Asta Scheib: "Das Schönste, was ich sah"
Giovanni
Segantini und Luigia Bugatti:
Der Roman eines Künstlerlebens und einer
ungewöhnlichen Liebe
Das vorliegende Buch der Schriftstellerin Asta Scheib zeigt die Autorin
mit
der Vorliebe für historische Sujets wieder einmal von ihrer
allerbesten Seite.
So wie schon bei ihren früheren historischen Romanen hat sie
sehr sorgfältig
recherchiert.
"Es geht um einen Maler", sagt sie selbst
über ihr Buch, "einen
Maler, der im vorigen Jahrhundert gelebt hat und der ein sehr
interessantes,
starkes Leben hatte. Das ist Giovanni Segantini. Er wurde in Arco
geboren,
damals Österreich, und kam dann nach Mailand, auf die
Hochschule. Dort hat er
wirklich Malerei studiert. Als er 40 war, wurde er
weltberühmt, und dann starb
er. Also, eine ganz tragische Geschichte."
Mit vielen Nachkommen dieses außergewöhnlichen
Landschaftsmalers, der schon zu
Lebzeiten die europäische Kunstszene begeisterte, hat Asta
Scheib lange und
persönliche Gespräche geführt und ist so zu
ganz intimem Material gelangt,
dessen Reichtum der endgültigen Romanfassung eine Sprache,
einen Stil und
Inhalt gibt, dass man als Leser denkt, die Autorin sei sozusagen als
unsichtbare
Chronistin immer schon in Giovanni Segantinis Leben gewesen.
Dieses Leben beginnt eher trostlos. Der spätere Maler
wird in arme und kärgliche Verhältnisse
hineingeboren. Die Kindheit, die ihm
bei seiner Geburt bevorsteht, ist ein einziger Weg des Leidens und
erlittener,
zum Teil unsäglicher Qualen. Seine Mutter ist seit seiner
Geburt schwer krank,
und sie stirbt, als Giovanni noch ganz klein ist. Sein Vater ist dem
Alkohol
verfallen, kann sich nicht um seinen Sohn kümmern und gibt ihn
zu Verwandten,
die aber auch keine positiven Gefühle für ihn
übrig haben. Im Gegenteil,
Giovanni kommt nach seiner Flucht von seiner Halbschwester Irene in
eine
Besserungsanstalt für Jugendliche, und dort erlebt er eine
Hölle von körperlicher
und seelischer Gewalt. Sein außergewöhnliches Talent
im Malen
und Zeichnen
wird dort allerdings auch bemerkt und in Maßen
unterstützt.
Irgendwann kann er diese Zuchtanstalt jedoch verlassen und wird an der
Kunstakademie in Mailand zum Studium angenommen. Seine Arbeitsproben
sprechen für
sich.
In diese Zeit fällt die Bekanntschaft mit Luigia Bugatti,
einer sechzehnjährigen
Frau aus wohlhabendem Haus an der Schwelle zum Erwachsenwerden.
Giovanni malt
sie, wieder und immer wieder. Er verliebt sich in sie, wirbt um sie und
lässt
sich eines Tages von der jungen Frau, die sich ihrerseits in den Maler
verliebt
hat, verführen.
Gegen alle Erwartungen und damaligen gesellschaftlichen Gepflogenheiten
stimmen
Luigias Eltern zu, dass ihre Tochter die Lebensgefährtin des
mittellosen Künstlers
wird. Doch Bice, wie er sie sein Leben lang zärtlich und
liebevoll nennen wird,
wird ihn nie heiraten können. Giovanni hat den Wehrdienst
verweigert, ist vor
der Kaserne geflohen und hat seine Staatszugehörigkeit
darüber eingebüßt.
Staatenlos und ohne Pass wird er lange Jahre überall, wo er
sich mit seiner
Familie niederlassen wird, nur geduldet sein, immer mit der Angst vor
Ausweisung
und Verhaftung lebend.
Doch Luigia Bugatti liebt ihn über alles, bekommt vier Kinder
von ihm und ist
ihm eine liebevolle und treusorgende Ehefrau bis zu seinem Tod.
Das Leben der beiden ist nicht leicht; es ist geprägt von
ständigen Geldsorgen
und häufigen Wohnungs- und Ortswechseln.
Resultieren die Geldnöte zu Beginn noch aus der Tatsache, dass
kaum jemand
Segantinis Bilder haben will und sein Freund und Agent in Mailand ihn
immer
wieder übervorteilt, so haben sie auf dem Höhepunkt
seines Ruhmes, als seine
Bilder ihm zu wahnsinnigen Preisen regelrecht aus der Hand gerissen
werden, ihre
Ursache in seiner Unfähigkeit mit Geld umzugehen. Hat er
welches, macht er
insbesondere Bice wertvolle Geschenke, die sich auch darüber
freut, dennoch der
nächsten Durststrecke bang entgegensieht.
Überhaupt ist es faszinierend zu lesen, wie diese Frau ihrem
geliebten Mann
durch dick und dünn beisteht, seine Schwächen
akzeptiert und ihm damit den
Boden für seine erfolgreiche Kunst bereitet. Ohne sie
wäre der Maler Segantini
undenkbar, das zeigt Asta Scheib in ihrem wunderbaren Roman, der die
Familie auf
ihrem unruhigen und sorgenvollen, immer wieder aber auch
überglücklichen Weg
durch das Leben begleitet, in sehr sympathischer Weise.
