Ekaterina Sedia: "Die geheime Geschichte Moskaus"
Ein
Ausflug in die russische Fantastik
Galina hat schon einige Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken hinter
sich. Ihre Mutter schenkt ihre Aufmerksamkeit lieber der
jüngeren Schwester, die nicht nur viel vorzeigbarer ist,
sondern auch noch hochschwanger. Doch eines Morgens geht Galinas
Schwester ins Bad, und plötzlich schreit ein Kind. Im Bad
liegt das Neugeborene mit durchtrennter Nabelschnur, und das Fenster im
Bad steht offen - von Galinas Schwester keine Spur. Galina sieht die
Dohle auf dem Fenstersims und ist sich sicher, dass es sich bei diesem
Vogel um ihre Schwester handelt, doch sie weiß auch, dass ihr
das kein Mensch glauben wird.
Der Polizist Jakov wird damit beauftragt, die in letzter Zeit zahlreich
verschwundenen Leute zu suchen. Dabei macht er auch Galinas
Bekanntschaft, und für diese ist prägend, dass Jakov
ungläubiger Zeuge wurde, wie ein Passant sich vor seinen Augen
in
einen Vogel
verwandelte. Ist Galina doch nicht so verrückt, wie
alle annehmen?
Diese Frage stellt sich schließlich auch Galina selbst, die
einen Künstler namens Fjodor kennen lernt, der behauptet, mehr
über die Vögel zu wissen.
Alle Drei durchschreiten schließlich das Tor in eine andere
Welt, den so genannten Untergrund, um den Merkwürdigkeiten
dort auf die Spur zu kommen.
Witzigerweise vergleicht die Ankündigung diesen Roman mit Neil
Gaiman, und Gaimans Urteil "Abgründig, dunkel,
außergewöhnlich!" wird dem potenziellen
Leser natürlich auch nicht vorenthalten. Witzig daran ist,
dass genau dieser Vergleich sich beim Lesen von "Die geheime Geschichte
Moskaus" rasch einstellt - allerdings auf nur einer einzigen Ebene. Wie
in "Niemalsland"
("Neverwhere") von Gaiman zieht es die Protagonisten
hier in den Untergrund, wo Figuren aus Märchen und Mythen auf
sie warten und sie begleiten.
Doch wie gesagt: Das war es auch schon mit den Parallelen, so sehr sich
der Vergleich auch aufdrängt. Bei Sedia sind es die russischen
Mythengestalten, die nach und nach in der Vordergrund rücken,
und der Leser macht so die Bekanntschaft mit Rusalkis, Domowoj und
trifft auch auf Prominente der Märchenszene wie beispielsweise
Väterchen Frost.
Die meisten Leser dürften nicht allzu vertraut mit der
russischen Mythologie sein, und allein das ist schon ein Faktor, der
den Roman zu etwas Besonderem und Spannendem macht.
Die Erzählweise des Romans ist im Grunde ebenfalls typisch
russisch. Die Stimmung ist eine grundsätzlich politische, der
Umbruch Moskaus sowie Zu- und Abneigung gegenüber einer
bestimmten Stadt, Region und eben deren Bewohnern schwingt
ständig mit. Den Protagonisten selbst haftet Antiheldentum und
Melancholie an. Und gerade das macht sie zu dreidimensionalen,
realistischen Figuren, die für den Leser, ganz egal, wo dieser
lebt, eine Menge Identifikationspotenzial bieten.
Gerade für einen Erstling sind Aufbau und Sprache von "Die
geheime Geschichte Moskaus" wirklich sehr gelungen, so dass es sich
sicherlich lohnt, Ekaterina Sedia als Autorin russischer Fantastik im
Auge zu behalten.
(Tanja Thome; 04/2009)
Ekaterina
Sedia: "Die geheime Geschichte
Moskaus"
(Originaltitel "The Secret History of Moskow")
Ins Deutsche übertragen von Olaf Schenk.
Klett-Cotta / Hobbit Presse, 2009. 326 Seiten.
Buch
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Lien zur Netzpräsenz der Autorin: https://www.ekaterinasedia.com/.
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Grigori Rjaschski: "Moskau, Bel Étage"
Ein
Jahrhundert russischer Geschichte durchströmt die
Maisonettewohnungen in bester
Moskauer Lage. Mit den Machthabern wechseln die Bewohner, nur Rosa
Mirskaja, die
Frau des Architekten Semjon Mirski, bleibt über all die Jahre
mit Herzenswärme,
gestärkten Tischdecken und jüdischem Gebäck
der ruhende Pol im Leben der
Mirskis und ihrer Nachbarn - über alle familiären
Krisen und historischen Umstürze
hinweg.
