Heike B. Görtemaker: "Eva Braun"
Leben mit Hitler
Die Geliebte des Führers:
mehr als nur eine Fußnote in Hitlers Biografie
In den Hitler-Biografien wird Eva Braun, der Geliebten und - unmittelbar
vor dem gemeinsamen Selbstmord - Ehefrau des Diktators kaum Beachtung
geschenkt. Schließlich sagte Hitler selbst sinngemäß, er sei mit
Deutschland verheiratet, weshalb es in seinem Leben keinen Raum gäbe für
eine Frau.
Heike B. Görtemaker spürt in ihrer Eva Braun-Biografie der Frau nach,
die Hitler liebte, und beweist, dass diese sehr wohl mehr war als das "Tschapperl",
wie er sie nannte, als eine schlichte Randfigur, eine Fußnote in Hitlers
Leben.
1929 lernte Hitler Eva Braun im Geschäft seines "Haus- und
Hoffotografen" Heinrich Hoffmann kennen, wo sie eine Ausbildung machte.
Zu seiner Geliebten wurde sie wohl 1932, wie es die im Buch aufgeführten
Indizien nahe legen. Ihre Rolle spielte sie stets im Hintergrund, und
als sie auf dem Berchtesgadener "Berghof", Hitlers privater Residenz,
eine feste Größe wurde, regelte der "Führer" offensichtlich sehr genau,
mit wem unter seinen Paladinen und Lakaien sowie deren Frauen sie
engeren Umgang pflegte beziehungsweise, wen sie zu meiden hatte.
Neben den Untersuchungen zu Eva Brauns Rolle innerhalb des inneren
Kreises um Hitler, ihren wenigen Auftritten in der Öffentlichkeit (und
dann unscheinbar mindestens in der zweiten Reihe) und natürlich dem
dramatischen Ende im Führerbunker spürt die Autorin auch der Familie von
Eva Braun nach: Wie positionierte sich diese, als Eva, das Mädchen aus
Hoffmanns Fotolabor, Geliebte zunächst des NSDAP-Chefs und dann, mit
dessen Aufstieg, des Kanzlers, des "Führers" wurde? Weitere Themen sind
unter Anderem das Frauenbild des Nationalsozialismus, dem Eva Braun
ebenso wenig entsprach wie die Ehefrauen
der
NS-Persönlichkeiten, die Reaktionen prominenter Zeitgenossen auf
die Mätresse des Führers und, soweit sich dies rekonstruieren lässt, die
Entwicklung ihres Einflusses auf Hitler, zum Teil infolge ihrer recht
geschickt inszenierten Selbstmordversuche.
Nicht zuletzt der letztgenannte Aspekt fesselt den Leser: Es zeichnet
sich ab, dass Eva Braun auf ihre Weise durchaus Macht über Hitler hatte,
der sich selbst zu manch kritischem Zeitpunkt in Berlin rar machte, um
bei seiner Geliebten in München oder auf dem Berghof sein zu können.
Da die Vernichtung unmittelbarer Quellen nach Brauns Tod recht effektiv
erfolgte und die nach dem Krieg gemachten Aussagen von Familie und
Nazi-Größen wie Albert Speer selbstverständlich mit Skepsis betrachtet
werden müssen, lassen sich die Natur und das Ausmaß ihres Einflusses
nicht klar rekonstruieren, wie auch sonst viele Aspekte ihres Lebens in
dieser Biografie zwangsläufig ein wenig "unscharf" bleiben. Dennoch hat
die Autorin eine bemerkenswerte Rechercheleistung vollbracht und
präsentiert die Fakten einschließlich einer schlüssigen und behutsamen
Interpretation logisch geordnet und in einem sehr angenehm lesbaren,
klaren Stil. Einige der wenigen erhaltenen Fotos, die Eva Braun zeigen,
ergänzen die Ausführungen.
