Andrea Camilleri: "Die Farbe der Sonne"

Ein Caravaggio-Roman


Am 18. Juli 1610 ist der geniale Meister des italienischen Frühbarock Caravaggio gestorben. Zu diesem Anlass liegen nicht nur viele prächtige Bildbände praktisch von allen renommierten Kunstverlagen vor, sondern der deutschsprachige Leser bekommt auch einen belletristischen Leckerbissen von Andrea Camilleri präsentiert.

Und so, wie der gewitzte Kriminalist aus Porto Empedocle in seinen "Montalbano"-Romanen seine Figuren gern auf anderen, wenig ausgetretenen Spuren suchen und wandeln lässt, so hat er sich auch hier dem Revolutionär der Kunst auf eine sehr ungewöhnliche Weise genähert.

Michelangelo Merisi, später wurde er nach seinem Geburtsort östlich von Mailand Caravaggio genannt, war ein für seinen Jähzorn und seine ausufernde Gewalt bekannter Maler, dessen abenteuerliches Leben im Alter von gerade einmal 38 Jahren früh zu Ende ging. Seine letzten Lebensjahre lagen bisher weitgehend im Dunklen, geradezu ein "Fressen" für Camilleri, der sich dieser Zeit auf verschlungenen Wegen auch auf Sizilien nähert.

Der Schriftsteller selbst wird eines Tages bei einem Besuch auf seiner Heimatinsel quasi gezwungen, sich dem streitlustigen Genie des Frühbarock zu widmen. Mit verbundenen Augen wird er im Auto von einem Unbekannten auf ein einsames Landgut gebracht, wo dieser ihn mit Originalmanuskripten Caravaggios aus dessen letzten Lebensjahren konfrontiert.
Wegen eines Mordes hatte Caravaggio aus Rom fliehen müssen, wanderte auf Malta in den Kerker und tauchte dann nach einer gelungenen Flucht irgendwann auf Sizilien auf.

Anhand dieser Dokumente kann Camilleri aufklären, was es mit der "schwarzen Sonne" auf sich hat, die der langsam im Wahnsinn versinkende Maler sieht, dessen kranke Augen das Tageslicht nicht ertragen. Aus dem romanhaften Tagebuch des Malers, der in seinen letzten Jahren seine besten Bilder malte, von denen Camilleri zur Veranschaulichung einige im Buch abbilden ließ, zitiert er eine Stelle, die erklären soll, was es mit den dunklen Bildern der letzten Schaffensperiode Caravaggios auf sich hat:
"habe angefangen, an der 'Enthauptung Johannes des Täufers' zu arbeiten, und das schwarze Licht der schwarzen Sonne verließ mich nimmer. Für mich gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Tag und Nacht."

Das Buch ist intelligent konstruiert und spannend geschrieben und kann den Krimiautor in Camilleri nicht verleugnen. Aber in kunsthistorischer Hinsicht ist die kleine Auftragsarbeit bedeutsam.

(Winfried Stanzick; 03/2010)


Andrea Camilleri: "Die Farbe der Sonne. Ein Caravaggio-Roman"
(Originaltitel "Il colore del sole")
Deutsch von Moshe Kahn.
Gebundene Ausgabe:
Kindler, 2010. 120 Seiten.
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Hörbuch:
Jumbo Neue Medien, 2010.
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Andrea Camilleri: "Fliegenspiel. Sizilianische Geschichten"