Gleich bei den Patriarchenteichen, dort, wo die Geschichte von "Der
Meister und Margarita" ihren Ursprung nahm und wo heute
Moskaus Neue
Mitte erwächst, steht der Inbegriff Moskauer Jugendstils,
erbaut von Semjon
Mirski, Architekt und angesehenes Mitglied der Akademie der
Wissenschaften. Dort
wohnt auch der Erbauer selbst mit seiner Frau, Rosa Markowna Mirskaja,
in
direkter Nachbarschaft zu den hohen Persönlichkeiten der Stadt.
Doch wer angesehen ist und wer nicht, ändert sich mit den
Zeitläufen, und so
verändert sich auch die Nachbarschaft der Mirskis zwischen den
Jahren der
Oktoberrevolution und dem Zusammenbruch der Sowjetunion mehrfach. Und
auch in
der Familie Mirski geraten die jüdischen Traditionen von einer
Generation zur nächsten
immer mehr ins Wanken, wäre da nicht der beharrliche Wille der
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und Urgroßmutter Rosa, die mit unendlicher Geduld die Familie
zusammenhält.
Angelehnt an die Geschichte der russisch-jüdischen Familie
Ginzburg, der er
selbst wie auch seine Cousine
Ljudmila
Ulitzkaja entstammen, entwirft Grigori Rjaschski ein
lebendiges Panorama der
russischen Gesellschaft im Wandel der Zeiten - in dessen Mittelpunkt
Rosa
Markowna, erhaben über die Unbill der Geschichte. (Kiepenheuer
& Witsch)
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Karl
Schlögel: "Terror und Traum. Moskau
1937"
Moskau 1937: Die sowjetische Metropole auf dem Höhepunkt der
stalinistischen
Diktatur. In einem Orkan der Gewalt geht eine Gesellschaft
vollständig
zugrunde. Karl Schlögel rekonstruiert Monat für
Monat, wie sich der Terror
eines Notstandsregimes zum "Großen Terror" steigerte, dem
binnen
eines Jahres anderthalb Millionen Menschen zum Opfer fielen. Doch damit
ist noch
nicht die ganze Geschichte erzählt: Im Schatten des Terrors
will das Regime um
Stalin eine neue Gesellschaft aufbauen. Gestützt auf zahllose
Dokumente,
vergegenwärtigt Schlögel in seinem historischen
Meisterwerk eine Zeit, in der
Terror und Traum fließend ineinander übergingen.
(Hanser)
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John
E. Bowlt: "Moskau & St. Petersburg. Kunst, Leben &
Kultur in
Russland 1900-1920"
Die Geschichte Russlands oszillierte durch die Jahrhunderte
zwischen Europa und Asien, mit zwei rivalisierenden Städten im
Zentrum: St.
Petersburg, das nach Westen blickte, und Moskau, mit Blick Richtung
Osten. Der
Zar wurde in Moskau gekrönt, regierte aber von St. Petersburg
aus. Um 1900,
kurz vor dem Niedergang des zaristischen Russland, erreichten mit dem
"Silbernen
Zeitalter" Russlands Kunst, Literatur und Theater eine
überwältigende Blütezeit.
Die Synthese aller Künste in den Produktionen von Diaghilevs
Russischem Ballett,
Stanislavskys bahnbrechende Inszenierungen Tschechows oder
Malewitschs
revolutionäres "weißes Quadrat auf weißem
Feld": Die überwältigende
Originalität der russischen Kunst in dieser überaus
produktiven Periode, die
mit der Sovietära ein jähes Ende fand, erreichte den
Westen über die
russische Diaspora von Künstlern wie Chagall, Kandinsky,
Nijinsky und vielen
vielen Anderen. (Brandstätter)
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Darja
Evdočuk: "Moskau
und St. Petersburg. Streifzüge durch die russischen Metropolen"
Moskau und St. Petersburg waren bereits in der Vergangenheit die
pulsierenden
Zentren russischer Geschichte und Kultur, und sie sind es bis heute.
Unzählige
Museen und architektonische Meisterwerke laden ein, eine lebendige
Kulturszene
und ein ausgedehntes Nachtleben ziehen Besucher aus der ganzen Welt an.