Streng genommen findet man in diesem Buch wesentlich umfangreichere
Ausführungen zum direkten persönlichen Umfeld Hitlers und zu
Schlüsselfiguren wie Albert Speer und Martin Bormann als zu Eva Braun,
die aus den erwähnten Gründen in "ihrer eigenen" Biografie nicht massiv
in Erscheinung tritt, doch diese Porträts und Szenen lassen Rückschlüsse
auf die im Halbschatten verbliebene Figur der Braun zu, die dem Leser
schließlich doch zu einem halbwegs konkreten Bild dieser erstaunlichen -
das Adjektiv sei wertungsfrei gebraucht - Frau führt.
"Dabei entsteht zugleich ein verstörend anderer Blick auf Hitler",
heißt es auf der Buchrückseite. Das ist richtig, kommt doch eine fast
anrührend menschliche Seite des Dämons zum Vorschein, die
Hitler-Biografen außen vor lassen, wenn sie die Geliebte des "Führers"
nicht berücksichtigen.
So legt Heike B. Görtemaker mit ihrer Eva Baun-Biografie ein sehr
spannendes und informatives Buch vor, das das Thema Nationalsozialismus
aus einem ungewohnten Blickwinkel beleuchtet.
(Regina Károlyi; 03/2010)
Heike
B.
Görtemaker: "Eva Braun. Leben mit Hitler"
Gebundene Ausgabe:
C.H. Beck, 2010. 366 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
dtv, 2011.
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Weitere Buchtipps:
Ludolf Herbst: "Hitlers Charisma. Die Erfindung eines deutschen
Messias"
Hitlers Charisma - ein Produkt der NS-Propaganda.
Alle Charakterisierungen der NS-Diktatur als charismatische Herrschaft
führen in die Irre. Sie beruhen nicht nur auf unsachgemäßen Anwendungen
der Herrschaftssoziologie von Max
Weber; sondern vor allem auf Unterschätzung der manipulativen
Möglichkeiten moderner Propaganda, die die NSDAP seit 1930 wie keine
anderen Partei beherrscht hat. Der Autor nimmt die Charisma-These
sachkundig auseinander und zeigt, wie Adolf Hitler zunächst im
rechtsradikalen Milieu zum Messias stilisiert und schließlich zum
Mittelpunkt öffentlicher Verehrung gemacht wurde. (S. Fischer)
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Stefan Krings: "Hitlers Pressechef. Otto Dietrich (1897-1952). Eine
Biografie"
Mit einem Vorwort von Lutz Hachmeister.
Ein Blick auf die zentrale Figur des NS-Propagandaapparates im Schatten
von Goebbels. Otto Dietrich gehörte als Reichspressechef der NSDAP fast
vierzehn Jahre lang zu den engsten Begleitern Adolf Hitlers. Zwischen
1938 und 1945 hatte er zugleich die Funktion des Pressechefs der
Reichsregierung in Goebbels' Reichsministerium für Volksaufklärung und
Propaganda. Um so erstaunlicher ist, dass seiner Person bislang wenig
wissenschaftliche Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Stefan Krings konnte für seine biografisch angelegte Studie erstmals
auch den persönlichen Nachlass von Otto Dietrich auswerten. Er zeigt,
dass sich der eher farblose Pressesprecher durch ehrgeiziges
Machtstreben und geschickte Personalpolitik eine starke Position auf dem
Pressesektor geschaffen hatte und hier sogar einige Zeit mächtiger war
als der zynisch-diabolische Rhetoriker Goebbels. Die jahrzehntelange
Fixierung der kommunikationshistorischen Forschung auf die Person Joseph
Goebbels wird damit in Frage gestellt. (Wallstein)
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Peter Gathmann, Martina Paul: "Narziss Goebbels. Eine
psychohistorische Biografie"
Joseph Goebbels, klein, zart, behindert, von der Mutter zum Liebling
erkoren, in der Schule verspottet, auf der Universität vom bürgerlichen
Parkett verwiesen, als Schriftsteller von Verlegern abgelehnt,
zeitlebens gekränkt und um Anerkennung buhlend, erfährt sein
vermeintliches Lebensglück 1925 durch die erstmalige Begegnung mit Adolf
Hitler. Abgefallen vom katholischen Glauben, findet er in ihm seinen
Heilsverkünder, dem er bis in den Tod dienen wird. Das durch seine
körperliche Behinderung massiv ausgeprägte Gefühl der Minderwertigkeit
vertieft sich in den Erlebnissen des Kriegsuntauglichen, des
Beziehungsunfähigen und des schriftstellerisch Herabgesetzten. Als
Ausgleich setzt eine rastlose, ich-süchtige Jagd nach Erfolgen ein.
