Nicolas Remin: "Requiem am Rialto"
Commissario Tron ermittelt
Spannende Unterhaltung
Wir schreiben das Jahr 1865. Es ist Februar, und die Faschingszeit mit
ihren vielen ausgelassenen und nicht selten ausschweifenden
Maskenbällen treibt auch in Venedig und gerade dort ihrem
Höhepunkt zu. Der noch unverheiratete Commissario Alvise Tron,
der nun schon zum fünften Mal in einem der Bücher
seines Schöpfers Nicolas Remin einen Fall zu lösen
hat, ist in den letzten Tagen hauptsächlich damit
beschäftigt gewesen, zusammen mit seiner Mutter, der Contessa
Tron, den jährlichen Maskenball der Familie Tron
vorzubereiten. Die Trons waren einst eine hochangesehene Familie, bei
der sogar die
Kaiserin Elisabeth ein und aus ging, ist aber nun,
ähnlich wie andere adlige Familien, in die eher bedeutungslose
Mittelmäßigkeit abgerutscht. Das tut jedoch dem
Eifer jener Adligen keinen Abbruch, zu denen auch Baron Spaur
gehört, der Polizeichef von Venedig und Vorgesetzter von Tron
und seinem rührigen und pfiffigen Assistenten, dem Ispettore Bossi.
Spaur hat eine junge Frau geheiratet, die ihn ordentlich ausnimmt und
als ihr größtes Ziel eine offizielle Einladung in
die kaiserliche Hofburg
in Wien verfolgt. Doch um eine solche Einladung
zu erhalten, muss Spaurs Polizeistatistik sauber sein, denn sonst
erhält ein Polizeipräsident einer anderen Stadt die
ausgelobte Einladung.
Da beginnt ein Mörder sein Unwesen in Venedig zu treiben. Er
spricht, im Fasching regelmäßig maskiert, in den
entsprechenden Etablissements, die es in Venedig damals in
großer Zahl gab, blonde Prostituierte mit grünen
Augen an. Doch bevor es zu irgendeiner sexuellen Handlung kommt, hat er
sie durch Würgen und kräftige Schläge ins
Gesicht bewusstlos gemacht, und dann schneidet er ihnen mit einem
Stilett bei lebendigem Leib
die Leber
heraus. Er hinterlässt das innere Organ
regelmäßig an den unterschiedlichsten Tatorten, und
das Opfer verblutet.
Schnell gerät ein kaiserlicher Offizier in einen Verdacht, was
natürlich sofort schwierige politische Verwicklungen
befürchten lässt. Denn das Venedig der Sechzigerjahre
des 19. Jahrhunderts ist noch von Österreich besetzt, auch
wenn alle Glocken der Stadt schon einen knapp bevorstehenden
Rückzug der kaiserlichen Truppen einläuten, und die
Rothemden Garibaldis etwas südlicher die republikanischen
Ideen propagieren.
Auch Tron selbst hatte in seiner Jugend Kontakt mit diesen Gruppen, und
er weiß, dass der österreichische
Militärgeheimdienst auch über eine entsprechende Akte
über seine Person verfügt. Doch unerschrocken geht er
wieder mit seinen eigenen Methoden seinen Ermittlungen nach, zu denen
ausgiebige Frühstücke mit seiner adligen Verlobten
und nachmittägliche Cafébesuche mit der
Lektüre verbotener ausländischer Zeitungen
gehören.
Nicolas Remin hat mit seinem Alvise Tron eine literarische Figur
erschaffen, mit der es ihm gelingt, nicht nur spannende
Kriminalfälle zu erzählen, sondern dem Leser wichtige
historische Informationen aus der Zeit vor der italienischen
Staatsbildung zu vermitteln.
Remin schildert auch in "Requiem am Rialto" mit lebendiger und frecher
Sprache, die aber immer in ihrem historischen Kontext bleibt, Szenen
voller Situationskomik. Seine Hauptpersonen führen spritzige
Dialoge, und der Autor spart auch nicht mit feinsinniger Ironie auf
allerlei Phänomene der damaligen Zeit und Kultur.
Mehrfach wechseln die Täterthesen, denn jeder neue Mord
schließt einen bisherigen Verdacht aus. Auf dem eingangs
erwähnten Maskenball kommt es zu einem Höhepunkt, und
ein weiterer Mensch muss sein Leben lassen, doch dieses Mal
tötet ein Anderer ...
(Winfried Stanzick; 11/2009)
Nicolas
Remin: "Requiem am Rialto. Commissario Tron ermittelt"
Kindler, 2009. 350 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Hörbuch:
Jumbo Neue Medien, 2009.
Hörbuch
bei amazon.de bestellen
Ein weiteres Buch der
Reihe:
"Die letzte Lagune. Commissario Trons sechster Fall"
Im Februar des Jahres 1865 werden in der Bibliothek von San Marco Fragmente eines
alten Tagebuchs entdeckt. Der Autor ist Zanetto Tron, ein Teilnehmer des vierten
Kreuzzuges. An der Eroberung und Plünderung von Byzanz im Jahre 1204 beteiligt,
scheint er eine höchst kostbare Reliquie
nach Venedig gebracht und dort
versteckt zu haben. Handelt es sich womöglich um den Gral? Haben der Kaiser und
der Papst deshalb Sondergesandte nach Venedig geschickt? Muss Zanetto Trons
Nachfahre, Commissario Tron, aus diesem Grund in zwei brutalen Mordfällen
ermitteln? Die Lösung des Falls scheint sich in einer alten Jagdhütte der
Trons am Nordufer der venezianischen Lagune zu verbergen. Dort erwartet den
Commissario eine Überraschung, die ihn beinahe das Leben kostet ... (Kindler)
Buch
bei amazon.de bestellen