Der Reiseführer bietet alle wichtigen Hintergrundinformationen
zu Geschichte
und Kultur und präsentiert ausführlich alle
Sehenswürdigkeiten. Auch die
Umgebungen der Städte mit ihren prachtvollen Klöstern
und Zarenresidenzen
werden vorgestellt.
Zahlreiche Stadtspaziergänge, Tipps zu Unterkünften,
Restaurants, Museen sowie
U-Bahn-Pläne und viele Stadtpläne machen diesen
Reiseführer zu einem
praktischen Begleiter. (Trescher Verlag)
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Monica
Rüthers, Carmen Scheide
(Hrsg.): "Moskau. Menschen - Mythen - Orte"
Keine europäische Stadt verändert sich so schnell wie
Moskau. Der historisch fundierte und kulturgeschichtlich ausgerichtete
Stadtführer
zeigt, dass Moskau nicht nur aus goldenen Kuppeln und dem Roten Platz
besteht.
Wo früher Menschen in langen Schlangen für
defizitäre Waren anstanden,
glitzern heute die Auslagen der Luxus-Boutiquen. Das Buch schildert die
Lebenswelten der Moskauer, die in Gemeinschaftswohnungen aufwachsen und
die
Erfahrung des Großen Vaterländischen Krieges, von
Mangelwirtschaft und langen
Nächten am Küchentisch teilen. Es zeigt die russische
Hauptstadt und ihre
Liedermacher, die Gartenstadt Sokol, und es führt an
Erinnerungsorte des
sowjetischen Totenkults; Kriegserinnerungen werden in der
"Heldenstadt" wachgehalten. Es finden sich auch Wege zu Okkultismus,
zur Konsumkultur, zur Stalinarchitektur und zur Geschichte des
Plattenbaus, zur
Metro, zu den Bahnhöfen und zum Palast der Sowjets. Der Leser
kann die Orte der
Rockbewegung in
der Zeit der Perestroika aufsuchen oder sich auf die
Spuren jüdischer
Geschichte begeben. Auch die Erinnerung an die politische Verfolgung
Andersdenkender wird lebendig. (Böhlau Köln)
Buch
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Werner
Huber: "Moskau - Metropole
im Wandel. Ein architektonischer Stadtführer"
Moskau, einst kommunistische Welthauptstadt, entwickelt
sich immer mehr zu einer modernen, schillernden kapitalistischen
Metropole. Das
Fundament, auf dem sich dieser Wandel abspielt, ist das sowjetische
Moskau,
welches von Stalin, Chruschtschow und Breschnew geprägt ist.
Der
architektonische Stadtführer zeichnet die Entwicklung der
Stadt von den
mittelalterlichen Ursprüngen bis heute nach. Der Schwerpunkt
liegt dabei auf
der Zeit nach 1935, als der "Stalin-Plan" die Entwicklungsrichtung der
sowjetischen Hauptstadt festlegte. Thematisch gegliederte Kapitel wie
"Moskau um 1935", "Massenwohnungsbau" oder die "Fassade
einer Weltmacht" stellen die wichtigen Bauten und Ensembles in den
Zusammenhang der politischen und wirtschaftlichen Hintergründe
ihrer
Entstehungszeit. Die tiefgreifenden Veränderungen der Zeit
nach 1991 bilden den
Schlusspunkt des Buches und sind zugleich Gegenstand einer kritischen
Auseinandersetzung mit dem Moskauer Bauwesen der Gegenwart. Zahlreiche
historische und zeitgenössische Fotos und Pläne
reichern die kurzen, leicht
verständlichen Texte an. Sie zeigen den Wandel der Stadt in
all seinen Facetten
und erweitern das Zuckerbäcker- und Zwiebelturm-Bild, das
herkömmliche Reiseführer
vermitteln. Wer weiß, wie sich Moskau als Zentrum des
sowjetischen Imperiums
entwickelt hat, versteht, was die russische Hauptstadt heute ist - und
kann
abschätzen, wie sie sich in Zukunft weiter wandeln wird.