Werden diese biografischen den historischen Daten gegenüberstellt und
mit den Mitteln der Tiefenpsychologie untersucht, drängt sich ein
Verständnisansatz zur Entstehung rechtsradikaler Persönlichkeiten
geradezu auf. Dieses Buch begleitet den Leser von Goebbels' Anfängen bis
zum Abschlusspsychogramm einer narzisstisch gestörten Persönlichkeit.
(Böhlau)
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Ralf Georg Reuth (Hrsg.):
"Tagebücher 1924-1945"
Die Tagebuchaufzeichnungen des Joseph Goebbels zählen zu den wichtigsten
Quellen der Geschichte des Dritten Reiches. Durch die ausführlichen
Erklärungen des Herausgebers Ralf Georg Reuth und durch ein
Namensregister erschließen sich die ausgewählten Texte. (Piper)
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Jörg von Bilavsky: "Joseph Goebbels"
Joseph Goebbels war der oberste Propagandist des Nazi-Regimes. Aber wie
schaffte er es, Menschen von einer Ideologie zu überzeugen, die er
selbst nie hundertprozentig lebte? Jörg von Bilavsky zeigt anschaulich,
mit welch skrupellosen Methoden Goebbels seinen Machtapparat aufbaute
und lenkte. (rororo)
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William
Hastings Burke: "Hermanns Bruder. Wer war Albert Göring?"
Der Nazi und der
Judenretter
Unterschiedlicher könnten zwei Brüder nicht sein: Hermann Göring,
geboren 1893, ist rebellisch, hasst die Schule, findet seine Bestimmung
im Soldatentum.
Albert, geboren 1895, ist wohlerzogen und musisch veranlagt. Während
Hermann sich der Hitler-Bewegung anschließt und zu einem der größten Nazi-Verbrecher
wird, geht Albert ins Ausland, unterstützt die tschechische
Widerstandsbewegung, verhilft Verfolgten zur Flucht.
Die Liste der 34 Personen, die er gerettet haben soll, führt Jahrzehnte
später den jungen Australier William Hastings Burke quer durch
Deutschland, Europa und die USA. Er interviewt Zeitzeugen und
Hinterbliebene und sucht zugleich nach dem, was die Deutschen heute
ausmacht.
William Hastings Burke wurde 1983 geboren und wuchs in Syndey auf. Er
lebte in den USA, Deutschland, Norwegen und Großbritannien und
absolvierte ein Volkswirtschaftsstudium an der Universität von Sydney.
Derzeit lebt er in London. (Aufbau-Verlag)
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Katrin Himmler, Michael Wildt: "Himmler privat. Briefe eines
Massenmörders"
"Mir geht es bei sehr vieler Arbeit sehr gut."
Heinrich Himmler 1941 an seine Frau Marga, vier Wochen nach dem
deutschen Überfall auf die Sowjetunion
Als Heinrich Himmler und Marga Siegroth sich 1927 kennenlernen, ist die
Zuneigung gegenseitig. Das Paar ist sich einig in seinem Antisemitismus
("das Judenpack") wie in seinem Traum vom Landleben. Himmler, als
Funktionär der NSDAP häufig "mit dem Chef" Hitler auf Reisen,
rät seinem "Liebchen" aus der Ferne, den "Holunder
als Mus einzumachen"; Marga berichtet ihrem Mann stolz, dass ihr
Haus "Treffpunkt aller Nationalsozialisten" sei. Während Himmler
nach 1933 zum mächtigsten Mann hinter Hitler aufsteigt und als
Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei die "Endlösung der
Judenfrage" organisiert, schickt er seiner "kleinen Frau",
die für das Rote Kreuz durch das besetzte Polen reist ("der
unbeschreibliche Dreck") "liebe Gedanken zum Muttertag",
brüstet sich mit der vielen "Arbeit" und legt Fotos von seinen
Reisen zu den SS-Einsatzgruppen und Waffen-SS-Einheiten bei. Die
Harmlosigkeit der Briefe ist nur scheinbar, hinter der kleinbürgerlichen
Fassade werden die Gewalt und der Mangel an Empathie
sichtbar, die auch das Privatleben der Himmlers prägten.