Der Dorfpolizist soll eine Prostituierte in Gewahrsam nehmen und nimmt sie statt dessen zur Frau. Man erfährt, wie man mit Fliegenfang den Jackpot gewinnt. Oder wie ein hungriger Priester das Gesetz umgeht. Spiele und Tischsitten werden erklärt: Die Kinder lösen aus gekochten Eiern das Eigelb und zielen damit auf den geöffneten Mund des Vaters. Wer trifft, bekommt einen Kuss.
Von Puppenspielen und Kinobesuchen ist die Rede, von anarchistischen Hutmachern, streikenden Hafenarbeitern, fleißigen Fischern und strengen Müttern. Und von Onkel Emanuel, der in einem gewaltigen Gewitter sein Boot verliert und in ein nicht endendes Gelächter ausbricht. Lauter Menschen, die sich anders benehmen, als es vom Staat und seinen Erziehern vorgesehen ist.
Leonardo Sciascia und Luigi Pirandello treten auf und bestätigen Camilleris Weltsicht: Auf Sizilien ist alles anders. (Verlag Klaus Wagenbach)
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Andrea Camilleri: "Der Hirtenjunge"
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Klaus Krüger: "Caravaggio"
Bereits zu Lebzeiten zog Michelangelo Merisi (1571-1610), nach seinem Heimatort Caravaggio genannt, eine reiche Mythenbildung auf sich. Nicht allein durch seine Kunst mit ihrem scheinbar ungeheuerlichen Naturalismus und ihrer Bilddramatik, die der europäischen Malerei radikale Neuerungen von unübersehbarer Wirkung bescherte, machte er von sich reden. Bald haftete dem Maler der Ruf eines Bohemiens und Außenseiters der Gesellschaft an, der sich augenscheinlich gut mit dem neuartigen Eindruck seiner Werke verbinden ließ. Erst in jüngerer Zeit löst man sich von dieser einfachen Gleichung zwischen Leben und Werk. Der Wandel zu einer differenzierteren Auffassung von der Kunst Caravaggios verdankt sich nicht nur einer präziseren Kenntnis der historischen Fakten, sondern auch einer veränderten Interessenlage der Forschung.
Klaus Krüger greift die aktuellen Fragestellungen auf und entwirft ein neues Bild von Caravaggios Kunst. Sein Buch bietet einen umfassenden Überblick über das gesamte OEuvre des Malers und eröffnet neue Einblicke in die künstlerische Situation  in Rom um 1600 und in die Genese des Barock. (Böhlau)
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Wolfgang Prohaska: "Caravaggio"
Person und Werk Caravaggios (1571-1610) haben die Zeitgenossen gleichermaßen polarisiert. Manchen galt er als Zerstörer der Malerei, und immer häufiger kam er mit dem Recht in Konflikt. Doch seine künstlerische Karriere war steil und brachte ihn zu gesellschaftlichem Ansehen und Vermögen. Seine malerisch wie psychologisch intensiven Gemälde fanden rasch Nachahmer und revolutionierten die europäische Kunst. Wolfgang Prohaska führt den Leser in das Leben Caravaggios ein und stellt die wichtigsten seiner Werke vor. (C.H. Beck)
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Sybille Ebert-Schifferer: "Caravaggio. Sehen - Staunen - Glauben. Der Maler und sein Werk"
Um 1600 erregte der junge Caravaggio in Rom durch seine neuartigen Bilder großes Aufsehen. Sie stachen hervor durch ihre unerhörte psychologische Authentizität, ihre kühne Naturnähe und ihre geistreichen Einfälle. Seine Kunst trug Caravaggio Wohlstand und sozialen Aufstieg ein, sein Lebenswandel brachte ihn immer häufiger mit dem Recht in Konflikt. Sybille Ebert-Schifferer zeichnet in ihrem großzügig illustrierten Band ein bewegtes, vielseitiges Bild von Leben und Werk des Künstlers. Dabei stellt sie zahlreiche Klischees in Frage, welche das Urteil über Caravaggio von Anfang an geprägt haben. Indem sie ihn in den Kontext seiner Zeit stellt, macht sie einen anderen Caravaggio sichtbar, der sich als nicht weniger schillernd und fesselnd erweist. Anders als immer