Giampaolo Simi: "Camorrista"
Das
verzerrte menschliche
Gesicht der Camorra
Rosas erster wichtiger Auftrag als Polizistin ist die
Überwachung eines erst
18-jährigen Camorra-Bosses, der, in Lebensgefahr geraten,
aussagen möchte und
daher ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurde. Cocíss
nennt er sich, natürlich
ist er drogenabhängig und alles andere als willens, von Rosa,
einer Polizistin
und Frau, Anweisungen anzunehmen.
Aber Rosa möchte sich diesem ihrem ersten Auftrag gewachsen
zeigen, auch wenn
sie Cocíss von Anfang an verabscheut. Schnell stellt sie
fest, dass die Camorra
den angeblich so geheimen Ort, an dem Cocíss untergebracht
wurde, längst
ausfindig gemacht hat. Umso froher ist sie, als sie ihn, der ihr
innerhalb
weniger Tage schon genug Ärger gemacht hat, an einem weiteren
geheimen Ort
einigen Fallschirmjägern übergeben soll.
Im letzten Augenblick erkennt sie, dass es sich bei den Leuten, die
Cocíss
entgegennehmen wollen, keineswegs um Fallschirmjäger und ganz
bestimmt nicht um
Polizisten handelt. Sie rast mit dem Camorrista davon und bringt ihn
ihrerseits
in einem Versteck unter. Dort schließt sie mit
Cocíss eine Art Pakt. Sie wird
ihn schützen, außer Landes und möglichst
außer Gefahr bringen; er wird ihr
gehorchen und ihr den großen, anonymen Boss der Camorra
ausliefern, den Mann
ohne Gesicht.
Wie nötig gegenseitiges Vertrauen ist, zeigt sich schon kurz
darauf, als
Unbekannte in nachgemachten Polizeiuniformen versuchen, sich
Cocíss' zu bemächtigen.
Dem ungleichen Paar gelingt zunächst die Flucht nach
Deutschland. Doch fast bis
zum Ende ihrer Mission weiß Rosa nicht, ob Cocíss
sie nicht einfach nur
benutzt - und welche Rolle ihre Vorgesetzten in dem Fall spielen.
Die Camorra spielt vor allem in Süditalien nach wie vor eine
bedeutende Rolle
und bestimmt dort Wirtschaft und Politik massiv mit. Im Kriminalroman
"Camorrista"
werden ihre Macht und die Schnittstellen zwischen Camorra und Polizei,
zwischen
Camorra und Wirtschaft thematisiert. Rosa, zwar bereits
dreißigjährig, doch
noch relativ unerfahren, gerät zwischen die Fronten und muss
ihren eigenen Weg
finden zwischen Gewissen, Pflichterfüllung und Auflehnung
gegen die interne
Disziplin.
Letztlich entscheidet sie ihrem Gewissen gemäß. Das
bringt sie in eine gefährliche
Lage, denn nun decken ihre Vorgesetzten sie nicht mehr, und sie liefert
sich im
Grunde dem 18-jährigen Ganoven Cocíss aus.
Zwischen Cocíss und ihr entwickelt sich eine eigenartige
Beziehung, zunächst
von gegenseitiger Verachtung geprägt, dann von beginnendem
Respekt und sogar
etwas wie Zuneigung. Doch ein flüchtiges Wort kann diese zarte
Bindung zerreißen,
und Rosa findet sich ganz allein wieder mit all ihrer Verantwortung und
einem
Wissen, das eine kleine Polizistin eigentlich nicht haben sollte.
Giampolo Simi spielt mit Stimmungen, mit dem Zauber und Rätsel
zwischenmenschlicher Bindungen. Vor allem versteht er es, die
komplizierte
Psychologie zwischen einem jungen Gewalttäter und einer
Polizistin mit
vielerlei komplexen privaten Problemen zu analysieren und
glaubwürdig
darzustellen, jenes Wechselbad der Gefühle zwischen tiefer
menschlicher
Abneigung, professionellem Verantwortungsgefühl und diffuser
Zuneigung.
Ein ungewöhnlicher Thriller, stellenweise
mit furiosem Tempo, zum Teil
ein wenig "dümpelnd", immer jedoch mit unterschwelliger
Spannung und
verblüffenden Wendungen in petto!
(Regina Károlyi; 12/2009)
Giampaolo
Simi: "Camorrista"
(Originaltitel "Rosa elettrica")
Aus dem Italienischen von Ulrich Hartmann.
C. Bertelsmann, 2009. 349 Seiten.
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Giampaolo
Simi wurde 1965 in Viareggio geboren. Er arbeitet als
Wissenschaftslektor, Journalist und Autor und wurde mit mehreren
Preisen ausgezeichnet.
Weitere Buchtipps:
Roberto Saviano: "Das
Gegenteil von Tod"
Nach dem sensationellen Erfolg seines Mafia-Erfolgstitels "Gomorrha"
zeigt Roberto Saviano in erschütternden Reportagen die andere
Seite der
Medaille: die Welt jener jungen Italiener, die auf der Seite des
Gesetzes stehen
und doch auch an vorderster Front. Im armen Süden von Italien,
wo jungen Männern
keine große Wahl bleibt, wenn sie einer legalen Arbeit
nachgehen wollen, ist
der Dienst bei der Polizei oder beim Militär oft die einzige
Chance, der
Kriminalität zu entgehen. Savianos namenloser
Erzähler berichtet von
gleichaltrigen Freunden, die sich zu Kampfeinsätzen gemeldet
haben, im Kosovo,
in
Afghanistan oder in Somalia, und von denen viele nur als Tote
zurückgekommen
sind. (Hanser)
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Ulrike Rauh: "Spaziergänge in
Neapel und auf Ischia"
Fasziniert von der Vielfalt und dem Reichtum an Kunstschätzen
sowie der unvergleichlich malerischen Lage am Golf lädt die
Autorin den Leser ein, mit ihr zu Fuß durch "Spaccanapoli",
den Bauch Neapels, zu bummeln, durch stille unterirdische
Gänge zu streifen, den Vesuv zu besteigen, den
neapolitanischen Liedern zu lauschen und einzutauchen in die Heiterkeit
Ischias. Eingebunden in die Spaziergänge ist eine
Liebesbeziehung zwischen der Spaziergängerin und dem
Neapolitaner Alessandro, verbunden mit unerwarteten Schwierigkeiten.