(Böhlau Köln)
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Warlam
Schalamow: "Durch
den Schnee. Erzählungen aus Kolyma 1"
Schalamows Erzählungen gehören zu den
herausragendsten Leistungen der
russischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Der Autor geht darin einer
Schlüsselfrage unserer Gegenwart nach: Wie können
Menschen, die über
Jahrhunderte in der Tradition des Humanismus erzogen wurden, Auschwitz,
Kolyma
hervorbringen? Schalamow zieht den Leser der "Erzählungen aus
Kolyma",
deren erster Zyklus in diesem Buch versammelt ist, in die Gegenwart des
Lageralltags hinein, ohne Hoffnung auf einen Ausweg:
"Viele Kameraden sind gestorben. Aber etwas, das
stärker ist als der
Tod, ließ ihn nicht sterben. Liebe? Erbitterung? Nein. Der
Mensch lebt aus
denselben Gründen, aus denen ein Baum, ein Stein, ein Hund
lebt."
(Matthes & Seitz)
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Warlam
Schalamow: "Linkes
Ufer. Erzählungen aus Kolyma 2"
Mit "Linkes Ufer" wird die Werkausgabe
von Warlam Schalamow
fortgesetzt.
Die "Erzählungen aus Kolyma", deren zweiter Zyklus in der
Übersetzung von Gabriele Leupold hier veröffentlicht
wird, sind Weltliteratur.
Warlam Schalamow, 1907 im nordrussischen Wologda als Sohn eines
orthodoxen
Geistlichen geboren, ging 1924 nach Moskau, um dort "sowjetisches
Recht" zu studieren. 1929 wurde er wegen "konterrevolutionärer
Agitation"
(Artikel 58) zu Lagerhaft im Ural verurteilt. 1931 kehrte er nach
Moskau
zurück, wo er 1937 zum zweiten Mal verhaftet wurde. Es folgte
die Deportierung
in die Kolyma-Region um den gleichnamigen Fluss im Nordosten Sibiriens.
1956
durfte er nach Moskau zurückkehren, wo er 1982 starb. (Matthes
& Seitz)
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Nina
Lugowskaja: "Ich
will leben"
Was bewegt ein junges Mädchen im Moskau der 1930er-Jahre? Der
ganz normale
Alltag mit Liebeskummer, Schulproblemen und Weltschmerz findet auch in
Stalins
Sowjetunion statt. Die Politik jedoch macht nicht vor der
Haustür halt. Die
Angst vor einer Verhaftung des Vaters lässt Nina zu einer
scharfsinnigen
Kritikerin des stalinistischen Regimes werden. Ihre kompromisslosen
Notizen
werden ihr schließlich zum Verhängnis: Mit 18 Jahren
wird sie verhaftet und für
fünf Jahre in ein Arbeitslager geschickt. Ihre
Tagebücher sind eine wichtige
Ergänzung zur offiziellen Geschichtsschreibung.
Nina Lugowskaja wurde 1918 in Moskau geboren. Mit dreizehn Jahren
begann sie
ihre Tagebuchaufzeichnungen, die bis 1937 reichen, als man sie und ihre
Familie
nach Kolyma deportierte: Der sowjetische Geheimdienst warf Nina vor,
ein
Attentat auf Stalin geplant zu haben. Sie überlebte das
Arbeitslager und
heiratete einen ehemaligen Strafgefangenen. Später arbeitete
sie als Malerin
und Bühnenbildnerin und starb 1993, ohne je nach Moskau
zurückgekehrt zu sein.
(dtv)
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Michail
Ryklin: "Kommunismus
als Religion. Die Intellektuellen und die Oktoberrevolution"
Die Bolschewiki inspirierte der Glaube - eine Art weltliche Religion -
an die Möglichkeit
einer radikalen Umgestaltung der rückständigen
bäuerlichen Gesellschaft. Von
Anfang an erklärten sie der Orthodoxie den
unversöhnlichen Krieg,
installierten ein System von kommunistischen Riten und betrieben eine
effektive
Propaganda der Errungenschaften des neuen Regimes. Zentrum des
sowjetischen
Kultus wurde das Leninmausoleum: dort liegt bis zum heutigen Tag der
einbalsamierte Leichnam des toten Parteiführers.
In den 1930er-Jahren kommt es zu seiner Vergöttlichung, wird
im Recht die
"Schuldvermutung" eingeführt, in der Kunst ein einheitlicher
Stil
(der Sozialistische Realismus) verordnet und der Sowjetpatriotismus
eingepflanzt.
