Marcus Chown: "Das Universum und das ewige Leben"
Neue Antworten auf elementare Fragen
"Realität
ist eine Illusion, allerdings eine sehr hartnäckige."
(Albert
Einstein)
oder
Die "Alice-im-Wunderland-Welt der Atome"
"Wir haben einen weiten Weg hinter uns", beginnt
Marcus Chown sein Buch "Das Universum und das ewige Leben", um diese
Aussage gleich wieder zu relativieren: "Aber wir haben noch
ein weites Stück vor uns." Verglichen mit dem Alter
des Universums von rund 13,7 Milliarden Jahren ist die Existenz der
menschlichen Intelligenz nahezu ein Nichts. Gleichwohl ist sie in
dieser verschwindend geringen Zeit vielem auf die Spur gekommen, und
das große Firmament mit den unzähligen Sternen ist
keine große Unbekannte mehr.
Zwar verkündeten Ende des 19. Jahrhunderts die Physiker
frohgemut, sie hätten praktisch alles entdeckt, was es zu
entdecken gibt, doch dann wurde ihr auf wackligen
Füßen stehendes Gebäude gleichsam mit zwei
"Bomben" in die Luft gejagt: der Quantentheorie und der
Relativitätstheorie. Trotzdem haben wir heute
"eine brauchbare Vorstellung von der Größe
des Universums - wir können bis zum
'Lichthorizont' schauen, der die Grenze des beobachtbaren Raums
darstellt [...], wir können die Bausteine des Kosmos
zählen, rund hundert Milliarden Galaxien wie unsere
Milchstraße. Und wir haben nicht nur eine Vorstellung von der
Größe und dem Inhalt des Universums, sondern auch
einen guten Anhaltspunkt dafür, wie es entstanden ist",
erzählt der Physiker und Wissenschaftsjournalist aus
Großbritannien, dessen erstes Buch die meistgelesene
populärwissenschaftliche Veröffentlichung nach
Stephen Hawkings "Eine kurze Geschichte der Zeit" war.
Aber dieses Wissen muss relativiert werden, denn 1998 fand man heraus, "dass
Sie, ich, die Sterne und die Galaxien nur vier Prozent der Masse des
Universums ausmachen. Überwiegend besteht der Kosmos aus
rätselhaftem, unsichtbarem Zeug mit abstoßender
Gravitation, der dunklen Energie, ganz zu schweigen von dem
unsichtbaren Zeug mit normaler Gravitation, der dunklen Materie."
Leben wir in einer großen Computersimulation?
Doch die Wissenschaft ruht nicht. Man möchte auch noch die
"letzten Fragen" beantwortet wissen. Vielleicht ist unsere Generation
die erste, die eine realistische Chance hat, meint Marcus Chown. Das
Arsenal an Möglichkeiten, das uns heute zur Verfügung
steht, um neue Fragestellungen zu untersuchen, ist jedenfalls
beeindruckend. Chown scheut nicht, die Fragen bereits jetzt zu stellen
und sich in Ansätzen der möglichen Lösung zu
nähern, die im Endeffekt die Speerspitze der aktuellen
wissenschaftlichen Fragestellungen darstellen:
- Was ist hinter dem Rand des Universums und woher rührt seine
Komplexität?
- Was war vor dem Urknall?
- Welches sind die Grenzen dessen, was wir "wissen" können?
- Woher kommt die Alltagswelt, und warum erleben wir eine Gegenwart,
ein "Jetzt"?
- Woher kommen die Gesetze der Physik, und wie ist aus nichts etwas
entstanden?
- Woher kommt die Masse?
- Werden wir da draußen im All jemals ET
finden?
- Kann das Leben im Universum endlos weiterbestehen?
Dazu hat er mit einfallsreichen und mutigen Wissenschaftlern
gesprochen, die zum Beispiel den Urknall als Folge eines Zusammenpralls
zwischen "Inseluniversen" vermuten, oder dass niemand
ausschließen kann, dass wir gar in einer großen
Computersimulation leben und vielleicht am Ende der Zeit aus einer
solchen wieder auferstehen können.
Diese Theorien sind sicherlich atemberaubend, teilweise sehr gewagt,
revolutionär, und sie bewegen sich im Rahmen des gerade noch
wissenschaftlich Vertretbaren. Einige werden sich bewähren und
vielleicht schon bald Eingang in den Korpus der anerkannten
Wissenschaften finden, andere möglicherweise nicht.
Spektakuläre Theorien und Möglichkeiten
Doch gerade diese abstrakten und esoterisch anmutenden Fragen sind im
Endeffekt für unser prosaisches Alltagsleben bedeutsam, wenn
wir uns wieder einmal fragen "Woher kommen wir? Wie ist das Universum
entstanden? Was tun wir hier?" Denn offensichtlich ist das Universum "nur
ein strukturiertes, umrangiertes Nichts", bemerkt der Autor. "Wir
und alles, was uns umgibt, sind nur Muster in der Leere."
Chown hat sein Buch in drei Teile gegliedert. Die Antworten auf eine
erste Gruppe von Fragen werfen Licht auf die "Natur des Universums",
die der zweiten erhellen die "Natur der Realität", und
schließlich geht er auf Themen ein, in denen nach der
Stellung des Lebens (und der Menschen) im Universum gefragt wird.
Allerdings setzt die Lektüre einen aufmerksamen und vielleicht
schon ein bisschen naturwissenschaftlichen und astrophysikalisch
vorbelasteten Leser voraus. Gleichwohl sollte er "schwindelfrei" sein,
wenn er sich auf den schmalen, beinahe metaphysischen Grenzpfad, der
bislang von nur wenigen Menschen betreten wurde, begeben will. Denn
eine gewisse Bodenhaftung ist bei den zum Teil spektakulären
Theorien und Möglichkeiten, die keineswegs nur nach den
klassischen Regeln der Physik vorangehen und nach Ursache und Wirkung
schauen, vonnöten. Aber letztendlich führt das
Begehen, ja, sogar weit darüber hinaus Betreten von
Grenzbereichen zu Erkenntnis und Fortschritt.
Wer sich einlässt auf diese andere Welt der Wissenschaft, wird
am Ende verstehen, dass wir noch ein weites Stück vor uns
haben und es noch viele offene Fragen zu beantworten gibt, allen voran
die rätselhafteste aller Fragen überhaupt: "Warum
hat das Universum Materie hervorgebracht, die ihre Umgebung betrachtet
und nach dem Warum fragt?" Dieses Thema, so Marcus Chown,
behält er sich vielleicht für ein anderes Buch vor.
Man darf gespannt sein.
Fazit:
"Das Universum und das ewige Leben" ist ein lesenswertes Buch, das ein
wahres Feuerwerk an Ideen und Erkenntnissen hervorbringt. Mit Wortwitz
und Charme, unterhaltsam und mit plakativen Beispielen beschreibt
Marcus Chown in allgemeinverständlichen Worten schwer zu
fassende Themen aus Astrophysik und Kosmologie. Dennoch ist ein
gelegentliches Innehalten beim Lesen unabdingbar, schon allein um das
komplexe Theoriegebäude der Physik zu begreifen und sich mit
den zukunftsträchtigen Ideen vertraut zu machen.
(Heike Geilen; 06/2009)
Marcus
Chown: "Das Universum und das ewige Leben.
Neue Antworten auf
elementare Fragen"
(Originaltitel "The Never-Ending Days of Being Dead")
Deutsch von Friedrich Griese.
dtv, 2009. 319 Seiten.
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