Arnold Benz: "Das geschenkte Universum"
Astrophysik und Schöpfung
Staunen,
Erschrecken und
Deuten
"Das Universum ist keine Uhr, die ruhig vor sich hin tickt,
sondern ein
Abenteuer", stellt Arnold Benz, Professor für
Astrophysik an der
Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, fest.
Der Autor lässt diesen
Satz nicht unkommentiert im Raum stehen, sondern stellt dem Leser
diesen
einzigartigen "Abenteuerspielplatz" in seinem Buch "Das
geschenkte Universum" vor.
Benz präsentiert jedoch nicht nur die wahrhaft faszinierenden
neuen
Erkenntnisse seines Wissenschaftszweiges, sondern er befragt sie
gleichzeitig
aus der Perspektive des menschlichen Denkens. In drei Teile hat er sein
Buch
gegliedert: "Werden und Staunen", "Vergehen und
Erschrecken", "Schöpfung und Deutung". Regen zum Einen die
unvorstellbare Weite, die Vielfalt und raffinierte
Komplexität, aber auch der
Reichtum an Beziehungen und die allgegenwärtige kosmische
Vernetzung zum
Staunen an, so hat die Dynamik des Universums auch ihre Schattenseiten,
die sich
im Zerfall aller Dinge - einschließlich unserer menschlichen
Existenz -
offenbaren. Und dies ruft wiederum nach Orientierung.
Zunächst nimmt Arnold Benz den Leser auf einen Streifzug in
unsere kosmische
Umgebung mit, in den "lokalen Flaum", eine siebentausend Grad
heiße,
interstellare Gaswolke, deren Hitze wir aufgrund der
äußerst geringen Dichte
von nur wenigen Atomen pro Kubikzentimeter nicht spüren. Unser
Sonnensystem
befindet sich derzeit an dessen Rand und wird ca. 200 000 Jahre
benötigen, um
es zu durchqueren. Dieser lokale Flaum wiederum schwebt wie eine Daune
in einem
noch viel heißeren Gas, der "Lokalen Blase" (ein Relikt durch
Supernovae vor einigen zehn Millionen Jahren), mit einer Temperatur von
einer
halben Million Grad und den unvorstellbaren radialen Ausmaßen
von 150
Lichtjahren. In dieser Blase hat bereits die "kosmische Menopause"
eingesetzt. Neue Sterne werden hier nicht mehr geboren. Dafür
sind die
"wilden Jungen" verantwortlich, die sogenannten Molekülwolken
(Dunkelwolken). Die uns nächsten liegen im Sternbild des
Schlangenträgers, 370
Lichtjahre von uns entfernt.
Fasziniert folgt der Leser den Ausführungen des Professors,
wenn er Stern- und
Planetenentstehungen erklärt, erläutert, warum
Planeten kreisen, wie unser
Mutterstern - die Sonne - aufgebaut ist und "arbeitet" sowie
skizzenhaft auf das Phänomen Urknall
oder Schwarze
Löcher eingeht. Doch dieses interstellare Chaos
aus Werden und
Vergehen, diese brodelnde, galaktische Suppe aus Atomen, Gasen und
Magnetfeldern
birgt auch ganz andere Erkenntnisse. Spätestens wenn man in
einem ruhigen
Moment in einer sternenklaren Nacht zum Himmel emporschaut,
können
unvergessliche Augenblicke erwachsen, in denen die Zeit stillzustehen
scheint,
ein Atemzug, in dem sich Verstand und Gefühl begegnen. Gerade
in solchen
Momenten wird klar, dass die Erlebniswelt des Menschen
größer ist als der
Bereich der Naturwissenschaften. "Das Wahrnehmen der 'Stille'
ist keine
naturwissenschaftliche Beobachtung. Die Stille der Sterne kann daher
nicht
astronomisch erklärt werden, und muss es auch nicht",
stellt Arnold
Benz fest. "Diese 'Außengrenze' ist im Dialog mit
den
Geisteswissenschaften entscheidend." Und damit leitet er
gekonnt zu
seinen weiteren Kapiteln über.
