Konstantin Richter: "Bettermann"
Wenn
dann das Leben ruft
Alexander möchte nach seinem Germanistikstudium keine
Promotion machen, er entscheidet sich lieber für eine
Karriere, die Aussichten mit sich bringt: Alex wird Finanzjournalist.
Denn man promoviert ja sowieso "über ein Thema, das
nie behandelt worden ist, weil es keinen interessiert." Diese
lebensnahe Abberufung jedweder Verklärung eines
Geisteswissenschaftlers, der aufgrund finanzieller Nöte ins
"wahre" Leben gestürzt wird, ist hier schon deutlich
erkennbar.
"Ich hatte Glück: Die Firma suchte Deutsche, die ein
fehlerfreies Englisch schreiben." Das ist Alexanders Eintritt
in eine internationale Finanznachrichtenagentur mit Sitz in Frankfurt,
in der noch drei andere, recht skurrile Figuren arbeiten: Shakespeare,
Monkeyboy, Curry ("Ein Haufen Angelsachsen und ich. Alle
männlich, alle um die dreißig."). Ein
wenig salopp geht es her in der Agentur. Das findet sich auch in den
jeweiligen Dialogen wieder, die den Roman so flott und unterhaltend
gestalten.
Als Journalist aber braucht man vor allem eins: das glückliche
Händchen für gute
Geschichten.
Und eine solche glaubt Alex mit der Fusion von "Bettermann &
Partner" in der Hand zu haben.
Bettermann, Henrik Bettermann, ist ein alter Bekannter von Alexander.
Genau wie Alex wohnte Bettermann mit seiner Familie in
Hamburg-Blankenese. Und für den jungen Schüler Alex
war er so etwas wie ein intellektueller Halbgott; als Kultursenator der
Stadt Hamburg soll er im Gespräch gewesen sein und auch einen
Essay in Arbeit gehabt haben. Alex schrieb als
Vierzehnjähriger selbst Gedichte und war eher ein
Einzelgänger. Henrik Bettermann stellte dabei für ihn
eine Vorbildfigur dar.
Damit sind die grundlegend geisteswissenschaftlich und intellektuell
verankerten Diskurse im Roman schon zu erkennen. Auch Alex' Mutter
frönt der höheren Unterhaltung: Sie liebt
Bach-Kantaten
und dröhnt diese am liebsten durchs ganze Haus in Blankenese.
Der erwachsene Finanzjournalist Alexander ist (und bleibt) ein Kind von
Träumereien und großen Gedanken. Da können
auch die rüden, abendlichen Zusammenkünfte mit den
Arbeitskollegen, die sich gern in ihren Sauf- und Frauengeschichten
wälzen, nichts ändern.
"Im Übrigen ist die Firmenberichterstattung alles
andere als eine Wissenschaft, und mein anfänglicher Fehler lag
vielleicht darin, dass ich überall nach Metaebenen suchte."
Davon nun muss sich Alexander gänzlich verabschieden, als auch
die Mutteragentur in New York Wind von der heiklen Geschichte um
Bettermann bekommt, Alex freie Bahn für alle Recherchewege,
alle Zeit der Welt für den Artikel gibt
- und vor allem: eine Menge Druck für einen Jungspund ohne
Erfahrung.
Bereits im Jahr 2007 erschien der Roman als gebundenes Buch bei Kein
& Aber in Zürich und ist im Juni 2009 bei Suhrkamp als
Taschenbuch herausgekommen. Dies ist der Debütroman des 1971
Geborenen, und er erinnert ein wenig an
Wilhelm
Genazino. Der Hauptdarsteller ist ein nicht ganz
entschiedener Nicht-mehr-Student, der sein Leben irgendwie gern auf die
Reihe bekommen möchte, sich deswegen auch in den
Finanzjournalismus stürzt, aber eigentlich nach einer
wirklichen Lebensaufgabe und einer ernsthaften Liebe sucht. Ganz fremd
scheinen derlei Gedankengänge wohl auch dem Autor nicht
(gewesen) zu sein, wenn man die sparsame veröffentliche
Biografie Konstantin Richters einmal näher anschaut: Er selbst
hat als Reporter für englischsprachige Medien gearbeitet.
Heute lebt er als freier Schriftsteller
in Berlin.
Den eigenen Weg gehen (!?)
Ein amüsantes und sehr sympathisches Changieren zwischen
realer Arbeitswelt und gewünschter Gedankentiefe ist dieser
Roman von Konstantin Richter. Und natürlich finden sich auch
in diesem Buch die klar zu erwartenden Dauerbrenner: Alex verliebt
sich, er fühlt sich unwohl wegen seiner so
vernünftigen, aber doch nicht ganz gewissensreinen Arbeit, und
eigentlich ist er überhaupt recht unsicher, ob er das Richtige
tut.
Am Ende wird Alex sich entscheiden, wohin er gehen wird. Auf jeden Fall
liegt dem Buch, so viel darf verraten werden, eine klare
Befürwortung der Seelentiefe zu Grunde.
Die Zeitschrift "Neon" schrieb 2007 zum Debütroman von
Richter, dies sei ein "großes Buch für
alle Zweifler im Berufssinnloch - und eine Liebeserklärung an
die Geisteswissenschaft." Das kann man nur noch einmal
kräftig unterstreichen, mit dem kleinen Nachsatz, dass Sie es
lesen sollten, dieses wirklich liebenswerte Buch.
(Christin Zenker; 08/2009)
Konstantin
Richter: "Bettermann"
Surhkamp, 2009. 237 Seiten.
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