David Foenkinos: "Unsere schönste Trennung"
Glück, das ins Rutschen
kommt
"Ich hörte ihm an jenem Abend gerne zu. Er verkaufte Rasierapparate.
Nicht zu fassen. Ihm kam das vollkommen normal vor. Die Symbolik war
ihm nie aufgefallen. Sein Vater verkaufte Krawatten, und er rasierte
die Hälse. Er verkaufte Klingen für die Körperpartie, die die Domäne
des Vaters war. Ich dachte: Hätte er einen Sohn, würde dieser Stricke
verkaufen. Ich hatte es mit einer Familie zu tun, die sich seit
Generationen um Hälse kümmerte ..."
Schon anhand dieses kurzen Textauszuges kann man die Leichtigkeit, den
Humor und zugleich die Tragik erahnen, mit der David Foenkinos seine
Geschichte zu Papier gebracht hat. Der französische Autor versteht es,
zum Lachen zu bringen, aber gleichzeitig auch zu Tränen zu rühren.
Ernsthaftigkeit und Schmerz gehen bei ihm mit Witz und Esprit Hand in
Hand. Entstanden ist ein äußerst skurriles, ideenreiches und
fantasievolles Buch. Rasierapparat und Krawatte sind nur zwei der vielen
bizarren Metaphern, die der Autor heranzieht, um den grotesk-tragischen
Alltag seines Protagonisten darzustellen. Im weiteren Verlauf gesellen
sich noch Glückszähne, Hippie-Eltern, Depressionen
und "Ikea"-Möbel hinzu: "Bei Ikea müsste ein Eheberater arbeiten.
Denn nirgendwo tritt das Wesen einer Beziehung so deutlich zutage wie
an diesem Ort. Ich frage mich sogar, ob all diese Möbel, die man
hinterher erst noch zusammenbauen muss, nur als großartiger Vorwand
dienen, um unter Liebenden Zweitracht zu säen."
Dabei begann alles so vielversprechend. Der charmante, aber alles Andere
als zielstrebige und entscheidungsfreudige Franz ("Mich
interessierten alle Arten von Robert: Musil,
Schumann,
Bresson
oder Zimmermann."), trifft auf die beharrliche und konsequente
Deutschlehrerin Alice und verliebt sich in sie. Doch irgendwie können
sie nicht zusammen, aber ohne einander auch nicht. "Wir verjubelten
unsere Glücksmomente, benahmen uns zeitweilig wie in der Pubertät,
träumten vom Ende unserer Liebe und hielten doch einander fest, waren
körperlich nicht in der Lage, der Spielwiese im Käfig unserer Liebe zu
entkommen."
Ihrer beider Leben ist ein ständiges Trennen und wieder Zusammenfinden.
"Ihre Liebe funktioniert über Wörter, sie finden und verfehlen sich
durch die Sprache und den Irrwitz der absurdesten Situationen."
Bis man beschließt, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Bei einem ihrer
unzähligen Streite äußert ein anwesender Schüler Alices: "Ihr
solltet heiraten. Ihr seid genau wie meine Eltern." Gesagt, getan.
Doch gerade in Momenten höchster Glückseligkeit erlangen substanzielle
Fragen wie: "Konnte man alles haben? Musste man nicht unweigerlich
für das, was man sich verdiente, anderswo wieder bezahlen?", eine
entscheidende Bedeutung. "Der Countdown des Unglücks lief, während
ich das Glück noch im Herzen trug."
David Foenkinos schildert in einer tragisch-komischen Mischung mit
typisch französischer Leichtigkeit aus der Sicht von Franz eine
französische Beziehung, die wohl oder übel auch in den deutschsprachigen
Raum übertragbar ist. Es ist die realistische und zugleich tragikomische
Geschichte einer Liebe, die man vielleicht schon morgen von einem guten
Freund zu hören bekommen könnte.
Literarisch hat Foenkinos jedenfalls den Nagel auf den Kopf getroffen
und dies in überaus amüsanten, aber zugleich tiefsinnigen
"Wortkombinationen" verpackt.
"Später würde ich verstehen, dass man zum Schreiben gewiss nicht von
Wörtern umgeben sein muss. Zum Schreiben
muss man Wörtern entrinnen", äußert der Ich-Erzähler. Der
französische Autor hat diese Strategie in bislang sieben Romanen
erfolgreich angewandt. Das "Entrinnen der Wörter" gelingt ihm jedenfalls
außerordentlich gut. Für "Das
erotische
Potential meiner Frau", das 2005 erschien, bekam er den "Prix
Roger Nimier". Seine Werke erscheinen in mehr als fünfzehn Ländern und
wurden für alle wichtigen französischen Literaturpreise nominiert.
Christian Kolb hat Foenkinos' wunderbar lakonischen Tonfall kongenial
ins Deutsche übertragen.
Fazit:
"Es kommt nicht selten vor, dass man erst an dem scheitert, was einem
am Ende gelingen wird, und oft verdankt man das Gelingen dem
anfänglichen Scheitern." Alice und Fritz, das Paar in David
Foenkinos' Roman, scheitert oft. Wie der Autor dies bitter-komisch und
zugleich romantisch-melancholisch, mit leichter Hand, ja scheinbar
unbeschwert, aber keineswegs ohne Substanz, in Szene setzt, ist einfach
lesenswert. Ein Buch in allerbester Tradition französischer Liebesfilme,
immer etwas überspannt, aber trotzdem gut.
(Heike Geilen; 05/2010)
David
Foenkinos: "Unsere schönste Trennung"
(Originaltitel "Nos Séparations")
Aus dem
Französischen von Christian Kolb.
C.H. Beck, 2010. 207 Seiten.
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