wieder behauptet, mangelte es dem Maler weder an Bildung noch an Frömmigkeit, und er war technisch höchst versiert. Er entwickelte eine erfolgreiche Marktstrategie, erlangte großes Ansehen bei seinen hochstehenden Auftraggebern, und selbst seine juristischen Vergehen folgten den Verhaltensnormen einer adeligen Schicht, an der er sich orientierte. Alle originalen Gemälde Caravaggios sind in diesem Band abgebildet. In ihnen durchdringen sich Profanes und Heiliges auf unnachahmliche Weise. Im Geiste ihrer Zeit sollten sie die Affekte ansprechen, beim Kenner Staunen erregen und die Menschen zum Glauben führen. Das Geheimnis der ungeminderten Wirkung von Caravaggios Kunst erschließt dieses Standardwerk. (C.H. Beck)
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Valeska von Rosen: "Caravaggio und die Grenzen des Darstellbaren. Ambiguität, Ironie und Performativität in der Malerei um 1600"
Caravaggios Gemälde verfügen über ein hohes Maß an Irritierendem, Uneindeutigem und Provokantem. Sie weichen von den tradierten visuellen Mustern ab, unterlaufen Darstellungskonventionen und verschieben durch die Erweiterung des Gattungsspektrums die Grenzen des Bildwürdigen. Wie lassen sich die offenkundig kalkulierten Verstöße gegen die Prinzipien der Angemessenheit und der Evidenz der Darstellung erklären in einer Zeit, in der in zuvor nicht gekannter Weise die religiöse Bildsprache normiert und auf die Ideale der katholischen Reform ausgerichtet werden sollte? Dieser Frage geht die vorliegende Studie nach und entwirft ein Modell der Beschreibbarkeit für die Veränderungen in der Malerei um 1600. Dabei wird Caravaggio nicht als der Solitär betrachtet, zu dem ihn die kunsthistorische Forschung lange Zeit gemacht hat. Seine Werke werden vielmehr eingebettet in die bislang nur begrenzt empirisch erschlossene und theoretisch nicht gewürdigte Bildproduktion der sogenannten "Caravaggisten". Die Autorin zeigt in prägnanten Bildanalysen, wie Caravaggio und die Maler in seinem Umkreis innerbildlich in zugespitzter und oft ironischer Weise die Frage nach der Art und Weise der Darstellbarkeit bestimmter Themen aufwerfen. Sie greifen in die Verhandlungen des Bildwürdigen ein, indem sie das Darstellbare selbst zum Thema machen. So indiziert gerade die "Unordnung" oder "Verrückung" der Semantik einen Wandel des Darstellungssystems und das Entstehen einer neuen künstlerischen Sprache für die alten wie für die neuen Bildaufgaben. (Akademie Verlag)
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Boris von Brauchitsch: "Caravaggio. Leben Werk Wirkung"
"Gute Künstler sind vor allem jene, die - neben der Beherrschung ihrer Kunst - zudem in der Lage sind, jene Künstler als gut zu erkennen, die ich selbst für gut halte."
Michelangelo Cerisi, genannt Caravaggio, war der berühmteste Maler seiner Zeit, temperamentvoll und leidenschaftlich. Sein rasanter Aufstieg zur Legende ging einher mit einem abenteuerlichen Lebenslauf. Der Einfluss seines Werks ist heute nicht nur in den Kirchen Roms und den großen Museen der Welt zu bewundern, sondern etwa auch in Romanen, Filmen und natürlich der modernen Kunst. (Suhrkamp)
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Tilman Röhrig: "Caravaggios Geheimnis"
Historischer Roman.
Der steinige Weg zum berauschenden Ruhm, das unlösbare Band einer besonderen Liebe, die wahnsinnige Tat grausamer Verzweiflung und die spektakuläre Flucht über das Mittelmeer: In intensiven Farben schildert Tilman Röhrig das faszinierende Leben eines der größten europäischen Maler.