Naturwissenschaftliches, philosophisches und theologisches
Universum
Mit teilweise sehr philosophischen Zeilen und tiefsinnigen
Gedankengängen
vermittelt Benz zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften.
Theologische
Gesichtspunkte werden eingeflochten. Denn das Empfinden dieses Werdens
und
Vergehens lässt viele Interpretationsmöglichkeiten
zu. "Wir sind auf
dem Weg, der in vielem ungewiss ist und an dessen Rand die Legion der
Nichtmehrseienden liegt, die infolge der Veränderungen auf der
Erde umkamen und
damit die Last der Entwicklung mittrugen, dank der es heute Tiere und
Menschen
gibt", ist so ein wunderschöner Satz aus der Feder
des Astrophysikers,
der dem Leser (s)eine andere Seite zeigt. "Leben ist Risiko,
aber jedes
Risiko ist eine Chance. (...) Die Entwicklung des Universums, die
Entstehung des
Lebens und die Existenz jedes Menschen in dieser Welt haben auch
gemeinsam, dass
sie einer offenen Zukunft entgegengehen", dass nicht alles
Naturwissenschaftliche wirklich ist und auch nicht bis ins letzte
Detail ergründet
werden kann.
"Um den ganzen menschlichen Wirklichkeitshorizont zu umfassen,
muss
unsere Reise ins All schließlich auch zu
uns selbst
führen, zu unseren
ureigenen Erfahrungen der Wirklichkeit. Auch sie sind ein Teil des
Universums", stellt der Autor treffend fest. Er spricht
religiöse und
teilnehmende Wahrnehmungen und die Tiefe der Wirklichkeit an. "Das
intuitive Sichfinden in der Welt liegt außerhalb des Rahmens
der objektiven
Wissenschaft, ist jedoch eine Erfahrung, die zur Orientierung hilft und
somit
von existenzieller Bedeutung sein kann." Aber immer weist
Arnold Benz
auf die zwei völlig verschiedenen Ebenen von
naturwissenschaftlichen Messungen
zu religiösen Erfahrungen hin. Ein Vermischen soll und darf
nicht stattfinden. "Es
ist aussichtslos, in wissenschaftlichen Resultaten einen Beweis
für Gott oder
auch nur einen Schöpfungsplan zu suchen", postuliert
Benz. Aber
physikalische Vorgänge nicht einfach als gegebenen
Normalzustand, sondern wie
ein Geschenk zu empfinden, macht sie als Schöpfung erkennbar.
Und Schöpfung
bezieht sich auf den Sinn des Lebens sowie den Sinnzusammenhang des
Ganzen. Gerade
diese Frage können die Naturwissenschaften nicht beantworten,
weder positiv
noch negativ. "Wie wir unser Leben deuten, so deuten wir auch
das
Universum. Das Ende spannt mit dem Anfang einen Bogen, und der Sinn
muss im
Ganzen liegen. Die Welt als Schöpfung zu deuten,
heißt zu begreifen und sich
daran zu freuen, dass uns die lebensnotwendigen Dinge von
gütiger Hand
geschenkt werden."
Fazit:
Theologische Sichtweisen sind in heutigen naturwissenschaftlichen
Publikationen
nicht zu finden. Metaphysische Fragen werden umgangen, sind nicht
konsensfähig.
Aber das Transzendente erhält unzweifelhaft im
Erfahrungshorizont der persönlichen
Existenz Bedeutung. Solche Erfahrungen liegen außerhalb des
Rahmens der
objektiven Wissenschaft, sind jedoch lebenswichtig. Denn die Frage nach
dem
Wesen des Universums berührt ohne Zweifel die menschliche
Existenz.
"Das geschenkte Universum" ist ein großartiger Monolog des
Naturwissenschaftlers Arnold Benz über Astrophysik und
Schöpfung, der beide
Bereiche klar trennt, aber trotzdem gegenständlich betrachtet.
"Es geht
schließlich um nichts weniger als die Frage, warum wir hier
sind und wo unser
Platz ist im Ganzen." (A. Benz)
(Heike Geilen; 07/2009)
Arnold
Benz: "Das geschenkte Universum. Astrophysik und Schöpfung"
Patmos Verlag, 2009. 174 Seiten.
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