Keine weltliche Religion des 20. Jahrhunderts kann sich in ihrer
Anziehungskraft
für die Intellektuellen mit der kommunistischen (Raymond Aron
nannte sie das "Opium
für die Intellektuellen") vergleichen. Die
Gründe dieser Verzauberung
zu klären ist die wichtigste Aufgabe des Buches. Was am
ursprünglichen
revolutionären Glauben und seiner Kultur erschien
Walter
Benjamin, André Gide,
Lion Feuchtwanger,
Bertolt Brecht und vielen Anderen als ungewöhnlich
wertvoll
und sogar einzigartig?
Michail Ryklin zeichnet die Konturen des kommunistischen Glaubens, die
Funktionsweise des Kommunismus als Religion nach. (Verlag der
Weltreligionen)
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Evelyn
Scheer, Andrea
Hapke: "Moskau und der Goldene Ring. Altrussische Städte an
Moskva,
Oka und Volga"
Moskau mit dem Kreml und den mächtigen
Kirchen zieht seit jeher Reisende in
ihren Bann. Die altrussische Baukunst, die die wechselvolle
Vergangenheit Russlands
widerspiegelt, prägt auch die Städte im "Goldenen
Ring" rings um die
Hauptstadt. Entlang der Oka und der Volga haben sich mittelalterliche
Festungsanlagen und Handelsstädte zu Kunstzentren entwickelt,
die mit
herrlichen Bauwerken und Kirchenschätzen beeindrucken.
Der Reiseführer bietet neben detaillierten Informationen zu
Geschichte und
Gegenwart Russlands umfangreiche praktische Reiseinformationen.
(Trescher Verlag)
Buch
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Heike
Maria Johenning: "Moskau"
Die Stadt, die einmal Mongolenstolz, Zarenhochburg und Welthauptstadt
des
Kommunismus war, ist heute eine pulsierende
asiatisch-europäische
10-Millionen-Metropole. Neben dem bekannten Moskau mit Kreml, Rotem
Platz,
Tretjakow-Galerie und Neujungfrauenkloster wird auch das unbekannte
beleuchtet:
Teeclubs, Wohnhausmuseen, Stadtstrände, Galerien und
Souvenirgeschäfte für
Sowjetnostalgiker. Auch Orte, die bislang in keinem deutschsprachigen
Moskau-Führer
zu finden sind, werden wieder lebendig: Lenins Landsitz, die
Revolutionsdruckerei von 1905 und das Lomakow-Oldtimer-Museum.
Sieben Stadtspaziergänge führen zu den kulturellen
Höhepunkten, praktische
Tipps und ein Internetverzeichnis mit über 70 Liens
erleichtern die
Orientierung im russischen Reisealltag.
Architektonische Rundgänge erschließen das Erbe der
russischen
Revolutionsarchitektur (1920er-Jahre), des Moskauer Jugendstils und der
Stalin-Monumentalbauten und zeigen die unterschiedlichen Facetten einer
Weltstadt mit fast 900-jähriger Geschichte. (Reise Know-How
Verlag Peter Rump
GmbH)
Buch
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Matthias
Schepp: "Gebrauchsanweisung
für Moskau"
Matthias Schepp kennt die Machtspiele im Kreml genauso gut wie die in
Moskaus
Eishockeyteam. Er erzählt von Künstlern und
Neureichen, vom Mythos
Datscha,
einem Abend im prächtigsten Restaurant Europas und der
schönsten Metro der
Welt.
Moskau für Einsteiger und Fortgeschrittene: Matthias Schepp
zeigt uns, wie
Russen ihre Kinder erziehen. Welche Geheimnisse auf dem Roten Platz zu
entdecken
sind. Warum der Straßenverkehr wie ein Brennglas den
Charakter der Moskauer
aufscheinen lässt. Worin sich die heiße Club- und
Diskoszene von der in
Barcelona oder Berlin unterscheidet. Wie die Moskauer heiraten und wie
sie ihre
Toten ehren. Wie sich die Stadt zwischen Stalin-Wolkenkratzern,
Plattenbauten
und Adelspalästen neu erschafft. Warum Inseln und
Schlösser auf Moskaus
Millionärsmesse der Renner sind. Wie die orthodoxe Kirche ihre
Macht ausübt.
Was man beim Wodkatrinken wissen sollte und weshalb Sie in der Banja,
der
russischen Sauna, unbedingt einen Filzhut tragen müssen.
