Claudia Szczesny-Friedmann: "Wie du mir. Zu Risiken und Nebenwirkungen im Umgang mit Menschen"

Ein evolutionspsychologischer Ratgeber


Mit diesem evolutionsbiologischen Ratgeber über das Ich und Du füllt die Autorin Claudia Szczesny-Friedmann eine Lücke in den Erklärungen darüber, nach welchen Mustern zwischenmenschliche Beziehungen ablaufen.

In ihrem Vorwort zitiert sie Freud, der in seinem Buch "Das Unbehagen in der Kultur" bereits anno 1930 bedauert, dass junge Menschen ohne den Hinweis auf die Aggressionen, die allenthalben lauern, ins Leben entlassen werden.

Als eine der Grundthesen von Claudia Szczesny-Friedmann gilt, dass soziale Beziehungen für unser Wohl und Gedeihen von enormer Bedeutung ist.

In ihren Ausführungen bezieht sich die Autorin auf Freud und Darwin, denn beide haben mit ihren Forschungen an der Spezies Mensch, und Darwin auch am Tier, wichtige Erkenntnisse über das zwischenmenschliche Verhalten gesammelt und der Forschung zugänglich gemacht.

Die Autorin hat mit einem Satz über Konkurrenz, Streben und Vormachtstellung auf der einen Seite und Kooperation auf der anderen Seite ihre Weichenstellung gesetzt für das weitere Vorgehen ihrer Definitionen über zwischenmenschliches Verhalten. Veranlagung und Erziehung zusammen bilden nach ihren Aussagen erst den Kern, aus dem sie beim Menschen die "Tauben" und die "Falken" herausschälen. Die Einen treten eher zaudernd auf, sind zuverlässig, vertrauenerweckend, auf Frieden und Konsens bedacht, die Falken hingegen geben sich siegesgewiss, fordernd und erfolgsbewusst.

Wie diese Verhaltensmuster entstanden sind, das hängt von der jeweiligen inneren evolutionsbiologischen Konstellation ab. Hier ein Äquivalent zwischen den Tauben und Falken herzustellen, ist der Ansatz, mit dem sich Claudia Szczesny-Friedmann beschäftigt.

In ihren klug und folgerichtig aufgebauten Kapiteln zeigt die Autorin Details im Verhalten der beiden Charakterkomponenten.
Geben und Nehmen ist danach ein Gesetz der Ökonomie, das sich im Verhalten ausgleichen muss. Nimmt der Eine nur oder gibt der Andere nur, entsteht das Ungleichgewicht der Ausbeutung. Dieses Nehmen und Geben bezieht sich auf soziale Zuwendung, Hilfsbereitschaft, gegenseitige Akzeptanz und Anerkennung. Kommt es hier zu einem Ungleichgewicht im Verhalten der Populationen (Gruppierungen), ist mit Spannungen und im schlimmsten Fall mit seelischer Ausbeutung bis hin zu Krankheitssymptomen zu rechnen.
In diesem Zusammenhang muss allerdings angemerkt werden, dass wir es hier mit einer rationalen Auflistung und Gegenüberstellung verschiedener Charaktereigenschaften zu tun haben wie z.B. Bescheidenheit, Tiefstapelei, Unterwürfigkeit und übertriebener Hilfsbereitschaft oder überhöhtem Selbstbewusstsein. Hier fehlen meiner Meinung nach die Hinweise auf die aus der Psychoanalyse bekannten Merkmale der Verdrängung, der Verkehrung ins Gegenteil (Bescheidenheit kontra Gier), der Selbstüberschätzung und der Realitätseinbuße, die bei allen bekannten menschlichen Konflikten mit zu bedenken sind.

Emotionen und Gehirn bilden nach C.S.F. zusammen aus, was wir wünschen und wollen. Dabei überschätzt die Autorin meines Erachtens die Fähigkeit, Gefühle richtig einzuordnen. Erst in langjähriger Erfahrung und Praxis erlernt man das, was in der Psychoanalyse herkömmlich als "Gegenübertragung" definiert wird. Immerhin gibt es aber Menschen, die ihrem "natürlichen" Gefühl trauen können. Diese sind nach meinem Dafürhalten in der Minderzahl.

Eine Vielzahl von klugen und wohl begründeten Thesen der Autorin bieten anregende und durchaus hilfreiche Tipps, sich im Dschungel des täglichen Lebens und der mitmenschlichen Konfliktpotenziale zu bewegen.

Am Ende steht und bleibt die Frage nach dem Glück.
"Angst und Aggression sind die treibenden Kräfte in unserem Leben" ... und "(...) wir sind darauf programmiert, das Glück zu suchen, aber nie dauerhaft zu finden." So bleibt für uns die Suche nach der Sicherheit und dem Erfolg. Wer nicht gerade von Angst und Ehrgeiz getrieben ist, dem verspricht die Autorin einen Zustand, der dem Glück nahe kommt.

Mit ihren Ausführungen ist der Autorin Claudia Szczesny-Friedmann fast eine Sozialverhaltensgeschichte gelungen. Ein ausführliches Literaturverzeichnis komplettiert ihr Werk, das in seiner Komplexität höchst empfehlenswert ist.

(Claudine Borries; 05/2010)


Claudia Szczesny-Friedmann: "Wie du mir. Zu Risiken und Nebenwirkungen im Umgang mit Menschen.
Ein evolutionspsychologischer Ratgeber"

Scoventa, 2009. 268 Seiten.
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