Arthur Schopenhauer: "Über den Tod"

Gedanken und Einsichten über letzte Dinge
Herausgegeben von Ernst Ziegler


Der Tod: Schopenhauer in seinem Element

Ernst Ziegler, Historiker und Paläograph, ist Privatdozent an der Universität St. Gallen und ehemaliger Stadtarchivar St. Gallens. Im April 2010 erschien, ebenfalls bei Beck, seine bemerkenswerte Aufbereitung des Schopenhauer’schen Spätwerks "Senilia". Die Beck'sche Reihe beinhaltet eine Serie kleinerer Monografien zu einzelnen Themen Schopenhauer'schen Denkens. Die letzterschienene trägt den Titel "Über den Tod" und wurde herausgegeben und eingeleitet von Ernst Ziegler.

Schopenhauers Philosophie haftet oft der Ruf des Pessimistischen an. Dieser durchaus anfechtbare Ruf wird aus zweierlei Quellen gespeist. Zum Einen fehlt ihm das allzu bequeme christlich-optimistische Moment des postmortalen Paradieses, das für alle diesseitigen Schwernisse entschädigen soll. Aus Sicht des christlichen Heilsversprechens kann man bei dem Schopenhauer'schen Denken schon von Pessimismus reden, aber nur aus dieser Sicht. Das zweite Moment Schopenhauer'schen Pessimismus' ist sicherlich seinem miesepetrigen Ruf geschuldet, der ihm bis zu den 1850er-Jahren anhaftete, bis, ja bis er, der Caspar Hauser der deutschen Philosophie des 19. Jahrhunderts, von der Welt als Denker entdeckt und gewürdigt wurde, bis man zu ihm pilgerte und ihn verehrte. Da wurde er, der es jedoch Zeit seines Lebens verstanden hatte, es sich an nichts fehlen zu lassen, plötzlich umgänglich. Den "Pessimisten" Schopenhauer nennt Ziegler im Rückgriff auf den jüngst verstorbenen Saramago einen letztlich gut informierten Optimisten, was den Kern wohl eher trifft als das notorische Attribut des Pessimisten.

Ernst Ziegler führt in einer sachkundigen Einleitung in das Denken Schopenhauers ein. Es folgt auszugsweise der Text des Aufsatzes "Über den Tod und sein Verhältniß zur Unzerstörbarkeit unsers Wesens an sich", gefolgt von einem kurzen Auszug aus "Zur Lehre von der Unzerstörbarkeit unsers wahren Wesens durch den Tod" und einer abschließenden "Anthologie", einer Blütenlese. Den Kern bildet aber der erstgenannte "Über den Tod und sein Verhältniß zur Unzerstörbarkeit unsers Wesens an sich". Dieser für das Lebens- und Todesverständnis Schopenhauers zentrale Text zeigt exemplarisch die Grundzüge seines Denkens.

Todesfurcht ist die Kehrseite des für Schopenhauer zentralen Willens zum Leben. "Daher ist jedem Thiere, wie die Sorge für seine Erhaltung, so die Furcht vor seiner Zerstörung angeboren [...]." Es ist nicht das "Nichtseyn", das wir fürchten, sonst "müßten wir mit gleichem Schauder der Zeit gedenken, da wir noch nicht waren." Denn beide Phasen der Nichtexistenz, so Schopenhauer, könne nicht verschieden sein, und so könne auch keine von beiden beklagenswerter sein. Darin zeichnet sich bereits der Steg in Richtung des Hinduismus und Buddhismus ab. Dass die Hoffnung auf "einer bessern Welt" nach dem Tode anhängt, sei im Übrigen "ein Zeichen, dass die gegenwärtige nicht viel" tauge.

Ein interessanter Ansatz liegt in diesem Gedanken: "Was der Schlaf für das Individuum, sei der Tod für die Gattung." Er nennt es absurd, dass der Mensch post mortem eine endlose Fortdauer habe, während Hund, Affe und Elefant durch den Tod vernichtet würden. In der Reflektion über Entstehen und Vergehen von Tieren liegt, so Schopenhauer, die Erkenntnis für ebendiesen menschlichen Prozess begründet: "Also frisch weg, nicht nah vorgefaßten Grillen, sondern an der Hand der Natur, Die Wahrheit verfolgt!" Als unvergänglich könne der Mensch sich allenfalls zeitlos denken, ohne Anfang, wer aus nichts entstanden sei, könne lediglich im Nichts enden. Die Argumentation arbeitet insgesamt auf Schopenhauers These der Weltseele und ihrer ephemeren menschlichen Existenzen hin.

Mit dem Tode erlischt das Leben, aber nicht das Prinzip des Lebens, welches in ihm sich manifestiert. Der Mensch ist kein Ding an sich, sondern bloß Erscheinung. "[...] Nichtsein ist kein Leiden, und so lange ich bin, ist der Tod nicht, und wenn der Tod ist, bin ich nicht: was ist da zu fürchten?" Der Intellekt als Werkzeug des Willens (zum Leben) kann mit dem Tod nichts anfangen. Der Tod ist die Trennung des Willens vom Intellekt.

Fazit
Dies Büchlein ist an einem Nachmittag gelesen, und doch vermag es in das Denken Schopenhauers einzuführen. Angenehm für ein breiteres Publikum ist es sicherlich, dass fremdsprachige Zitate oder etwas seltenere Fremdwörter durchgängig übersetzt sind. Und so wünscht man ihm viele Leser.

(Klaus Prinz; 09/2010)


Arthur Schopenhauer: "Über den Tod. Gedanken und Einsichten über letzte Dinge"
Herausgegeben von Ernst Ziegler.

C.H. Beck, 2010. 106 Seiten.
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