Michel Odent: "Die Natur des Orgasmus"

Über elementare Erfahrungen


Am höchsten Punkt der Leitern

"Jede Episode des menschlichen Sexuallebens kann zu einer Klimax führen, einer Gipfelerfahrung. Das griechische Wort 'klimax' bedeutet Leiter oder "Treppe. Jede Leiter hat einen höchsten Punkt. Dieses Buch handelt von den Höhepunkten, die auf verschiedenen Leitern erreicht werden können."

So beginnt Michel Odents "Die Natur des Orgasmus. Über elementare Erfahrungen". Doch nicht den ekstatischen Höhepunkt der genitalen Vereinigung nimmt der französische Arzt und Geburtshelfer unter die Lupe, sondern sein Interesse bezieht sich fast ausschließlich auf den so genannten "Fötus-Ejektions-Reflex" (das kontraktorische Pressen des Kindes durch den Geburtskanal) und den "Milch-Ejektions-Reflex" (das Einschießen der Milch in die weibliche Brust), der in einem engen Zusammenhang zum weiblichen genitalen Orgasmus und dem männlichen "Sperma-Ejektions-Reflex" steht, so Odent.

Dem Autor geht es in seinem Buch vor allem darum, Wilhelm Reichs bahnbrechende Arbeit aus den 1940er-Jahren ("Die Funktion des Orgasmus"), die sich ausschließlich auf die genitale Sexualität richtete, in einen neuen wissenschaftlichen Kontext zu stellen und dessen Perspektive zu erweitern. Eine bewusst erlebte Geburt ohne störende Einflüsse sowie das Stillen sind für ihn gleichfalls Höhepunkte, in die viele Ebenen des Nerven- und Hormonsystems einbezogen sind, "und die die Möglichkeit bieten, in einen anderen Bewusstseinszustand zu wechseln sowie aus dem Raum-Zeit-Gefüge der Alltagsrealität zu flüchten und in transzendente emotionale Zustände einzutauchen." Kaiserschnitt, "Einmischung von Außen" oder gar die Anwesenheit des Vaters während der Geburt verhindere den "Fötus-Ejektions-Reflex" und das Ausschütten körpereigener Liebeshormone. Das wiederum habe einen entscheidenden Einfluss auf die zukünftige Liebesfähigkeit der Mutter. Der Mutterliebe als Prototyp aller anderen Facetten der Liebe solle man ein besonderes Augenmerk in zukünftigen wissenschaftlichen Betrachtungen schenken, plädiert der Autor.

"Kann Gebären eine ekstatische Erfahrung sein? (...) Kann der Ort einer Geburt zu einem heiligen Ort werden?" Michel Odent beantwortet diese Frage ganz klar mit "Ja". Die drei Leitern der Lust (Gebären, Sex, Stillen) spielen dabei eine entscheidende Rolle. Seine gewählte Mixtur offenbart sich allerdings als eigenartige Melange aus alternativer Geburtshilfe, Evolutions- und Neurobiologie, Hormonforschung bis hin zu esoterischen Betrachtungsweisen. Alle Themen werden nur kurz angerissen und gehen nicht in die Tiefe. Als "eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Phänomen Liebe und mit der Frage, wie sich die Liebesfähigkeit entwickelt" kann dieses Buch nach Meinung der Rezensentin nicht angesehen werden. Dafür ist die Argumentation des Autor zu einseitig und zu explizit auf eine physiologische Dynamik der "natürlichen" Geburt ausgelegt.

(Heike Geilen; 01/2011)


Michel Odent: "Die Natur des Orgasmus. Über elementare Erfahrungen"
Übersetzt von Christoph Trunk.
C.H. Beck, Beck'sche Reihe, 2010. 138 Seiten.
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Michel Odent, Dr. med., geb. 1930, ist wohl der weltweit bekannteste Geburtshelfer. Für die "WHO" forschte er zum Thema Hausgeburten in Industrieländern, 1990 ließ er sich in London nieder und gründete dort das "Primal Health Research Center". Er verfasste zahlreiche Bücher, die in 21 Sprachen übersetzt wurden.

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Wilhelm Reich: "Die Entdeckung des Orgons. Die Funktion des Orgasmus. Sexualökonomische Grundprobleme der biologischen Energie"
"Die Funktion des Orgasmus" ist das Werk Wilhelm Reichs, das die weiteste Verbreitung gefunden hat. Als das Buch im Jahr 1969 zum ersten Mal in der Bundesrepublik Deutschland erschien, wurde es mit begeisterter Zustimmung aufgenommen. Seitdem hält die Rezeption dieses fundamentalen sexualökonomischen Werks an.
Die Bedeutung der Funktion des Orgasmus liegt in der Radikalität, mit der Reich als erster die zentrale Bedeutung der Sexualität für den Einzelnen und die Gesellschaft erkannt hat. Über Freud hinaus, der die Notwendigkeit der Triebsublimierung für die kulturelle Entwicklung postuliert, stellt Reich die Frage nach den gesellschaftlichen Bedingungen der Neurosenentstehung und kommt zu der Feststellung, dass jede Neurose die Folge einer gestauten Sexualenergie ist, deren Verdrängungsmechanismen von der autoritären Familien- und Ehestruktur automatisch erzeugt werden. Er weist nach, dass die orgastische Potenz gleichzeitig soziale Potenz ist, die eine Humanisierung und ungestörte Leistungsfähigkeit erst garantiert. Die Auswertung seiner klinischen Arbeit führt Reich zu einer grundsätzlichen Aufklärung des Orgasmusreflexes, dessen biologische Abläufe er eingehend analysiert und zum Ausgangspunkt der Vegetotherapie macht, die die muskulären und charakterlichen "Panzerungen" löst und die unterdrückte Genialität freisetzt. Er fordert zur Neurosenverhütung (die für ihn gleichbedeutend ist mit einer Verhütung faschistischer Ideologie) eine der Sexualökonomie entsprechende Gesellschaft, die von den Zwängen einer zu eng konzipierten Institutionalisierung befreit.
"Die Funktion des Orgasmus" in der vorliegenden Form hat Teile (die Beschreibung des Orgasmus) dem 1927 erschienenen gleichnamigen Buch entnommen, ist aber sonst eine in den Vereinigten Staaten von Amerika (1942) entstandene Neufassung. Ein abschließendes Kapitel zeigt die Weiterentwicklung der Sexuologie zur Naturwissenschaft: die Rückführung der Sexualität auf die biophysikalische Kraft des Orgons, mit dessen Erforschung Reich sich in seinen letzten Jahren beschäftigte.
Das vorliegende Buch ist eine unveränderte Neuauflage des gleichnamigen 1969 erschienenen Werks. (Kiepenheuer & Witsch)
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