Xinran Xue: "Gerettete Worte"
Reise zu Chinas verlorener Generation
Ebenso
wie Mo
Yan und Lin
Jun gehörte auch Xinran zu den offiziellen Besuchern
der Frankfurter
Buchmesse 2009, und wenn man dieses Buch liest, dann wird einem schnell
klar,
warum.
Die heute in England lebende ehemalige Radiojournalistin hat es sich
zur Aufgabe
gemacht, die Stimmen der älteren Generation Chinas, welche die
Entwicklungen
vom Kaiserreich bis mindestens zur Kulturrevolution mitgemacht hat,
einzufangen,
bevor diese endgültig verstummen. Dazu hat sie etliche
Menschen interviewt und
zwanzig dieser Interviews in diesem Buch zu einem Überblick
über die
gesellschaftlichen Schichten in China zusammengestellt, wobei im
Endeffekt drei
Generationen zu Wort kommen.
Sie ging in die Städte und Dörfer und sprach mit
Taxifahrern,
Flickschusterinnen, einer Generalin, etlichen Lehrern, einem
Kräuterweib,
Regierungsbeamten, ehemaligen Banditen, Ölprospektoren, einer
Akrobatin und
ihrem Sohn, Teehausbesitzern und Neuigkeitenerzählern,
Laternenmachern,
ehemaligen Mitmarschierern des Langen Marsches, Polizisten und anderen
Journalisten. Zu diesen Schwerpunktsgesprächspartnerin kamen
dann noch den
Freunde und/oder Verwandte, um das Gehörte abzurunden und in
einen Zusammenhang
zu stellen.
Die Gespräche sind zum Teil interessant und zum Teil auch
weniger erhellend,
was ein solches Potpourri eigentlich der Natur der Sache nach mit sich
bringt,
besonders, weil sich bestimmte Kernfragen gelegentlich wiederholen und
Xinran
weitestgehend Rücksicht auf politische und
kulturell-emotionale
Befindlichkeiten ihrer Gesprächspartner nimmt. Redefreiheit
und Freiheit
allgemein sind in China Begriffe, die noch einer endgültigen
Definition harren,
und das beeinflusst die Art der Fragestellungen mindestens genauso
stark wie die
der möglichen Antworten - eine Tatsache, die Xinran mehr oder
weniger
verklausuliert darstellt.
Hinzu kommt der Eindruck vieler älterer Menschen, entweder
uninteressant zu
sein, oder aber, dass sie mit ihren Erfahrungen und Ideen von der
jüngeren und
jüngsten Generation ohnehin nicht verstanden werden,
wofür sie viele Schmähungen
dieser in Hinblick auf ihre vergangene Obrigkeitshörigkeit und
ihre Naivität
über sich ergehen lassen, was bei den Älteren sehr
unterschiedliche Gefühle
auslöst. Und auch zu ihren direkten Nachkommen haben diese
alten Menschen oft
eine Einstellung, die sie zum Schweigen und Unterdrücken
starker Gefühle
zwingt.
Xinran stellt all dies ebenso ausführlich wie eindringlich dar
und zeigt damit
mehr über die verschiedenen Ausprägungen des
chinesischen Bewusstseins, falls
es so etwas in einem Milliardenvolk überhaupt geben kann, als
viele Chinaratgeber,
die man so gemeinhin in den Buchhandlungen finden kann. Angereichert
werden die
Texte durch eigene Überlegungen zu verschiedenen aufgeworfenen
Aspekten sowie
mit eigenen Betrachtungen verschwindender Kulturgüter, wie
etwa Tigeröfen.
Dabei ist die Autorin sehr nationalistisch in ihrer Grundhaltung und
verteidigt
vieles in ihrem Heimatland bis aufs metaphorische Messer - genau wie
die meisten
ihrer Gesprächspartner, die in ihrer Vergangenheit wirklich
schreckliche Dinge
erdulden mussten und irgendwie damit fertiggeworden sind. Dinge, die
ihre
eigenen Kinder und Enkel oft gar nicht wissen und die sie ihnen
eventuell auch
gar nicht glauben würden.
