Martin Kuckenburg: "Das Zeitalter der Keltenfürsten"

Eine europäische Hochkultur


Mehr als wilde und kühne Krieger: die Kelten Mitteleuropas

Ein wenig Magie schwingt mit, wenn man in Europa über die Kelten spricht, jenes mysteriöse Volk, scheinbar allgegenwärtig und letztlich doch verdrängt, untergegangen. Geheimnisvoll, wie sie wirken, haben die Kelten die Fantasie vieler Autoren und auch etlicher "Fans" beflügelt, sodass man heute allenthalben auf mehr oder weniger authentische keltische Rituale und Historienspiele stößt.

Eine wissenschaftliche Betrachtung fällt natürlich nüchtern aus. Letzten Endes wissen wir nicht viel über die Kelten, die im deutschsprachigen Raum lebten - oder doch? Eine Reihe neuerer Funde lässt überraschende und vor allem fundierte Schlüsse zu. Mit ihnen befasst sich das Buch von Martin Kuckenburg, einem Spezialisten auf diesem Gebiet.

Die Einleitung geht auf das Interesse an der keltischen Kultur ein, im Anschluss aber dominiert die Wissenschaft: Während die ersten Kapitel an die Etablierung keltischer Siedlungen in Mitteleuropa heranführen, befasst sich der Hauptteil des Buchs mit den berühmten Funden innerhalb Deutschlands, vor allem der Heuneburg im Schwäbischen, und den daraus zu ermittelnden sozialen und politischen Strukturen vor rund zweieinhalb Jahrtausenden. Lebensstil, Hierarchien und insbesondere die Frage, wie reiche Bestattungen zu interpretieren sind - in welcher Weise also Fürsten oder anderweitig legitimierte Personen die Gemeinwesen dominierten -, stehen im Vordergrund. Nicht wenige Kapitelüberschriften enden mit einem Fragezeichen, denn mancher Fund wirft ebenso viele Fragen auf, wie er beantwortet.

Als äußerst faszinierend erweisen sich die Nachverfolgung antiker Handelswege, besaßen doch die keltischen Fürsten Waren aus Griechenstädten wie Marseille, doch ebenso aus dem etruskischen Kulturkreis, und der Verbreitung des Zinns, eines in der Antike unverzichtbaren Metalls (Bronze!). Und schließlich, nachdem die Themen Soziales, Kunst und Kultur betrachtet wurden, untersucht der Autor den Verfall der etablierten Fürstensitze und die Neuanfänge.

Rund ein halbes Jahrtausend vor der Zeitenwende hatten sich in weiten Teilen Europas keltische Gemeinwesen etabliert, die sich, wie Martin Kuckenburg beweist, durchaus mit jenen der Griechen und Etrusker jener Zeit messen konnten. Der Autor zieht jene Funde heran, die erst vor wenigen Jahrzehnten gemacht wurden und seither die Geschichtsschreibung verändern, ja, revolutionieren: Die Mitteleuropäer saßen keineswegs, in Tierfelle gekleidet, "auf den Bäumen", während sich rund um das Mittelmeer Hochkulturen etablierten.

Ergänzt von zahlreichen Fotos und Skizzen, weist Kuckenburg nach, welch komplexe Strukturen sich unter den keltischen Fürsten- oder Häuptlingstümern schon vor über zweitausend Jahren ausgebildet hatten, welch aufwändige Handelsbeziehungen diese pflegten, und wie sie doch eigenständig, auf der Basis eigener Religion und Kultur, bestanden. Sehr packend lesen sich jedoch auch die Kontroversen zwischen unterschiedlichen Historikern, besteht doch keineswegs in allen Fragen rund um die keltischen Siedlungen im deutschsprachigen Raum Konsens.

Ob man einfach grundsätzliches Interesse an der Antike und der keltischen Kultur hat oder sich auf ein "keltisches Fest" vorbereiten möchte: dieses anspruchsvolle Buch bietet eine Fülle an allgemeinverständlichen Informationen und berücksichtigt die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen.

(Regina Károlyi; 05/2010)


Martin Kuckenburg: "Das Zeitalter der Keltenfürsten. Eine europäische Hochkultur"
Klett-Cotta, 2010. 320 Seiten.
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Martin Kuckenburg, 1955 in Erfurt geboren, studierte Vor- und Frühgeschichte, Urgeschichte und Völkerkunde in Tübingen und ist Sachbuchautor auf den Gebieten der Archäologie und Kulturgeschichte.

Weitere Bücher des Autors (Auswahl):

"Kultstätten und Opferplätze in Deutschland. Von der Steinzeit bis zum Mittelalter"
Rätselhafte Kulte prägten die Religionen der vorgeschichtlichen Menschen in Deutschland: Sie verbrannten Tiere und Keramik auf bizarren Felsnadeln und in düsteren Höhlen, sie zelebrierten mystische Sonnenwendfeiern und Fruchtbarkeitsriten an Menhiren und weithin sichtbaren Bergkuppen, versenkten hölzerne Götzenbilder, ja selbst lebendige Menschen als Opfer an die Götter im Moor.
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"Die Kelten in Mitteleuropa"
Spektakuläre Funde keltischer Fürstengräber konzentrierten das öffentliche Interesse lange Zeit stark auf die Kelten in Deutschland. Dieser Band erweitert den Blick auf ganz Mitteleuropa: Mit ihren Fernhandelsbeziehungen und kulturellen Verbindungen waren die Kelten die ersten "Europäer" nördlich der Alpen.
Der Autor zeigt die wechselvolle Geschichte der Kelten von Tschechien und Österreich über Süddeutschland und die Schweiz bis nach Frankreich von ihren Anfängen bis zur Unterwerfung durch die Römer und Germanen. In einer spannenden und zugleich wissenschaftlich fundierten Gesamtschau vermittelt er tiefe Einblicke in die faszinierende keltische Kultur: Prächtige Gräber, Fürstensitze und große Städte, Schriftgebrauch und Münzwirtschaft, hoch entwickelte Kunst aber auch ihre teils grausamen religiösen Riten öffnen den Blick für die kulturellen und gesellschaftlichen Eigenheiten der Kelten.
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"Wer sprach das erste Wort? Die Entstehung von Sprache und Schrift"
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