Katrin Himmler, geboren 1967 in Dinslaken, ist Politikwissenschaftlerin
und lebt als Autorin in Berlin. 2005 veröffentlichte sie "Die Brüder
Himmler. Eine deutsche Familiengeschichte". Heinrich Himmler war ihr
Großonkel.
Michael Wildt, geboren 1954 in Essen, ist Inhaber des Lehrstuhls für
"Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert" an der Humboldt-Universität zu
Berlin. Seine Studie "Gener (Piper)
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Otto F. Kernberg:
"Narzissmus, Aggression und Selbstzerstörung. Fortschritte in der
Diagnose und Behandlung schwerer Persönlichkeitsstörungen"
Dieses Buch vermittelt neue Erkenntnisse über den Ursprung schwerer Persönlichkeitsstörungen,
ihre Klassifikation, Differentialdiagnose und Behandlung. Spezifische
Komplikationen wie Suizidalität und Essstörungen werden untersucht und
neue Erkenntnisse über ihre Behandlung vorgestellt. Der Autor gibt
Einblicke in die Methodik, Indikation, aber auch in die Grenzen der
übertragungsfokussierten Psychotherapie für diese Patienten. Er
beschreibt die neuesten Entwicklungen der Behandlungstechnik im Licht
der Forschungen des Instituts für Persönlichkeitsstörungen der "Cornell
University Medical School". Dem praktisch tätigen Therapeuten wie
auch dem eher wissenschaftlich interessierten Leser macht dieses Buch
Mut, sich mit den schwierigen Fällen, die in der Psychiatrie, Forensik
und der Jugendhilfe sowie im klinischen Alltag auftreten,
auseinanderzusetzen. (Klett-Cotta)
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Heinz Kohut: "Narzissmus.
Eine Theorie der psychoanalytischen Behandlung narzißtischer
Persönlichkeitsstörungen"
In der vorliegenden Arbeit über Narzissmus entwirft Kohut eine Theorie
der psychoanalytischen Behandlung narzisstischer
Persönlichkeitsstörungen. Er widerlegt damit die Ansicht, dass
Patienten, die unter Störungen dieser Art leiden, der psychoanalytischen
Behandlungstechnik schwer zugänglich seien, weil deren wichtigstes
Instrument, nämlich die Übertragung, das heißt die Aktualisierung früher
Objekterfahrungen in gegenwärtigen Beziehungen, besonders zum
Analytiker, ja nicht funktionieren könne. Nachdem er in langjährigen
Untersuchungen zu einer größeren begrifflichen Klarheit des oft noch
sehr spekulativen Konzepts des Narzissmus beigetragen hat, zeigt er nun
anhand ausführlicher und anschaulicher Falldarstellungen, wie diese als
schwer behandelbar geltenden Patienten einer psychoanalytischen Therapie
doch zugänglich sein können. Dabei kommt er auch zu vielen
scharfsinnigen Aussagen über den psychoanalytischen Prozess im
Allgemeinen. (Suhrkamp)
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Antje Vollmer: "Doppelleben. Heinrich und Gottliebe von Lehndorff im
Widerstand gegen Hitler und von Ribbentrop"
Die bewegende Doppelbiografie über ein charismatisches Paar, das den
Widerstand gegen Hitler wagte.
