Terry Pratchett, Jacqueline Simpson: "Mythen und Legenden der Scheibenwelt"

Warum die Scheibenwelt auf vier Elefanten ruht, warum eine Schildkröte die Last der Welt trägt und vieles mehr!

Als Reaktion auf häufige Nachfragen bezüglich der Ideen in seinen Büchern und aus prinzipiellem Entsetzen darüber, wie wenig von dem, was angeblich "alle wissen" tatsächlich Allgemeinwissen darstellt, hat sich Terry Pratchett mit der bekannten britischen Volkskundlerin Dr. Jacqueline Simpson, die bereits zahlreiche Werke über Legenden, Märchen und Mythen verfasst hat, zusammengesetzt, um die literarischen und folkloristischen Hintergründe der "Scheibenwelt"-Romane genauer zu erläutern. Das Ergebnis ist, weil Terry Pratchett höchstpersönlich mitwirkte, sehr unterhaltsam.

Nach einer Einleitung der beiden Autoren stürzen sie sich im ersten Kapitel zunächst einmal auf die Kosmologie, (erstaunlich, wie verbreitet mythologische Schildkröten sind!), die Götter und die Dämonen. Hier gibt es eine ganze Menge Erhellendes zu entdecken, und es ist verblüffend festzustellen, wie intensiv Terry Pratchett wegen seiner kleinen komischen Exkurse und einiger Nebensätze in seinen Romanen recherchiert hat, beispielsweise für "Pyramiden".
Das nächste Kapitel beschäftigt sich ausgiebig mit den Zwergen, wobei hier Betrachtungen aus der Scheibenwelt eine wesentlich größere Rolle einnehmen als solche mit Bezug auf unsere Welt. Hier ist eher die metaphorische Funktion der Zwerge und ihrer Eigenarten zwecks Bewertung der menschlichen Eigenarten von Bedeutung.
Das darauffolgende Kapitel räumt endlich mit den allzu positiven Vorurteilen gegenüber den Elfen auf, was einige Leser womöglich einigermaßen verstören wird.
Die Betrachtungen zu den Mac nac Feegles sind da wesentlich erfreulicher für alle Beteiligten und bereiten erneut großes Lesevergnügen.
Hierauf wenden sich die Autoren den Trollen zu. Darauf folgen die Vampire, Werwölfe und Zombies und vergleichbare seltsame Wesen, die in einem Großkapitel zusammengefasst sind. Speziell die historischen Hintergründe der Vampirideen sind dabei durchaus erhellend, wobei den Rezensenten allerdings das Überspringen der im 19. Jahrhundert in England sehr beliebten Vampir-Melodramen ein wenig enttäuschte.
Nach einem Ausflug zu verschiedenen wichtigen mythischen Tieren - allen voran natürlich den Drachen - geht es in den folgenden vier Kapiteln um die Hexen in Lancre und Chalk und ihre weltlichen Hintergründe. Hierzu haben die beiden Autoren Mannigfaltiges zu sagen bzw. schreiben.
Im Kapitel "Helden" finden sich sowohl königliche als auch barbarische Helden, die tatsächlich sehr alte Quellen für sich beanspruchen können. Ähnlich alte Quellen, aber auch oft erstaunlich junge, zeigen sich im Zusammenhang mit Märchen, Legenden, nautischen und militärischen Bräuchen sowie natürlich Kinderglauben, wobei von den Autoren sehr viele, auch "historische", Illusionen über Weihnachten aufs Korn genommen werden.
Das letzte Kapitel behandelt exklusiv den Tod in seinen verschiedenen Erscheinungsformen in der Vorstellung der Menschen über die Jahrtausende und dürfte für viele Scheibenweltfans alleine schon ein ausreichender Grund sein, dieses Buch zu erwerben.

Eine umfängliche Bibliografie und ein erschöpfender Index schließen das Buch ab, das sich so zum einfachen Durchlesen, aber auch als Nachschlagewerk eignet, welches durch die Illustrationen an Attraktivität gewinnt.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 06/2009)

Terry Pratchett, Jacqueline Simpson: "Mythen und Legenden der Scheibenwelt"
(Originaltitel "The Folklore of Discworld")
Übersetzt von Gerald Jung.
Manhattan, 2009. ca. 416 Seiten.
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Einige Buchtipps:

Alexander Lauterwasser: "Das Geheimnis der Schildkröte"
Eine Entdeckungsreise durch Morphologie, Zoologie und Mythologie eines wundersamen Tieres.
Die Schildkröte spielt in den Mythen und Märchen vieler Kulturen eine herausragende Rolle. Ausgehend von dem frühen Erlebnis der Begegnung mit einer Schildkröte lässt sich der Autor in Form eines Dialogs mit diesem Tier zum Geheimnis ihres Daseins führen und geleitet die Leser in einem gewaltigen "Tour d'horizon" durch die gesamte Natur-, Kultur- und Menschheitsgeschichte: Phänomenologische Betrachtungen zoologisch-morphologischer Aspekte, mythologisch- literarische Motive und künstlerische Darstellungen werden auf eindrucksvolle Weise miteinander verwoben und interdisziplinär gedeutet.
Beginnend bei ihrer äußeren Erscheinung führt uns die Schildkröte zu einer inneren Anschauung ihres Wesens und eröffnet ungewohnte Blicke auf die verborgene Wirklichkeit tierischer Existenz: Die verschiedenen Tierarten spiegeln in sich jeweils unterschiedliche Aspekte des Weltganzen. Die Schildkröte selbst offenbart sich als lebendig-organisches Sinnbild der Erde und ihres Mysteriums. Wissend um die Anfänge der Erstarrung und Mineralisierung der Materie, hütet sie in sich auch das Wissen um das Geheimnis der Wandlung.
Mehr als 500 spektakuläre Abbildungen vermitteln die facettenreiche Bedeutungsfülle dieses geheimnisvollen Tieres, dessen Anblick den Menschen schon immer fasziniert und tief berührt hat. (AT Verlag)
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Ulf Diederichs (Hrsg.): "Chinesische Märchen, Mythen und Legenden"
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