Michael Jürgs: "Seichtgebiete"

Warum wir hemmungslos verblöden


Aktuelles Thema, wenig erfreuliches Buch

"Dschungelcamp", "Mario Barth", "Big Brother" und das, was man so Volksmusik nennt: Wer die seichte Unterhaltung im Fernsehen, dem die anderen Massenmedien samt Internet in keiner Weise nachstehen, gründlich satt hat, freut sich, dass einmal ausgerechnet ein Journalist dieses sich zunehmend aufdrängende Thema aufgreift.

Jürgs untersucht in seinem Gebiet die Entstehungsgeschichte der Verblödungsindustrie, er zeigt in etlichen Kapiteln die Blüten auf, die mediale Seichtgebiete treiben, und benennt einige Verantwortliche. Auch die Auswirkungen der zielgerichteten Verdummung auf Kinder, schon im Grundschulalter Fallbeispielen zufolge gut sichtbar, beschreibt er ausführlich. Zudem stellt er die wenigen Bastionen seriösen Verlegertums oder Journalismus' dem drögen Einheitsbrei von Selbstbiografien der "B-und C-Promis" und sinnentleerten Sendungen und Artikeln aller Art gegenüber.
Ein Blick auf das Positive, falls vorhanden, rundet das Buch ab. Im Anhang findet der Leser diverse Register.

Es erweist sich als nicht einfach, einen Inhaltsabriss zu Jürgs' Buch zu verfassen. Wer es gekauft hat, weil er oder sie den Journalisten Jürgs schätzt aufgrund seiner früheren Chefredakteurstätigkeit oder früherer Buchveröffentlichungen, wird jedoch schon frühzeitig enttäuscht, denn wenngleich das Problem in aller gebotenen Ausführlichkeit und weit darüber hinaus aufs Tapet kommt, gibt es doch keine Lösungsansätze, und auch der gesamte Aufbau lässt zu wünschen übrig.

Jürgs ist natürlich ein ausgezeichneter Journalist und beherrscht die Mittel der Rhetorik vorzüglich, doch an allen Ecken und Enden zeigen sich Risse im Buchgefüge, weil Stilmittel, Argumente und Themen bis zum Überdruss immer wieder gebraucht werden. Dass im ersten Kapitel das Wort "blöd" als Adjektiv, als Substantiv oder in zusammengesetzten Wörtern, gelegentlich von der Bezeichnung "Deppen" ergänzt, gebetsmühlenartig fast in jedem Satz auftritt, mag der ausdauernde Leser noch verzeihen, weniger hingegen das Fehlen einer klar ersichtlichen Struktur des Buchs und der Kapitel. Da werden ein paar Fallbeispiele ausgewalzt, selten einmal auch Gegenbeispiele, und immer wieder mit dem Etikett "blöd" bepappt, ohne dass Lösungsansätze oder auch eine wirklich logische, wissenschaftliche Analyse zum Zuge kommen. Es darf freilich vermutet werden, dass auch diese Rezension von Jürgs den Stempel "blöd" erhielte, nicht zuletzt, weil sie im Internet erscheint, in dem natürlich Blogs der übelsten Sorte zu Hause und Stümper und Dünnbrettbohrer zuhauf unterwegs sind.

Wohl gemerkt, grundsätzlich stimmt die Rezensentin mit Michael Jürgs durchaus überein. Was in den Massenmedien als Unterhaltung angeboten wird, hat mit Kultur nur in Ausnahmefällen zu tun und dürfte sich, täglich konsumiert, wirklich gut zum Verblöden eignen. Man kennt ja die einschlägigen Formate. Doch die Quotenjäger unter den Programmdirektoren dürfte das wenig scheren, die "Fans" sowieso nicht, und die Moderatoren scheinen vor kaum etwas zurückzuscheuen.

Von einer kritischen Analyse ist das Buch weit entfernt. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und Schimpf- und Hasstiraden keinen gesellschaftlichen oder kulturellen Umbruch. Überzeugung wäre hierzu eher geeignet, doch dazu fehlen eine schlüssige, logische Argumentation und ein klares Konzept. Oder die Rezensentin ist bereits zu sehr verblödet (dank Lektüre von "Cicero", "FAZ" und gelegentlich auch der "Bild" sowie gelegentlicher Dosen von "Wer wird Millionär?"?), um dieses zu erkennen. Daher sollte der gebildete Medienkonsument das Buch kaufen, damit er sich selbst eine Meinung bilden kann - oder es ausleihen, um nicht eventuell wütend über eine gründliche Fehlinvestition zu sein.

(Regina Károlyi; 11/2009)


Michael Jürgs: "Seichtgebiete. Warum wir hemmungslos verblöden"
C. Bertelsmann, 2009. 256 Seiten.
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Michael Jürgs ist Journalist und war u.A. Chefredakteur von "Stern" und "Tempo". Er hat sich mit Biografien (z.B. über Romy Schneider, Axel Springer und Günter Grass) und engagierten Sachbüchern (u.a. "Der kleine Frieden im Großen Krieg", "Alzheimer - Spurensuche im Niemandsland" oder "Wie geht's, Deutschland?") einen Namen gemacht.

Weitere Bücher des Autors (Auswahl):

"Wie geht's, Deutschland? Populisten. Profiteure. Patrioten. Eine Bilanz der Einheit"

Zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer lotete der renommierte Journalist Michael Jürgs die (Schief-) Lage der Nation aus. Wie ist es um die innere Einheit Deutschlands bestellt? Gibt es die vielzitierte Mauer in den Köpfen noch? Ist sie womöglich unüberwindbarer denn je? Die befragten Zeitzeugen antworten vielstimmig, darunter bekannte wie Angela Merkel, Matthias Platzeck, Egon Bahr, Joachim Gauck, Gregor Gysi, Erich Loest, Günther Jauch und Lothar de Maizière. Kein Geschichtsbuch, sondern ein Buch mit vielen Geschichten, die eine authentische Sicht auf ein Land erlauben, das noch immer nach seiner Einheit sucht. (Goldmann)
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"Eine berührbare Frau. Das atemlose Leben der Künstlerin Eva Hesse"
Ihre Schönheit betörte die Männer, und ihre Werke berühren die Menschen. Ängste überschatteten ihr Leben, Depressionen besiegte sie mit ihrer Stärke. Ihre Kunst macht sie unsterblich, und Eva Hesses Skulpturen sind heute Millionen wert. Als Kind von den Nazis vertrieben, aufgewachsen in New York, mit vierunddreißig Jahren gestorben: Eine deutsch-jüdische Biografie - und die Sehnsucht einer jungen Frau nach Ruhm und der großen Liebe.
Eva Hesse war kaum drei Jahre alt, als sie von Hamburg aus per Kindertransport dem Nazireich entkam. Ihre Eltern durften erst drei Monate später Deutschland verlassen. Frühe Verlustangst prägte ihr Leben. In New York, wo sie aufwuchs, brachte sich ihre Mutter um. Ein Alptraum, der Eva zeitlebens bedrückte. Weil sie zwar berührbar schwach, aber ebenso unberührbar stark war, eroberte sie, Frau allein unter Männern, die Kunstszene. Eva Hesse wurde mit ihren sinnlichen Gemälden und Skulpturen berühmt und nach ihrem frühen Krebstod zum Mythos verklärt. (Goldmann)
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