"Gerettete Worte" ist eine insgesamt nicht immer leicht zu lesende
Betrachtung des heutigen Chinas und des Weges, den es in den letzten
einhundert
Jahren zurückgelegt hat. Die Betrachtung sperrt sich merklich
gegen einfache
westlich geprägte Deutungen des Gelesenen. Dieses Buch ist in
erster Linie für
Leser geeignet, die tiefer in die psychologische Struktur des heutigen
Chinas
eindringen wollen.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 11/2009)
Xinran
Xue: "Gerettete Worte. Reise zu Chinas verlorener Generation"
(Originaltitel "China Witness")
Übersetzt von Michaela Grabinger.
Droemer, 2009. 619 Seiten.
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Weitere
Buchtipps: Richard
Trappl (Hrsg.):
"China erlesen. Sagen und Märchen"
Liu
Zhenyun:
"Taschendiebe" Yu
Zhang: "Buddha sprang
über die Mauer. Ein süd-chinesisches Kulinarium" Lisa
Meingassner, Richard
Trappl (Hrsg.): "China erlesen. Kiwis Reise in die Welt" Li
Jingze, Jing Bartz (Hrsg.):
"Unterwegs. Literatur-Gegenwart China"
Richard Trappl (Hrsg.):
"Stadtportraits. China erlesen"
Der Band bringt die erstmalige Übersetzung in eine westliche
Sprache von Porträts
von Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing sowie von den
Hauptstädten aller
chinesischen Provinzen und autonomen Gebiete aus der Sichtweise von
Schriftstellern der jeweiligen Region. Die subjektiven Zugänge
bilden eine
spannende Ergänzung zu allgemein erhältlichen
Reisebeschreibungen.
Die Reihe "China erlesen" macht es sich zur Aufgabe, dazu beizutragen,
China aus verschiedenen, meist literarischen Perspektiven einer
deutschsprachigen Leserschaft vorzustellen: Neben der Neuauflage
ausgewählter
chinesischer literarischer Werke werden die wichtigsten Städte
Chinas aus der
Sicht dort ansässiger chinesischer Literaten beschrieben.
Weiters werden auch interessante Einzelprojekte vorgestellt wie etwa
ein
Armutsbekämpfungsprogramm durch die Aufzucht von Kiwifrucht in
der Provinz
Hunan. (Wieser Verlag)
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"Das Bett der hundert Vögel" ist eine Märchensammlung
der Han- und
anderer Ethnien in China. Sie enthalt 42 Volkserzählungen der
Han-Chinesen
sowie zahlreicher "nationaler Minderheiten" auf dem Gebiet der
Volksrepublik China wie Mongolen, Uiguren, Tibeter, Miao, Zhuang oder
Naxi. Der
thematische Bogen umfasst Schöpfungsmythen, Heldengeschichten
sowie Legenden
und lässt Glück und Unglück, Nöte
und Sehnsüchte der Menschen erahnen. (Wieser
Verlag)
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Als Liu Yuejin, einem gutmütig-treuherzigen Koch, auf einer
Pekinger Großbaustelle
seine Geldtasche gestohlen wird, bricht für ihn eine Welt
zusammen. Darin waren
Bargeld und ein Schuldschein, um sich mit einem kleinen Restaurant
selbstständig
zu machen. Der Bestohlene begibt sich auf die Jagd nach seiner Tasche -
eine
Jagd, die ihn immer tiefer in die örtliche Unterwelt
verschlägt.
Statt an seine eigene gerät er an eine andere gestohlene
Tasche, die einem
vormals milliardenschweren, nun schwer verschuldeten Bauunternehmer
gehört und
einen Speicherstab mit hochbrisantem Material enthält.