Im Schatten des imposanten Petersdoms sinnt Michelangelo Merisi, genannt Caravaggio, auf Rache. Es ist das Jahr 1593, und der junge Maler will nach harten Lehrjahren in Mailand nun endlich in Rom, der Stadt der Meister und Mäzene, sein Talent unter Beweis stellen. Aber immer wieder erntet das verkannte Genie nur Spott - bis Caravaggio die Kunstwelt Italiens in Erstaunen versetzt. Er provoziert mit seinen Kompositionen von Licht und Schatten und schafft sich dadurch Neider und Feinde. Um seinem Ruhm ein Ende zu bereiten, sind diese zu allem bereit. In die Enge getrieben, begeht Caravaggio eine furchtbare Tat. Allein seine große Liebe Paola kann ihn jetzt noch retten. Wäre da nicht sein künstlerischer, manchmal fast sogar zerstörerischer Freiheitsdrang. (Pendo)
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Volker Reinhardt, Michael Sommer: "Sizilien. Eine Geschichte von den Anfängen bis heute"
Sizilien, im Zentrum des Mittelmeeres und im Brennpunkt der Kulturen gelegen, hat eine einzigartige Geschichte. Kulturell entstand hier eine unvergleichliche Mischkultur. Historisch aber ist es als eine ununterbrochene Kette der Fremdherrschaft zu beschreiben. Phöniker, Griechen, Römer, dann Byzantiner, Araber und Normannen beherrschten die Insel. Die Staufer hinterließen ihre Spuren wie dann die Spanier. Sie alle prägten die Insel, ihre Kunst und Kultur. Es gibt mächtige Tempel Groß-Griechenlands, Kirchen im byzantinisch-normannischen Mischstil, deren Kuppeln auf arabischen Einfluss hinweisen, einzigartige Barockarchitektur. Die Insel lockt bis heute mit ihrem kulturellen Reichtum und ihrer Exotik. Geschliffen formuliert führen die beiden renommierten Autoren durch die Geschichte der Insel, von der Prähistorie bis zur heutigen Situation Siziliens als vom Tourismus geliebter, von der Mafia geplagter Insel. Für den historisch Interessierten ein Erkenntnisgewinn, für den Reisenden ein Muss. (Primus Verlag)
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Thomas Dittelbach: "Geschichte Siziliens. Von der Antike bis heute"
Sizilien ist seit jeher Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen. Griechen und Römer, Araber und Normannen, Spanier und Italiener haben der Insel ihren Stempel aufgedrückt. Bei alledem haben sich die Sizilianer ihre Eigenart bewahrt, wie bis heute nicht nur an der Mafia, sondern vor allem auch an Literatur und Kunst erkennbar ist. Thomas Dittelbach erzählt anhand einzelner Geschichten von Herrschern, Künstlern und Abenteurern anschaulich die Geschichte Siziliens von der Antike bis heute. Sein besonderes Augenmerk gilt dabei Politik und Kultur der Insel. (C.H. Beck)
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Rosa Mitchell: "Mamma Rosas sizilianisches Kochbuch"
Die besten Rezepte von der italienischen Sonneninsel: Sizilianer lieben nicht nur das Essen, sondern auch das Plaudern in der Küche, während la mamma kocht. Auch Mamma Rosa erzählt gern: von ihrer Kindheit in Catania auf Sizilien, von den Besuchen mit dem Esel Mariano bei nonna e nonno in den unwirtlichen Bergen Messinas. Schon früh lernte Rosa: Kochen ist Ausdruck des Familienzusammenhalts. Man tauscht sich aus, streitet über den richtigen Zeitpunkt des Salzens von Gemüse oder über Politik. 1960, Rosa ist fünf, wandert die ganze Familie nach Australien aus. Und auch dort stehen das gemeinsame Einkochen von Sugo oder die Familientreffen, um Salami nach dem behüteten Familienrezept herzustellen, im Mittelpunkt. Mamma Rosa verrät echte sizilianische Rezepte, von Antipasti über Suppen, Pasta, Fleisch- und Fischgerichten bis zum Dessert. Verführerisch einfach kocht sie Klassiker wie schiaciatta (Brokkoli in Brotteig), vitello al marsala (Kalbfleisch in Marsala) oder cotoletta (paniertes Hähnchen) und erzählt von ihrer Kindheit, sizilianischer Lebensfreude und der Großfamilie. (Collection Rolf Heyne)
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