Hyakken Uchida: "Aus dem Schattenreich"
Erzählungen
Wenig
meisterliche Geschichten
Die Fußballvereine verschmähen ihre
Eigengewächse, um bequem und billig im
Ausland zu ernten.
Ebenso halten es mittlerweile die im deutschen Sprachraum
ansässigen Verlage. Der ständig wachsende Anteil von
Übersetzungen in den Verlagskatalogen spricht eine deutliche
Sprache. Eine dieser zweifelhaften Entdeckungen ist Hyakken Uchida
(1889-1971), in seinem Heimatland
Japan ein Pionier der fantastischen Literatur und angeblich
von großem Einfluss auf jüngere japanische Autoren.
"Die Entdeckung aus Japan: ein Meister der fantastischen
Literatur." So steht es auf der Rückseite des
Schutzumschlags über den Autor zu lesen. Und seine Geschichten
werden charakterisiert als "Traumgeschichten vom
Seltsamwerden der Welt, abgründig und von großer
visueller Kraft."
Dem Siegel der Meisterschaft auf dem Gebiet des Fantastischen, das der
Verlag seinem Autor hier aufdrücken möchte, wird
dieser in meinen Augen aber in keiner Weise gerecht. Wer hier
facettenreiche Meisterwerke erwartet, der sieht sich schon bald
enttäuscht. Dröge und eintönig reiht sich
eine Geschichte an die andere und weckt im Leser das Bedürfnis
nach Schlaf.
Wege, die kein Ende finden, durchziehen Uchidas Schattenreich, das
Zwielicht einer vagen Unbestimmtheit taucht die Welt in ein unheimlich
wirkendes Glosen. Und auch den Gesichtern der Menschen, die dem
Protagonisten (alle achtzehn Geschichten werden aus der Ich-Perspektive
erzählt) in diesem Schattenreich begegnen, ist diese
Unbestimmtheit zu eigen. Sie erscheinen fremd und doch irgendwie
bekannt. Ein Gleiches gilt für die Stimmen. Grenzen werden
verwischt in Uchidas Reich der Schatten,
die zwischen Himmel und Erde,
die zwischen Wegen und Feldern und so weiter. Und immer wieder die
Endlosigkeit des Weges: "Der schmale Pfad schlängelt
sich endlos dahin. Endlos läuft die Frau diesen dunklen Weg
entlang. So weit ich aber auch gehe, der Weg findet kein Ende."
Und so geht das endlos weiter, von einer Geschichte zur anderen. Wohl
finden sich bisweilen auch subtil angesetzte Nuancierungen, doch nur
selten kommen Uchidas Erzählungen über ein gesundes
Mittelmaß hinaus. Seine immer gleichen Bilder werden in der
inflationären Häufigkeit, in der sie auftreten, zu
einer nichtssagenden Manier.
Der als Ich-Erzähler fungierende Protagonist ist
beständig auf der Suche. Auf der Suche nach einem Ziel, nach
dem er sich ausrichten kann, auf der Suche nach seiner eigenen
Identität, auf der Suche nach dem verlorengegangenen Weltbild.
Und man kann dieses Suchen auf die kollektive Menschheit
übertragen, gerade und vor allem auf unsere heutige Zeit
bezogen. Insofern besitzen diese 1922 erstmalig publizierten
Geschichten schon einen gewissen Aktualitätswert. Banale,
alltägliche Dinge und Vorgänge wachsen sich bei
Uchida zu etwas Bedrohlichem aus, die Dinge verlieren ihre gewohnten
Konturen und Dimensionen, Gegensätze werden aufgehoben. "Dieses
Himmelslicht überströmt den gesamten Erdboden.
Dennoch liegt er in tiefer Finsternis." Menschenmassen
tauchen häufig in Uchidas Erzählungen auf, um dann
plötzlich einer gähnenden Leere Platz zu machen.
Diese Verknüpfung von Leere und Masse, die Anonymität
der Masse, scheint typisch für den Autor. Es ist beinahe eine
Gleichsetzung von Leere und Masse. Und es stellt sich die Frage: wo ist
man einsamer, in der Menge oder in der Leere? Beide wirken
gleichermaßen bedrohlich in Uchidas Texten. Die Klage des
Erzählers wird in den letzten beiden Sätzen der
Erzählung "Eine kurze Nacht" in aphoristisch-konziser
Bündigkeit auf den Punkt gebracht: "Aber wohin soll
ich gehen? Nicht einmal die Richtung kann ich mehr bestimmen."
