftsteller,
sondern auch ein politisch wacher Zeitgenosse, der mit der Revolution
von
1848/49 sympathisierte. Einerseits stand er - als Vater von acht
Kindern - ganz
im Leben, andererseits betäubte er sich mit Rauschmitteln,
schwor auf das in
seinen Kreisen beliebte Tischerücken und ließ durch
seine Stücke
geheimnisvolle Stimmen geistern. Martin Geck erzählt den
faszinierenden
Lebensweg dieses Universalgeists der Romantik und berichtet dabei von
den
gesellschaftlichen und künstlerischen Umbrüchen
seiner Zeit. Er wirft ein
neues Licht auf das vielseitige Werk des Komponisten - und blickt
zugleich in
die Abgründe des Menschen Robert Schumann, der zeitlebens
unter der größeren
Berühmtheit seiner geliebten Frau
Clara litt und nach versuchtem Selbstmord
schließlich in einer Nervenheilanstalt in den Tod
hinüberdämmerte. (Siedler)
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Martin Demmler: "Robert Schumann. 'Ich hab' im Traum geweinet'" zur Rezension ...