In diesem Buch zeigt die Autorin eigene Bilder, die in kraftvollen
Farben die außergewöhnliche Stimmung
Neapels
und der
Insel Ischia widerspiegeln. (Wiesenburg)
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Raffaele Cantone: "Allein für die Gerechtigkeit. Ein Leben im
Kampf gegen
die Camorra"
Für die neapolitanische Camorra war Raffaele Cantone der
"Feind Nummer
1", lange bevor Savianos "Gomorrha" erschien. Der Staatsanwalt,
der durch seine Prozesse gegen die großen Clans zur
Symbolfigur
des Kampfes
gegen das organisierte Verbrechen wurde, hat seine aufsehenerregende
Biografie
geschrieben. Wie Saviano ist Cantone mitten im Land der Camorra
aufgewachsen. In
dem kleinen Ort Gugliano bei Neapel sind Morde alltäglich, die
Aufstiegschancen
gering. Cantone studiert Jura, als Flucht und aus Protest,
spezialisiert sich
auf Wirtschaftskriminalität, wird schließlich an die
Spitze der
Antimafia-Behörde berufen. Mit seinen akribischen Ermittlungen
setzt er bald
die Bosse der "Casalesi" unter Druck, deckt Netzwerke bis tief in den
Staatsapparat auf, bewegt zahlreiche Camorristi zur Aussage. Fortan ist
sein
Leben auch mit Leibwachen nicht mehr sicher, er muss Drohungen,
Rufmordkampagnen
und Erpressungsversuche ertragen ...
Raffaele Cantone, geboren 1963 in Neapel, befasste sich schon als
Anwalt mit
Wirtschaftskriminalität. Von 1999 bis 2007 war er als
leitender Staatsanwalt
der Antimafia-Behörde in Neapel an allen großen
Prozessen gegen die
Camorra-Clans beteiligt. (Kunstmann)
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Francesco DeFilippo: "Gezeichnet"
Gennarino Sorrentino arbeitet nicht, er
schlägt sich durch. Mit seiner Vespa streift er durch die
ärmlichen Viertel
Neapels, um hier und dort Gelegenheitsaufträge zu erledigen,
die ihm und seiner
Familie ein bescheidenes, aber friedvolles Leben erlauben. Bis zu dem
Tag, an
dem Don Rafele, der Boss der Bosse, einen Auftrag für ihn hat.
Gennarino weiß,
dass sein Leben und das Wohl seiner Familie auf dem Spiel stehen, wenn
er sich
Don Rafeles Anordnungen widersetzt, und sagt zu. Damit nimmt ein wahrer
Albtraum
seinen Lauf, wehrlos gerät Gennarino immer tiefer in einen
Strudel aus kaltblütiger
Kriminalität. Doch erst als seine Familie ihn
verlässt, vermag Gennarino dem
Schicksal die Stirn zu bieten und fasst einen ungeheuerlichen Plan ...
(Lübbe)
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Andreas
Fischer: "Entdeckungsreisen am Mittelmeer.
Der Westen"
Eine Entdeckungsreise in die Hafenstädte und an die
Küsten des Mittelmeers,
die uns im vermeintlich Bekannten so manchen Blickwinkel ganz neu
erschließt.
Eine Schiffsreise von Hafenstadt zu Hafenstadt rund um das Mittelmeer,
Fahrten
entlang der Küstenlinien, das Meer im Blick. Wanderungen auf
Berge, Gipfel und
Vulkane, die Suche nach freier Sicht auf den blauen Horizont,
Rundgänge in den
Hafenvierteln mit ihren Kaianlagen, Lagerhäusern,
Fischmärkten und Lokalen.
Die Reise hat kein festes Ziel, sondern orientiert sich am Verlauf der
mediterranen Küsten und Gegenküsten. So werden
scharfe Kontraste sichtbar,
etwa zwischen einsamen und wilden Abschnitten an der marokkanischen
Küste und
den dicht bebauten Uferregionen in Spanien.
Auch politische Widrigkeiten werden
nicht ausgespart: die
"Schengengrenze"
etwa, die als unsichtbare Mauer
zwischen Afrika und Europa durch das Mittelmeer verläuft,
Konflikte zwischen
Anrainerstaaten, die touristische Übernutzung so mancher
Küstenregionen usw.
Vor allem aber enthält das Buch in Wort und Bild einen
großen Fundus an
(praktischen) Informationen, mit denen sich die Eigenart der
Städte und Dörfer
erklären sowie die von den Menschen veränderte Natur
dechiffrieren lassen. Wer
etwas weiß über Geschichte und Gegenwart von
Landwirtschaft, Fischerei und
Handwerk, über die politischen und gesellschaftlichen
Verhältnisse in diesen Ländern,
der kann auf seinen Reisen mehr sehen.
Diese erste Reise ("Der Westen") führt von Cadiz
nach
Tanger
und
entlang der maghrebinischen Küste bis nach Tunesien,
über Barcelona,
Marseille, Bastia, Neapel, ins südliche Sizilien und nach
Stromboli. (Rotpunktverlag)
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