All das ist gewiss hintergründig und beachtenswert, doch
irgendwie haben mich die
Ausdrucksstereotypen und die Monotonie der Aussage gestört und
auch gelangweilt. Insgesamt gesehen sind die Geschichten nicht
uninteressant, doch sollte man sie nicht hintereinander lesen, da sie
sich zu stark ähneln. Anmerkungen zu den Texten und ein
Nachwort der Übersetzerin Lisette Gebhardt schließen
den Band ab. Auch sie betont "das Grenzgängertum, in
dem der Wert von Hyakken Uchidas Literatur begründet liegt."
Nach meinem Dafürhalten erscheint dieser Autor mir hier
allerdings ein wenig überbewertet.
(Werner Fletcher; 05/2009)
Hyakken
Uchida: "Aus dem Schattenreich. Erzählungen"
(Originaltitel "Meido")
Aus dem Japanischen von Lisette Gebhardt.
DVA, 2009. 172 Seiten.
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Hyakken
Uchida (1889-1971), Sohn einer Sake-Brauer-Familie aus dem japanischen
Okoyama, begann früh mit dem Schreiben. Er arbeitete
zunächst als Deutschlehrer und Universitätsdozent
für Germanistik, bevor er sich ab 1934 ganz seiner
schriftstellerischen Karriere widmete. Sein Werk umfasst zahlreiche
Erzählungen und Romane, darunter eine Beschreibung Tokios aus
Sicht einer Katze.
Weitere Buchtipps:
Frank Wehner: "Neues aus Okazaki. Tagebuch eines Forschers und
Reisenden in
Japan"
Das Buch beschreibt in höchst amüsanter Weise die
Erfahrungen, die ein
deutscher Forschungsreisender im Rahmen einer wissenschaftlichen
Kollaboration
in Japan und der japanischen Arbeitswelt machen konnte. Dreimal wurde
das Land
in den Jahren 2002 bis 2006 bereist, und insgesamt acht Monate hat der
Autor in
Japan gelebt und gearbeitet. Darüber hinaus ergaben sich
Gelegenheiten für
vergnügliche Reisen in diesem anfangs faszinierend fremden,
dann immer
vertrauter werdenden Kulturkreis, und teilweise groteske Situationen
werden
beschrieben, in die man als Europäer in Japan so geraten kann.
Situationen, aus
denen die japanischen Zeitgenossen ihrem Gast - zumeist mit einem
Lächeln -
auch wieder herausgeholfen haben. Kultureller Reichtum und
Schönheit,
Besonderheiten des Landes und seiner Bewohner werden ebenso beleuchtet
wie die
wissenschaftliche Arbeitswelt, und mit spielerischer Leichtigkeit wird
der Leser
in das Leben in
Japan eingeführt - und gewinnt hierbei fast
den Eindruck, als
wäre er persönlich dort gewesen.
(Königshausen & Neumann)
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Andreas
Neuenkirchen: "Gebrauchsanweisung
für Japan"
Andreas Neuenkirchen entschlüsselt aufs Unterhaltsamste Land
und
Leute. Er verrät, wie Sie in japanischen Restaurants und
Privathaushalten, im
buddhistischen Tempel oder im shintoistischen Schrein, beim
unverbindlichen
Gespräch oder bei Geschäftsverhandlungen am besten
zurechtkommen. Welche
Speisen schmecken - und vor allem, wie man sie richtig isst. Dass man
durch
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Erdbeben
zu beachten
ist. Wie lange die Japaner Kirschbäumen beim Blühen
zusehen. Und was es
braucht, um ein Spitzenhäubchen auf besonders
männliche Weise zu tragen.
Ein Land zwischen Tropenklima und Wintersport; eine Hauptstadt mit
zwölf
Millionen Einwohnern, aber ohne Hausnummern; giftiger Fisch als
Delikatesse und
erwachsene Frauen in Mädchenaufmachung: Japan hat dringend
diese
Gebrauchsanweisung verdient. (Piper)
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