Heinrich Graf Lehndorff gehört zu den herausragenden Persönlichkeiten
des deutschen Widerstands gegen Adolf Hitler. Sein Name ist heute nur
noch Wenigen bekannt. Das ist umso erstaunlicher, als er zu den engsten
Mitwissern des Kreises um Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Henning
von Tresckow gehörte. Die "Wolfsschanze", das Führerhauptquartier, lag
in unmittelbarer Nähe der Güter Heinrich von Lehndorffs. In seinem
Familienwohnsitz, Schloss Steinort, war seit 1941 ein ganzer Flügel für
den Außenminister des NS-Reiches, Joachim von Ribbentrop, beschlagnahmt.
Regelmäßige Essen zwischen von Ribbentrop und dem Schlossherrn und
seinen Familienangehörigen sind mit Fotos dokumentiert. Auch die
Verschwörer aus dem militärischen und zivilen Widerstand waren
wiederholt zu Gast - ein perfektes Doppelleben, das über drei Jahre
hinweg aufrechterhalten wurde.
In ihrer Doppelbiografie geht Antje Vollmer der faszinierenden Frage
nach, was Heinrich und Gottliebe von Lehndorff bewogen hat, das Risiko
dieses Doppelspiels einzugehen. Denn über die Konsequenzen ihres
Engagements waren sich die Lehndorffs jederzeit im Klaren. Anhand von
Originaldokumenten, Briefen und Zeitzeugen rekonstruiert Antje Vollmer
auch die dramatischen Stunden rund
um den 20. Juli: Lehndorffs Verhaftung und zweimalige Flucht, die
Konsequenzen für seine hochschwangere Frau, die Geburt der Tochter im
Gefängnis, die Folterverhöre, die Hinrichtung von Lehndorffs am 4.
September in Berlin-Plötzensee. Zum ersten Mal umfassend abgedruckt: der
bewegende Abschiedsbrief von Heinrich Graf Lehndorff an Frau und Kinder.
(Eichborn)
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Dieter Kühn: "Ich war
Hitlers Schutzengel. Fiktionen"
Hatte Hitler einen Schutzengel? Ausgerechnet Hitler? Ein faszinierendes
Gedankenspiel gegen alle historische Überlieferung.
Vier Mal erzählt Dieter Kühn von Hitlers Ende - fiktive Versionen,
parallelgeschaltet zur historischen Realität. In der ersten dieser
miteinander vernetzten Fiktionen gelingt das Attentat, das Georg Elser
1939 im Münchner Bürgerbräukeller mit technischer Perfektion verübte:
Hitler und Mitglieder der NS-Führung werden bei der Sprengung unter
Schutt begraben; Hermann Göring, ohnehin zweiter Mann des Dritten
Reichs, wird Reichskanzler. Wie sieht es im Deutschland aus, das er
regiert? Fiktion im Spielraum des Wahrscheinlichen ...
Die zweite Geschichte als Monolog von Hitlers Schutzengel, der mehrfach
die gut vorbereiteten Attentate auf auf seinen Schützling im letzten
Moment scheitern lässt. Angelos verkörpert körperlos eine der
Standardfiktionen des Führerkults: Hitler werde unterstützt vom
"Allmächtigen", werde geleitet und begleitet von der "Vorsehung".
Angelos der Schutzengel sieht sich in Konkurrenz zum Schutzauftrag der
SS-Leibstandarte und versucht sich innerlich von dieser Truppe zu
distanzieren. Doch hat die ständige Nähe zu Hitler nicht auch
Rückwirkungen?
In einer weiteren Fiktion schließlich gelingt 1943 die Sprengung der
"Führermaschine" beim Rückflug von der "Ostfront". Himmler reißt die
Macht an sich, wird jedoch von der Wehrmacht gestürzt; unter britischem
Mandat wird Erwin Rommel zum weithin akzeptierten Reichspräsidenten und
führt Deutschland tief in die Restauration.
Der russische Jubelruf "Gitler kaput!" wird im letzten Text
aufgegriffen: Wie geht man angemessen mit der NS-Hinterlassenschaft um,
mit Hitlerstatuen etwa, die aus einem See geborgen werden? Geschichten
gegen den Strich der Geschichte. (S. Fischer)
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