(Piper)
Buch
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Valeria
Jäger, Erich Klein
(Hrsg.): "Europa erlesen. Moskau"
Moskau - das ist der Kreml. Die russische Literatur aber, in und
über Moskau,
schreibt gegen den Kreml, den gordischen Knoten der russischen Seele,
an. Seit
Jahrhunderten beschäftigt die Burg am steilen Ufer der Moskwa
mit ihren roten
Ziegelmauern, Zinnen und Türmen Russen wie
ausländische Betrachter.
Das wirkliche Moskau ist natürlich alles Andere -
außer dem Kreml. Moskau -
das sind die Küchen und Hinterhöfe, die weiten
Prospekte, die im Jännerfrost
erstarrten Rauchfahnen quer über den Himmel, oder der Flug der
Pappelsamen im
Juli, der die Stadt in einen besinnungslosen Taumel versetzt, dem sich
keiner,
der ihn einmal erlebt hat, je wieder entziehen kann. Selbst der Kreml
erscheint
dann fast menschlich - ein mächtiges und trauriges Verlies.
Mit Beiträgen von: Anna Achmatowa, Michail Aisenberg, Genadij
Ajgi, Andrej Bely,
Walter
Benjamin, Napoleon Bonaparte, Bertolt
Brecht, Joseph
Brodsky,
Michail
Bulgakow,
Lewis
Carroll, Giacomo Casanova, Velimir Chlebnikov, Wladislaw
Chodassjewitsch, Igor Cholin, Simone
de Beauvoir, Astolphe de Custine,
Antoine
de Saint-Exupéry, Ilja Ehrenburg, Assar Eppel,
Egon Erwin Kisch,
Lion
Feuchtwanger, Max
Frisch, Sergej Gandlevskij,
Gabriel
García Márquez, André Gide,
Nikolai
Gogol, Natalja Gorbanjewskaja,
Wassilij
Grossman, Boris
Groys, Alexander
Herzen, Hugo Huppert, Ilja Ilf und Jewgeni Petrow, Wsewolod Iwanow,
Wenedikt
Jerofejew,
Viktor
Jerofejew, Sergej Jessenin, Jewgeni Jewtuschenko, Wolfgang
Koeppen, Nikolai Koljada, Pjotr Kropotkin,
Michail Lermontow, Wladimir
Majakowskij,
Ossip Mandelstam,
Rainer Maria Rilke, Wsewolod Nekrassow,
Pablo
Neruda, Adam Olearius, Jurij Olescha, Alexander Ostrowskij,
Boris Pasternak,
Boris Pilnjak, Alexander Pjatigorskij, Andrej Platonow, Jewgenij Popow,
Dmitri
Prigow, Alexander
Puschkin, Wassilij Rosanow, Genrich Sapgir, Olga Sedakowa,
Claude Simon,
Alexander Sinowjew, Jan Skacel, Sigismund zu Herberstein, Boris
Slutzkij,
Alexander Solschenizyn,
Vladimir
Sorokin, Wladislaw Todorow, Alexej Tolstoi,
Leo
Tolstoj,
Anton
Tschechow, Lydia Tschukowskaja, Andrej Turkin, Filofej von
Pskow, Ruth von
Mayenburg, Wladimir Woinowitsch, Wladimir Wyssotzkij,
Stefan Zweig,
Marina
Zwetajewa. (Wieser Verlag)
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Leseprobe:
2. Jakov
Jakov hatte noch nie leiden können, wie er
aussah. Irgend wie zu gewöhnlich, da war nicht einmal der
Hauch des englischen
Gentleman, den vorzustellen er eigentlich von sich erwartete. Von jeder
spärlichen
Linie seines kleinen, spießigen Körpers bis hin zum
letzten borstigen Haar auf
seinem Haupt schrie sein Anblick der Welt entgegen: 'Seht her, ein
russischer
Bauer!' Die Reaktion der Welt darauf war ungehalten, und sie
stieß ihn von
sich. In Moskau zeigte sich dieses Stoßen besonders heftig.
"Limitschik" - so nannte man Leute wie
ihn. In Moskau zu wohnen war den Moskowitern vorbehalten sowie einer
begrenzten
Zahl von Zugezogenen. Geborene Moskowiter betrachteten die Zugezogenen
herablassend und mit Abscheu, was Jakov überrascht hatte, als
er, mit gerade
zehn Jahren, hergekommen war. Zwanzig Jahre später schien der
Hass sich nicht
vermindert zu haben. Allmählich vermutete er, dass er niemals
zum Eingesessenen
werden würde.
