Werner Dahlheim: "Augustus"
Aufrührer - Herrscher - Heiland
Eine Biografie
Augustus oder Es hätte
schlimmer kommen können
Der Autor Werner Dahlheim ist emeritierter Professor für Alte Geschichte
an der Technischen Universität Berlin und ein ausgemachter Kenner der
römischen Geschichte. Seine kritische Caesar Biografie aus dem Jahre
2005 bereicherte die aktuelle römische Geschichtsschreibung.
Ein interessantes Licht auf die Kunst eines Historiografen wirft dieser
Satz des Vorworts: "Wie widersteht man der Versuchung, zu früh den
Aufstieg derer aufzudecken, deren künftige Größe bekannt ist, oder
allzu eilig den Niedergang derer kundzutun, von denen man doch weiß,
dass sie zu den Verlierern zählten?" Das kennzeichnet treffend das
Dilemma des Vor-Urteilens aus der Sicht des Nachgeborenen, dem Leser und
Autoren gleichermaßen ausgesetzt sind. Es fällt uns jedenfalls heute
teils schon schwer, die 60er- oder 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts
vorurteilsarm zu betrachten, um wie viel schwieriger muss es sein, in
die Welt der römischen Antike einzutauchen, die Zeit des römischen
Imperiums? Imperator ist ein typisch römischer Terminus, denn die "römische
Außenpolitik war ihrem ganzen Wesen nach aggressiv", schreibt
Dahlheim. Cicero zitiert er mit den Worten: "Unsere Vorfahren
führten Krieg, nicht um die Freiheit zu gewinnen, sondern um zu
herrschen." Augustus, so der Autor, habe nie die Wahl gehabt
zwischen Krieg und Frieden. "Kampf und Eroberung waren und blieben
unverzichtbare Mittel der Herrschaftssicherung." Die Söhne des
Aeneas solle die ganze Welt fürchten, forderte Ovid.
Mit Caesars Ermordung 44 v. Chr. setzte eine Zeit der Instabilität ein.
Marcus Antonius scharte die Anhänger Caesars hinter sich. Und es meldete
sich Gaius Octavius, Großneffe des Gaius
Iulius
Caesar und von diesem testamentarisch adoptiert, zu Wort. Da waren
andererseits die republikanischen Königsmörder Longinus und Brutus. Und
zwischen allen Fronten lavierte Cicero, Senator, Republikaner und
Selbstdarsteller. Marcus Antonius, Octavian (und Lepidus) einigten sich
recht schnell und teilten sich das Reich als triumviri rei publicae
constituendae. Es folgte das bekannte Großreinemachen unter den
Gegnern der Dreien, bei dem 300 Senatoren und 2000 Ritter getötet wurden
oder ins Exil flohen. Ihre Güter fielen dem Triumvirat zu und wurden
unter deren Parteigängern verteil - Sulla lässt grüßen. Auch Marcus
Tullius
Cicero und dessen Bruder Quintus wurden getötet. Um die 60.000 zur
Entlassung anstehenden Söldner zu beruhigen, mussten 18 Städte von ihren
Bewohnern geräumt werden, darunter Arminum, Bononia, Capua und
Benevent. Der Sextus Pompeius, Sohn des großen Pompeius, arbeitete sich
mit seinen Seestreitkräften hoch, unterlag aber 36 auf Sizilien. Bei
dieser Gelegenheit konnten sich Antonius und Octavian auch des Lepidus'
entledigen. Und daneben galt es noch, ein Weltreich zu erhalten.
So zeigte sich der Anfang der Epoche des späteren Augustus, und es sah
zunächst nicht danach aus, als sollte das eine ruhige Zeit werden.
Deshalb ist es geradezu beeindruckend, wie vergleichsweise friedlich
dieses große römische Reich erhalten und an den Rändern konsolidiert
wurde, trotz des im Grunde imperialen Selbstverständnisses der Römer.
Man verbindet deshalb heute mit dem Namen Augustus eine Epoche inneren,
augusteischen Friedens nach Jahren eines verzehrenden
Bürgerkrieges im Lande. Herfried Münkler prägte hieraus den Begriff der
"Augusteischen Schwelle", die den Übergang in einen stabilen
inneren Zustand bezeichnet. Es herrschte dennoch lange Zeit eine Art
fragile Beziehung zwischen Augustus und den Römern. Auch wenn er
faktisch "regierte", fehlte Imperator Caesar Divi filius Augustus, wie
sich ab Januar 27 nennen ließ, lange Zeit die republikanische
Legitimation in Rom. Als er 41 Jahre später starb, "hatte die Stadt
ihr Gesicht völlig verändert und war zum glanzvollen Mittelpunkt einer
Weltmacht geworden."
Vergil und Horaz
trugen das Ihrige dazu bei, "um für die Nachwelt die Herrschaft des
Augustus in den Rang eines goldenen Zeitalters zu erheben." Vergils
"Aeneis" knüpfte an den homerischen Aeneas an und machte ihn in
Erfüllung eines Weltplans zum Stammvater der Julier. Der später ans Ende
der Welt verbannte Ovid arbeitete ebenfalls am Renommee der
augusteischen Epoche, die Montesquieu so treffend auf den Punkt brachte:
"Augustus trachtete danach, eine Regierungsform zu schaffen, die in
möglichst großem Ausmaß gefallen konnte, ohne seine eigenen Interessen
zu beeinträchtigen. Er schuf daher eine Staatsverfassung, die im
zivilen Raum aristokratisch, im militärischen hingegen monarchisch
war."
So, lässt sich abschließend sagen, macht Geschichte Spaß. Man lernt viel
über eine ferne Zeit und eine ferne Welt, die doch so viel mit der
unseren zu tun hat. Einige bedeutende Städte wie Köln, Trier, Mainz und
Augsburg reichen als Militärlager in diese Zeit zurück, was allerdings
in dem vorliegenden Buch kein Thema ist. Die caesarische Reichsgrenze
entfernte sich vom Rhein weiter ostwärts, wenn auch nicht auf Dauer. In
diesem spannenden Buch findet man schön herausgearbeitet die politischen
Konstanten, die Geschichte durchziehen, wenngleich sie gelegentlich
anders gewandet daherkommen.
In Aufmachung und Fertigung folgt das Buch dem hohen Verlagsstandard.
Anmerkungen, Zeittafel, Quellen- und Literaturverzeichnis,
Personenregister sowie Sach- und Ortsregister bilden den rund
vierzigseitigen Anhang, Karten und Abbildungen runden den Text ab.
Einzig ein paar Illustrationen mit Lebenszeiten von Personen über die
Zeit kommen im Charme der frühen 1990er-Jahre daher, als Grafiken noch
ANSI-zeichenbasiert erstellt wurden, doch sie stören eigentlich nicht.
Augustus war eine Schlüsselperson der römischen Antike, und dieses Buch
erklärt Leben, Werk und Wirkung auf das Vortrefflichste.
(Klaus Prinz; 09/2010)
Werner Dahlheim: "Augustus. Aufrührer -
Herrscher - Heiland. Eine Biografie"
C.H. Beck, 2010. 448 Seiten mit Abbildungen und Karten.
Buch bei amazon.de bestellen