Doch es ist nicht nur ein Familienroman, eine
Liebesgeschichte
und die Schilderung eines Künstlerschicksals, sondern der
Roman ist auch
kunstgeschichtlich beeindruckend. Asta Scheib hat sich in Segantinis
Bilder
vertieft, ist in ihnen aufgegangen. Zusammen mit den offiziellen und
inoffiziellen Quellen, die sie bei ihren Recherchen angezapft hat, ist
es ihr so
gelungen, nicht nur eine Künstlerexistenz darzustellen,
sondern sie hat einen
bewegenden Roman einer
Beziehung
zwischen einem Mann und einer Frau, wie sie so vielleicht heute nicht
mehr möglich
wäre, geschrieben.
Dabei achtet Asta Scheib auf jedes erdenkliche Detail, nicht nur in den
leuchtenden Landschaftsbeschreibungen der Schweiz,
sondern auch in der Schilderung der Umstände dieses Lebens und
Paares und der
damaligen Zeit ist sie regelrecht versessen auf das Detail.
Was sie
fasziniert hat:
"Meine Romanfiguren haben alle gemeinsam, dass sie in ein
Schicksal
hineingeboren worden sind, was ihnen nicht gemäß
ist. Und ich beschreibe dann,
wie sie mit aller Kraft versuchen, sich ihre Stelle, die richtige
Stelle zu
erarbeiten. Und das tut auch dieser Maler."
"Das Schönste, was ich sah" ist ein faszinierender Roman in
einer
dichten, dem Sujet angemessen Sprache, der den Leser in seinen Bann
zieht, dass
er regelrecht mitfiebert mit dem Schicksal dieser besonderen und
außergewöhnlichen
Liebe zwischen Giovanni Segantini und Luigia Bugatti.
(Winfried Stanzick; 12/2009)
Asta
Scheib: "Das Schönste, was ich sah"
Gebundene Ausgabe:
Hoffmann und Campe, 2009. 413 Seiten.
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Hörbuchausgabe:
RADIOROPA Hörbuch, 2009.
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Asta
Scheib, geboren am 27. Juli 1939 in Bergneustadt/Rheinland, arbeitete
als Redakteurin bei verschiedenen Zeitschriften. In den 1980er-Jahren
veröffentlichte sie ihre ersten Romane.
Weitere Bücher der Autorin (Auswahl):
"Kinder des Ungehorsams"
Als Martin Luther im
Jahr 1525 die Nonne Katharina von Bora heiratete, erschütterte
und empörte das die kirchliche Welt. Mönch und Nonne
als Mann und Frau, als Liebende - selbst in unserer heutigen,
aufgeklärten Zeit ist das für viele Menschen eine
unglaubliche Vorstellung! Asta Scheib erzählt in ihrem
historischen Roman einfühlsam und packend diese
ungewöhnliche Liebesgeschichte zweier
außergewöhnlicher Menschen. (dtv)
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"Frost
und Sonne"
Ein historischer Roman über die Fürstenfamilie
Jussupow und ein spannendes Sittenporträt aus den letzten
Jahren der Romanow-Dynastie.
Der Zarenhof in
Sankt Petersburg um 1900: Höfische Pracht,
Vergnügungssucht und Maßlosigkeit wuchern hier
ebenso üppig wie Liebe, Lügen, Feigheit und Verrat.
Fürst Felix Jussupow wächst in unmittelbarer
Nähe zum Zarenhof auf. Der intelligente und gutaussehende
junge Mann ist der Liebling der Petersburger Gesellschaft. Man
bewundert seine Extravaganzen bis auf eine: seine
Liebe
zu
Männern. Immerhin ist er mit einer der
schönsten Frauen seiner Zeit verheiratet. Irina ist die Nichte
des Zaren Nikolaus. Ungeachtet der Liebe zu seiner Frau ist Felix mit
Dmitrij, seinem Jugendfreund, erotisch liiert. Der Zar ist
über diese Beziehung sehr aufgebracht. Er verlangt von Felix,
seine homosexuelle Neigung von dem Mann behandeln zu lassen, der dem
todkranken Thronfolger schon oft das Leben gerettet hat: Rasputin.
Zwischen Felix und dem Heiler bahnt sich schon bald eine
Tragödie mit unabsehbaren Folgen an. (dtv)
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"Agnes unter den
Wölffen"
Der anfänglich unsympathische Simon gefällt der
siebzehnjährigen Agnes immer besser, fatalerweise zweigt auch
Simons Vater Interesse an ihr.
Simon ist ihr nicht gleich sympathisch, als sie ihm in der U-Bahn
begegnet. Der Junge sieht einfach zu gut aus, und Agnes hält
ihn für einen reichen Angeber. Als Siebzehnjährige
weiß sie schon recht gut, wer zu ihr passt und wer nicht. Was
vielleicht damit zu tun hat, dass sie Halbwaise ist und sich mit den
verschiedensten Leuten herumschlagen muss, bei denen nie ganz klar ist,
was sie von ihr wollen. Trotzdem freut sie sich, als Simon dann doch
wieder auftaucht. Doch bald stellt sich heraus, dass auch Simons Vater
großes Interesse an Agnes entwickelt. (dtv)
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