Jakov stand in Unterhose und Feinripp vor dem
Fenster und schaute auf die Pappel,
die nicht ganz bis zu ihm an den
sechsten
Stock heranreichte. Obendrauf war ein Krähennest, und der
aufkommende Wind
schwenkte es hin und her. Jakov machte sich Gedanken über die
Sicherheit der
beiden jungen Krähen im Nest. Die Eltern waren nirgends zu
sehen, und die
Jungen quäkten, als die ganzen Zweige und Äste und
gelegentlichen Büschel mit
dem Wipfel vor und zurück geschaukelt wurden. Jakov fragte
sich, ob den kleinen
Vögeln wohl schlecht würde. Was sie im September noch
im Nest machten?
"Jascha!" , rief seine Mutter aus der Küche.
"Frühstück!"
Er zog sich die an den Knien ausgeleierte
Trainingshose mit den ausgewaschenen roten Streifen hoch. In seinem
Leben waren
zu viele Sachen rot und ausgewaschen - eine davon, in Gestalt des
Morgenmantels
seiner Mutter, ging mit der verzweifelten Energie eines Uhrwerks
zwischen Herd
und Küchentisch hin und her.
"Nur die Ruhe, Mama", sagte Jakov und tätschelte
der alten Frau die Schulter. Er betrachtete sie stets als alt, und an
ihren
Geburtstagen war er immer erschrocken, wenn ihm aufging, dass sie kaum
fünfzig
war. "Heute ist Sonnabend, kein Grund zur Hektik."
"Ich wollte mich noch mit Lida treffen, wir
gehen zum Friedhof", sagte sie. "Deine Großeltern besuchen.
Und die
Gräber müssen auch gesäubert werden, bei dem
vielen Laub."
"Es ist Herbst. Morgen fällt wieder was
drauf."
"Gräber muss man sauber halten", gab
sie störrisch und knapp zurück. "Iss!"
"Warte nicht auf mich. Mach du nur, was du
meinst."
Sie seufzte. "Kommst du denn zurecht?"
"Na klar doch." Er brauchte sich nicht
aufzuregen. Sie machte sich ständig Sorgen, diese Angewohnheit
würde sie nicht
mehr los. Geduld , sagte er zu sich. Du
bist jetzt hier der
Erwachsene, auch wenn sie es nicht bemerkt . "Geh nur, mach
das. Viel
Spaß. Mit den Gräbern."
Sie verzog das Gesicht. "Man muss sich um
die Toten kümmern."
Er wusste, dass streiten keinen Sinn hatte. Dass
es keinen Sinn hatte, ihr zu erklären, dass
sie die Einzige war, der diese endlose, undankbare, sinnlose Schufterei
auf dem
Friedhof Trost spendete. Den Toten war das egal. Jakov trank seinen Tee.
Seine Mutter zog sich in ihr Zimmer zurück,
klapperte mit den Schranktüren und schob Polyestersachen hin
und her. Er
schmierte sich ein Brot mit Butter und dicken, stark riechenden
Käsestückchen
voller Löcher. Hoffentlich war er bald allein, dachte er und
schämte sich dafür.
Sie kam, bewehrt mit geblümtem Stoff und
strengen, schwarzen Schuhen in die Küche. "Es würde
dich nicht umbringen,
deine Großeltern einmal zu besuchen."
Großeltern. An seine Oma konnte er sich schwach
erinnern, an seinen Großvater überhaupt nicht. Seine
Mutter ebenso wenig. Sie
wusste nur, dass er Engländer war. Dann gab es noch halb
vergessene Geschichten
und Schlussfolgerungen, aber sicher war allein seine
Nationalität. Die und die
Tatsache, dass er sechs Monate lang, zwischen Mai und November 1938,
als
englischsprachiger Korrespondent beim Radio gearbeitet hatte. In dieser
kurzen
Zeit hatte er Oma geheiratet und geschwängert und war prompt
exekutiert worden
- oder, wie sie es unter Chruschtschow nannten, der Repression zum
Opfer
gefallen. Keiner wusste so genau, was da in dem Grab mit seinem Namen
drauf
verscharrt lag und wie es dorthin gekommen war, aber so neugierig war
man nun
auch wieder nicht.
"Ich bleibe heute lieber zu Hause, Mama",
sagte er. "Vielleicht nächste Woche. Dann können wir
auch in die Kirche
gehen, wenn du willst." Sie besänftigen, eine sofortige kleine
Unannehmlichkeit gegen eine größere tauschen, die
aber erst später kam.