In der nachfolgenden Serie von Zufällen und Verwicklungen,
hinterlistigen
Intrigen und raffinierten Schach- und Winkelzügen erweist sich
der vermeintlich
einfältige Koch Liu Yuejin als erstaunliches Schlitzohr und
zieht den Kopf noch
einmal aus der Schlinge. Allerdings hat er eine Dominoreaktion von
Verwicklungen
ausgelöst, aus der er sich - das wird am Ende klar - so
schnell nicht wird
befreien können. (DIX-Verlag)
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Das Reich der Mitte ist noch weit entfernt, fremd und unvorstellbar. Es
herrscht
im Westen eine enorme Berührungsangst. Und doch - oder gerade
deshalb -, so
ergab eine Umfrage, wird mit China vor allem das Essen assoziiert.
Nicht die
Kulturrevolution und nicht der Wirtschaftsaufschwung standen im
Vordergrund. Die
zahllosen Chinarestaurants bringen Esskultur und Lebensart nach Europa,
sie
tragen jedoch auch zum Klischee bei: Nach vielen Klassikern auf den
hiesigen
Speisekarten werden Sie im Heimatland vergeblich suchen. Die Esskultur
Chinas
ist zu vielseitig, um in einem einzigen Buch erläutert werden
zu können. Daher
hat die Autorin für dieses Kochbuch fünf Provinzen in
Zentral- und Südchina südlich
des Yang-Tse-Flusses ausgesucht.
Die Rezepte in diesem Buch sind so beschrieben, dass man sie auch in
einem europäischen
Haushalt kochen kann. Viele werden sich wundern, wie einfach eine
chinesisches
Mahlzeit gezaubert werden kann. Dieses Buch ist daher auch für
diejenigen gut
geeignet, die
zum
Kochen wenig Zeit haben.
China hat in seiner langen Geschichte viele Brüche erlebt. Nur
wenige
Konstanten sind geblieben; eine davon ist die Esskultur. Viele
regionale Küchen
haben ein Alter, das alles, was in Europa bekannt ist, bei weitem
übertrifft.
Hier sind Erfahrungen gespeichert, die nicht nur auf kulinarischen
Genuss
abzielen, sondern den Körper als Ganzes wahrnehmen. Konfuzius
sagte einmal,
dass er aus der Küche eines Landes erkennen könne, ob
die Regierung gut oder
schlecht sei. In China ist das Essen ein Versuch der Harmonisierung,
zugleich
aber auch ein Kunstwerk, das Bestandteil dieser Harmonie ist.
(Mandelbaum
Verlag)
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Das Buch handelt von der Entstehung und Durchführung einer
Fallstudie zum Thema
"Entwicklung der Kiwi-Industrie in West-Hunan" sowie der
Präsentation
der Ergebnisse. Die Autorin beschreibt nach einer kurzen allgemeinen
Einführung
in das Thema "Kiwi in China" die Entwicklung eines Projektes zur
Armutsbekämpfung und die Aufgaben der in das Projekt
involvierten Institutionen
sowie Probleme und Herausforderungen in der Entwicklung der lokalen
Kiwi-Industrie und Lösungsvorschläge und
mögliche Maßnahmen. (Wieser Verlag)
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Zehn Kurzgeschichten.
China ist unterwegs, im Umbruch und Aufbruch. Gängige
Gewissheiten sind erschüttert,
Konventionen lösen sich auf. Diese kaum fassbare Spannung
fangen die
vorliegenden Geschichten ein. Ihre zehn Autoren leben in China und sind
doch
zugleich Bewohner einer globalisierten Welt. Diese Dynamik macht die
Geschichten
auch für westliche Leser so spannend und zugleich so
zugänglich.
Weitgehend verschont vom Trauma der Mao-Ära, schreiben die
jungen Autoren auf
der Höhe der Zeit: unaufgeregt, unterhaltsam und ironisch,
ohne erhobenen
Zeigefinger und ohne falsche Nostalgie, aber auch ohne
Verklärung der Goldgräberstimmung,
die wir im Westen so gern mit dem heutigen China assoziieren. Auf ihre
ganz
individuelle Art halten sie China den Spiegel vor. (DIX-Verlag)
Buch
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