Tanja Kinkel: "Im Schatten der Königin"


Wieder einmal hat sich Tanja Kinkel einem historischen Nebenthema zugewandt, das in seiner Wichtigkeit für bestimmte historische Prozesse eventuell zu wenig beachtet worden ist. Diesmal beschäftigt sich die Autorin mit dem Elizabethanischen Zeitalter, das nach ihren eigenen Aussagen im Nachwort für sie eine starke emotionale und intellektuelle Bedeutung hat. Dabei stellt sie allerdings nicht - wie so viele andere Autorinnen und Autoren - die Königin, ihre Seefahrer oder auch die Theaterleute in den Mittelpunkt, sondern geht in ihrer Erzählung von Amy Dudley, geborene Rosbart, aus, die am 8. September 1560 tot im Haus ihres Gastgebers aufgefunden wurde; anscheinend war sie die Treppe hinuntergestürzt, während die meisten Hausbewohner und Hausbediensteten gerade auf dem nahegelegenen Jahrmarkt waren.

Dies ist besonders pikant, weil ihr Ehemann Robert Dudley sie bereits seit einiger Zeit von Haushalt zu Haushalt schiebt, statt sie zu sich an den Hof zu holen, wo er sehr vertraut mit der jungen Königin Elizabeth ist, die sich gerade noch darum bemühen muss, ihre Stellung zu konsolidieren und auszubauen, die nach der vorhergehenden Dynastiegeschichte alles Andere als sicher ist. Ihr Unwille, zügig einen Ehemann zu nehmen, ob nun aus dem britischen Adel oder den europäischen Könighäusern, lässt Gerüchte über eine Beziehung zwischen dem verheirateten Jugendfreund und der jungen Königin nicht verstummen. Einer Ehe der beiden scheint nur Amys Existenz entgegengestanden zu haben, und so gelten die beiden nun auch in den Augen vieler im Inland und Ausland als Hauptverdächtige für den Tod von Roberts Frau.

Dies bereits zu Beginn vorausahnend, schickt Robert seinen alten Freund und Beinahverwandten Thomas Blount nach Oxfordshire um "ohne Ansehen der Personen" die Wahrheit hinter Amys Ableben festzustellen. Und Thomas hat seine ganz eigenen Interessen, dies gut zu erledigen, denn nicht nur hängt sein berufliches Wohl und Wehe eng mit jenem von Robert Dudley zusammen, sondern er selbst unterhielt einmal für kurze Zeit eine engere Beziehung zu Amy, bis ihm seine Frau ein Ultimatum stellte.

Begleitet von einem Schauspieler aus dem Kreise Burbages, der dringend einen Patron für sich und seine Theaterkollegen sucht, beginnen die Ermittlungen zwischen London, Oxfordshire, Oxford und Cambridge, die Thomas Blount allerlei Wahrheiten über seine Jugendfreunde, zu denen auch die Königin gehörte, und sich selbst erfahren lassen und den Leser über die innen- und außenpolitischen Entwicklungen, wie sie damals zum Teil "hinter dem Vorhang" abgelaufen sein mögen, aufklären.

Unterbrochen werden die Betrachtungen des ich-erzählenden Thomas Blount immer wieder durch solche einer Dame aus dem Kreis der Königin, die zunächst nicht eindeutig identifiziert wird (wenn auch historisch bewanderte Leser wahrscheinlich nicht lange brauchen werden, um auf ihren Namens zu kommen), die die Entwicklungen bei Hofe deutlich machen.

"Im Schatten der Königin" ist eine interessante Variante der Geschichte, die ja bereits mit einem etwas anderen Schwerpunkt von Tom McGregor in dem verfilmten Roman "Elizabeth" erzählt wurde, wobei hier jetzt eben nicht die junge Königin im Mittelpunkt steht, sondern diejenigen, die mit ihr aufsteigen oder fallen könnten, beleuchtet werden. Sehr interessant und unterhaltsam geschrieben und ergänzt durch ein Nachwort sowie durch Genealogien der wichtigsten beteiligten Familien ist dies ein historischer Roman, der sich wieder einmal so richtig lohnt.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 02/2010)


Tanja Kinkel: "Im Schatten der Königin"
Gebundene Ausgabe:
Droemer, 2010. 425 Seiten.
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Hörbuchausgabe:
Argon, 2010.
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