Bernhard Viel: "Johann Peter Hebel oder Das Glück der Vergänglichkeit"
Eine Biografie
Der Kalendermann im Schatten der deutschen Klassik
Bernhard Viel ist promovierter Literaturwissenschaftler und Träger
des im Jahr 2001 vergebenen "Berliner Preises für
Literaturkritik". Mit "Utopie der Nation" setzte er sich bereits mit
der Literatur des 19. Jahrhunderts auseinander.
Der im Mai 1760 in Basel geborene Hanspeter Hebel wuchs in dieser
städtischen Umgebung und dem komplementär-ländlichen
Wiesental auf, dem Heimatort seiner Mutter. Vater und Schwester
verstarben in Hebels erstem Lebensjahr, und die Mutter, die zum Besuch
der Lateinschule gedrängt hatte, erlag einer Erkrankung, als er
gerade 13 Jahre alt war. Das kleine Erbe ermöglichte ihm den
Besuch des Karlsruher Gymnasium’ illustre. Als sehr guter
Schüler wurde der spätere Altphilologe und Theologe in die
renommierte "societas latina" aufgenommen. Prägend ist, so der
Autor etwas wohlwollend, das reformierte Weltbild einer sinnvoll
geordneten Natur, aus deren deskriptiver Erscheinung sich die
normativen Regeln der Welt ableiten lassen. Vernunft ja, im Dienste
einer göttlich geordneten Welt. Für die Vernunft eines Immanuel
Kant
war hier jedoch kein Platz. In Erlangen kam er als Student mit dem
theologischen Rationalismus in Verbindung. 1983 wurde er als
Hilfslehrer an das Pädagogium Lörrach berufen, wo er erste
reformpädagogische Ideen entwickelte, die aber in der Residenz
ungehört verhallten. Von 1791 bis zu seinem Tod im Jahre 1826
wirkte er als Pädagoge, Theologe und Politiker in und um die
Badische Residenz Karlsruhe herum.
Wäre das alles, so gäbe es in Karlsruhe womöglich eine
Hebel-Straße, aber man hielte derzeit kaum eine aktuelle
Biografie Hebels in Händen. Doch literarisches und philologisches
Interesse, Talent zusammen mit Heimweh verleiteten ihn zur Dichtung in
der alemannischen Sprache seiner Heimat, wobei das im
Grundsätzlichen geordnete Weltbild die Themen bestimmte.
Sympathische Menschen, meist einfacher aber auch spitzbübischer
Art, durchziehen seine Geschichten und beleben die metaphorische,
allegorische, beseelte und sinndurchflutete Welt im Dienste einer
Volksbildung und intendierten Volksaufklärung, zuerst in den
alemannischen Dichtungen, später in den Kalendergeschichten.
Selbst heute kann man diese Geschichten noch lesen, in denen Hebel mit
wenigen Sätzen eine Handlung in großer Deutlichkeit
nachzeichnet. Legendär sind auch seine Schelmengeschichten von den
Zundelbrüdern Heiner und Frieder.
Das Werk ist wohl komponiert und gut zu lesen. Lektorat und Korrektorat
haben ganze Arbeit geleistet. Es gelang dem Autor, Johann Peter Hebel
zu biografieren und auch in die Zeitgeschichte einzumontieren. Hierbei
präsentiert er zwischenzeitlich Untersuchungen zu psychologischen
Gründen.
Auch ohne Kenntnisse dieses Badens, das insbesondere unter Karl
Friedrich von Baden eines der Laboratorien der modernen politischen
Ordnung darstellte, vermag man Hebel in seinem Kontext gut zu erfassen.
Ein Augenmerk legt Bernhard Viel auf die Verzahnung von Hebels Werk mit
dem literarischen Weimar. Der Autor versprach bereits im Vorwort, Hebel
in seiner Zeit ideengeschichtlich zu verorten und ihn selbst mit Schiller
und Goethe zu verbinden. Hebels Weltbild der göttlich geordneten
und mit Mitteln der Vernunft erschließbaren Natur kann man
durchaus auch bei Hegel
finden und ihm in dieser Parallelität durchaus zustimmen. Doch der
über das Formale hinausgehenden Ähnlichkeit
Hebel'scher Dichtung mit Schillers "Braut von Messina" vermag der
Rezensent nicht sehr weit zu folgen, denn zwischen dem
aufklärerischen Tenor Schillers und dem Hebels klafft eine zu
breite Lücke, über die formale Ähnlichkeiten nicht
hinwegtäuschen können. Sicherlich muss man Hebel weitgehend
metaphorisch lesen, doch die göttlich geordnete Welt bleibt stets
durch den Stoff der Handlung hindurch erkennbar. Schiller scheint es
aber eher darum zu gehen, den Akteuren eine starke situative
Eigenverantwortung zuschreiben und diese - selbst auf die Gefahr des
persönlichen Scheitern hin - lediglich den Idealen der
Menschlichkeit und der Gerechtigkeit unterzuordnen. Schillers Welt ist
nicht gut und nicht gerecht, wenn der Einzelne nicht handelt. Hebels
Welt ist, auch wenn sie in Details derangiert wirkt, geordnet und wirkt
wie ein "ruhiger
Hymnus von redlicher Arbeit, geordneter Häuslichkeit, heimatlicher
Verbundenheit und maßvollen Fortschritts."
Fazit:
Selbst wenn man dem Autor nicht bis in die letzten Ausläufer
seiner Einschätzung der protestantischen Theologen als Träger
der Aufklärung folgen mag, so liegt mit diesem Buch doch eine
grundsolide Biografie Johann Peter Hebels und seines doch so
außergewöhnlichen Opus vor, das viele Zeitgenossen und
Nachgeborene inspirierte.
Der Anhang des Buches enthält Anmerkungen, Literaturverzeichnis,
eine Zeittafel, eine Landkarte Badens und Württembergs, einen
Bildnachweis sowie ein Personenregister.
(Klaus Prinz; 04/2010)
Bernhard Viel: "Johann Peter Hebel oder
Das Glück der Vergänglichkeit. Eine Biografie"
C.H. Beck, 2010. 296 Seiten.
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Sämtliche Erzählungen aus dem "Rheinländischen Hausfreund",
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