Ibn Battuta: "Die Wunder des Morgenlandes"

Reisen durch Afrika und Asien


Historie und allerlei Kuriositäten

Im 14. Jahrhundert unternahm der Maghrebiner Ibn Battuta ausgedehnte Reisen, zunächst nach Asien, dann auch durch Afrika. Das vorliegende Buch ist eine Übersetzung der gekürzten Fassung von Muhammad ibn Fath Allah al-Bailuni aus dem 17. Jahrhundert.

Ibn Battuta bricht zur Hadsch nach Mekka auf. Weissagungen und natürlich auch die Neugier des Abenteurers bringen ihn dazu, seine Reise fortzusetzen. Der orientalische Marco Polo lernt die gesamte arabische Halbinsel und das Gebiet um das Rote Meer kennen, die Städte des östlichen Mittelmeeres, Konstantinopel und die Länder am Golf.

Über die von den Mongolen zerstörten Städte Buchara und Samarkand und durch Afghanistan gelangt Ibn Battuta nach Indien, nach Delhi, wo er das Amt des Kadi übernimmt. Schließlich soll er eine Delegation des Sultans anführen, die beauftragt ist, dem Herrscher Chinas reiche Geschenke zu überbringen. Doch die Fracht geht auf dem Meer verloren, und da Ibn Battuta es nicht wagt, dem Sultan den Verlust zu gestehen, eine ihm gemachte Weissagung sich jedoch in China erfüllen wird, begibt er sich dorthin. Lange bleibt er nicht, da es zu einem blutigen Kampf um den Thron kommt.

Sein Weg führt ihn zurück nach Marokko. Aber erst, nachdem er nach Malaga und Granada gezogen und auf einer weiteren Reise tief ins Innere Afrikas vorgestoßen ist, lässt er sich in Fes nieder.

Außer dem eigentlichen Text Ibn Battutas, Vorwort und Vorbemerkung enthält das Buch Karten, die die Routen des Autors veranschaulichen, umfangreiche Erläuterungen, ein Nachwort und natürlich ein Literaturverzeichnis und ein Register.

Ibn Battuta erzählt von seinen Reisen ganz so, wie man es von einem streng gläubigen muslimischen Pilger erwartet - meistens jedenfalls. Denn gelegentlichen Genüssen, sofern nicht vom Koran ausdrücklich verboten, ist er nicht abgeneigt. Andererseits aber nimmt er engagiert an Kämpfen mit den Ungläubigen teil, wie er traditionell alle Menschen anderer Religion nennt.

Stets erwähnt der Reisende die großzügigen Geschenke und anderen Zuwendungen, die er von Herrschern und Gastgebern erhält, und einen "geizigen" afrikanischen Potentaten erpresst er geradezu, ihn zu beschenken, indem er diesem zu verstehen gibt, dass die fehlenden materiellen Aufmerksamkeiten im Reisebericht Eingang fänden. Diese vom Verfasser als ganz selbstverständlich angesehene Praxis bringt den modernen Leser natürlich zum Schmunzeln wie auch manches andere Erlebnis, das Ibn Battuta nicht nur als frommen Pilger und Forscher ausweist, sondern auch als jemanden, der seine Schäfchen raffiniert ins Trockene zu bringen weiß.

Vieles von dem, was ihm begegnet, scheint ihm selbst kurios, und es mutet erst recht dem modernen Leser höchst verwunderlich an. Noch fantastischer wird es, wenn Ibn Battuta sich auf das Zeugnis Anderer stützt. Wohl historisch korrekt berichtet er hingegen von den zahlreichen innerfamiliären und dynastisch bedingten Morden in Herrscherfamilien, insbesondere in Indien; diese werden auch anderswo ähnlich dargestellt.

Aus dem Nachwort von Ralf Elger geht hervor, dass Ibn Battuta nicht nur ein guter Erzähler war, sondern, was sich beim Vergleich mit anderen Quellen ähnlichen Inhalts zeigt, auch ein geschickter Abschreiber. Wie viel selbst Erlebtes, wie viele echte Reisekilometer hinter seinen Berichten steckt, lässt sich nicht explizit festlegen. Wie auch immer, Ibn Battuta verstand es, auch Vorlagen von außerhalb seines eigenen Kulturkreises so umzugestalten, dass sie authentisch morgenländisch wirken und in der Wahrnehmung seiner Leser sicherlich als persönliche Erlebnisse des Verfassers durchgingen. Auch heute kann man die Abenteuer des muslimischen Pilgers genussvoll lesen, denn: "Wenn es [ganz oder teilweise] nicht wahr ist, so ist es doch gut erfunden."

(Regina Károlyi; 02/2010)


Ibn Battuta: "Die Wunder des Morgenlandes. Reisen durch Afrika und Asien"
Nach der arabischen Ausgabe von Muhammad al-Bailuni 
ins Deutsche übertragen, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Ralf Elger.
C.H. Beck, Neue Orientalische Bibliothek, 2010. 256 Seiten.
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"Tausendundeine Welt. Klassische arabische Literatur vom Koran bis zu Ibn Chaldûn"

Ausgewählt und übersetzt von Johann Christoph Bürgel.
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Der Koran leitete eine Blütezeit der arabischen Literatur ein. Prophetenbiografien und mystische Traktate, Reiseberichte und historische Werke, philosophische und wissenschaftliche Abhandlungen, aber auch kunstvolle Erzählungen, Anekdoten und Handbücher für das richtige Verhalten gehören zum weiten Spektrum der klassischen arabischen Literatur. Sie zeugt von einer klugen Weltoffenheit, einer undogmatischen Spiritualität, einem kritischen Forscherdrang, von Menschenkenntnis und Erzählfreude, Fantasie und Witz. Die umsichtige Auswahl wird auch den Kenner mit manchem Glanzstück überraschen. Konzise Einführungen erleichtern das Verständnis der Texte. Die einfühlsamen Übersetzungen machen diesen literarischen Rundgang zum Lesevergnügen. (C.H. Beck, Neue Orientalische Bibliothek)
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