Fred Uhlman: "Der wiedergefundene Freund"


"Verus amicus est tamquam alter idem." ("Ein wahrer Freund ist gleichsam ein zweites Ich.")

Dieser Spruch von Marcus Tullius Cicero kann als Grundtenor über der kleinen Erzählung, der beeindruckenden Novelle von Fred Uhlmann, stehen. Wie beeinflussen uns die Menschen, mit denen wir uns umgeben? Welche Spuren hinterlassen wir in ihnen? Was bedeutet Freundschaft? Was soll man mit seinem einerseits wertlosen, andererseits wiederum einzigartig wertvollen Leben anfangen? Dies sind Themen, mit denen sich der Autor auseinandersetzt.

Im Dezember 1932, kurz vor der Machtergreifung Hitlers, schließen zwei sechzehnjährige Gymnasiasten eine enge und tiefempfundene Freundschaft. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, aber ihrer beider Herkunft und die unheilbedrohte Zukunft verurteilen diese Verbindung schon von Beginn an zum Scheitern. Der Eine, Hans Schwarz, ist Sohn eines jüdischen Arztes, der Andere, Konradin von Hohenfels, stammt aus altem Adelsgeschlecht. Zudem ist die Mutter des Grafen eine ausgesprochene Antisemitin.
Trotz der innigen Verbindung der jungen Männer lässt sich die abscheuliche Deutschlandpolitik nicht ignorieren und treibt Zwietracht zwischen die beiden. "Der lange, grausame Prozess der Entwurzelung hatte schon begonnen, und die Lichter, die meinen Weg erhellt hatten, verblassten." Hans verlässt seine geliebte Heimat und emigriert nach New York, seine Familie wird ihm nicht folgen, Konradin schlägt eine steile Karriere im Nazi-Regime ein. Erst dreißig Jahre später erfährt der "Verrat" Gerechtigkeit.

Uhlmans Erzählung ist ein sehr nachdenkliches literarisches Juwel. Ohne Zorn und Verurteilung beschreibt der Autor linear und analytisch, verbunden mit einer großen Liebe zu seiner Stuttgarter Heimat, den Beginn, die kurze Dauer und den Zerfall einer tiefen Freundschaft und das damit verbundene jähe Ende einer Kindheit in todesschwangeren Zeiten. Der Autor verarbeitet damit seine persönliche Freundschaft zu Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

Fred Uhlmans kleine, sehr lebensnahe Erzählung "Der wiedergefundene Freund" ist eine autobiografische Novelle, die, auch wenn sie die hässlichste Tragödie der Menschheitsgeschichte behandelt, in zarten, nostalgischen Molltönen geschrieben ist. Ein Zeitzeugnis der besonderen Art, ein beeindruckendes Werk gegen das Vergessen.

(Heike Geilen; 10/2009)


Fred Uhlman: "Der wiedergefundene Freund"
(Originaltitel "Reunion")
Übersetzt von Felix Berner.
Diogenes Verlag, 1998. 116 Seiten.
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Fred Uhlman wurde am 19. Jänner 1901 als Angehöriger einer in Württemberg ansässigen jüdischen Familie geboren. Er studierte Jura, arbeitete für die SPD und war mit Kurt Schumacher befreundet. 1933 flüchtete er nach Frankreich und lebte später als vielbeachteter Maler und Schriftsteller in Paris, Spanien und England. Fred Uhlman starb am 11. April 1985.