Clever.
"Wir schauen mal, Jascha." Es wirkte.
"Ich bin bald wieder da."
Er trank den inzwischen erkalteten Tee aus und
fand sein Fernglas. So konnte er die weit aufgerissenen, mit Eidotter
umrandeten
Schnäbel in stillem Gekreisch sehen.
Der Wind wurde stärker. In gelben Wirbeln blies
er die Blätter aufwärts und ließ sie dann
wieder zu Boden sinken. Er wehte
durch das trockene Gras auf der Brachfläche hinter der
Kinderkrippe, die man
von Jakovs Fenster aus sehen konnte, er pfiff durch die leeren
Flaschen, die
zwischen den abblätternden Bänken herumlagen, zerrte
am Fell der Hunde,
die
durch den getrockneten Schlamm und die Heubüschel in diesem
Niemandsland
rannten, und ihre Herrchen klappten die Krägen hoch und
zündeten sich
Zigaretten an, die kleinen Streichholzflammen in der
Handfläche geborgen, fachmännisch
die Schultern als Puffer gegen den Wind gestellt.
Jakov beobachtete einen jungen Mann, der einem
schottischen Terrier nachlief. Der Hund, ein einziges verschwommenes
Gewusel,
rannte im Kreis und entwischte mit Leichtigkeit seinem Besitzer, obwohl
seine
kurzen Beine unter dem zotteligen Fell kaum zu sehen waren. Dem jungen
Mann
flatterte die Jacke, als er dem Hund hinterherjagte , schimpfend seinen
Namen
rief. Ein Windstoß erwischte ihn im Rücken, brachte
ihn in linkisches Stolpern
und warf ihm die Jacke über den Kopf. Der Mann wollte sich
davon befreien, mühsam
wand er sich und schlug mit den Armen, da kam ein neuer
Windstoß und hob ihn in
die Luft. Jakov ging dichter ans Fenster, so ganz traute er seinen
Augen nicht,
aber er war viel zu zufrieden über diesen Sonnabend alleine,
als dass er
wirklich überrascht oder gar erschreckt war. Die Arme des
Mannes bewegten sich
schneller, die Jacke wurde länger. Seine
Füße schrumpften vom Boden weg,
wurden zu winzigen Vogelklauen, und er schwebte, halb Mensch, halb.
Jakov beobachtete die anderen Leute und Hunde,
aber niemand schien besorgt zu sein oder das seltsame Verhalten des
jungen
Mannes auch nur zu bemerken. Nur der Terrier hörte auf zu
rennen und setzte
sich hin, legte den Kopf fragend schief und verfolgte irgendetwas hoch
oben in
der Luft. Und dann fiel Jakov auf, dass der junge Mann fort war, und
nur eine Krähe
flatterte über dem leeren Grundstück mit den
Flügeln, verfolgt von einem
jaulenden schottischen Terrier, der seine Leine durch den Schlamm zog.
An Montagen hatte er immer so ein Unwohlsein und
ein Zerren in der Brust und das Verlangen, sich tief in seine Kissen zu
vergraben und einfach zu schlafen. Stattdessen stand er um
fünf Uhr morgens auf
und ging zur Arbeit. Der Bus war besetzt mit schläfrigen
Bürgern, die zu
dieser gottlosen Stunde, da die Seele, noch sanft vom Schlaf,
anfällig gegen
Licht, Lärm oder ein unfreundliches Wort war, niemandem ins
Auge sehen wollten.
Jakov stellte sich wie seine Landsleute schlafend und verbarg das
Gesicht im
aufgestellten Kragen seiner Uniform.
Sobald er die Augen schloss, wehte ein Wind, und
Jacken drehten sich auf links, Hunde bellten und
Krähen
krächzten. Diese
Szene, die er beobachtet hatte, konnte er einfach nicht einordnen, und
er
beschloss, sie als Halluzination oder obskure optische
Täuschung abzutun. Er
verscheuchte den Gedanken und lenkte sich ab, indem er sich um eine der
Krähen
kümmerte. Sie war aus dem Nest gefallen, und Jakov hatte die
Nacht und den
ganzen Sonntag damit verbracht, abwechselnd den Vogel zu versorgen und
seine
Mutter zu überzeugen, dass Krähen einem nicht die
Augen auspicken. Jetzt
musste er lächeln, als er an die im Kreis verlaufende
Argumentation dachte.
(...)