Christoph Peters: "Mitsukos Restaurant"
Interkulturelle
Liebe und Yakuza im Rheinland
Die Freunde Wolf und Achim haben das Abitur bestanden. Es ist Mitte der
1980er-Jahre, die beiden haben so etwas wie einen "Japan-Tick"
entwickelt und möchten unbedingt einmal ein japanisches
Restaurant
besuchen. Als sie schließlich eines finden,
übersteigen die
Preise ihre Mittel bei Weitem.
Rund zehn Jahre später entdeckt Achim, der sein Interesse
für
Japan beibehalten hat, ganz zufällig ein Restaurant mit
vorzüglicher japanischer Küche im Wanderheim eines
kleinen
Ortes, in dessen Nähe er wohnt. Hausmacher
Wurstspezialitäten
nebst ausgesuchten
japanischen
Köstlichkeiten: Achim ist zutiefst verwirrt, ebenso
Freund Wolf, dem er dieses Restaurant natürlich
vorführen muss.
Während Achim im Grunde eine gestrandete Existenz ist, einer,
der
es mit fast dreißig Jahren zu nichts gebracht hat
außer
billigen Gelegenheitsaufträgen als Schauspieler, ein paar
Erfahrungen als Küchengehilfe und dergleichen, ist Wolf,
promovierter Mediziner, an einer privaten Klinik für
Schönheitschirurgie beschäftigt - und immer noch
derselbe
Schürzenjäger wie während der Schulzeit.
Japan fesselt
Wolf nicht mehr so sehr, dennoch kann ausgerechnet er mit einem
japanischen Freundeskreis, rekrutiert aus Bekannten seiner Klientel,
aufwarten. Rasch werden die Japaner zu Stammgästen in Mitsukos
Restaurant.
Und es ist Achim, der sich in die japanische Lebensgefährtin
des
rheinländischen Restaurantbesitzers Eugen verliebt. Mitsuko
honoriert sein Interesse an allem, was japanisch anmutet. Dennoch wahrt
sie meistens Distanz; nicht umsonst stammt sie aus einer alten
Samurai-Familie. Achim gerät in ein verstörendes
Wechselbad
der Gefühle. Dem ständigen Hin und Her zwischen
physischer
und seelischer Annäherung und Abweisung sieht er sich kaum
gewachsen. Auch möchte er Eugen nicht brüskieren,
insbesondere als Mitsuko dessen Heiratsantrag für Achim
überraschend zustimmt. Und während sich Achim um
seiner Liebe
zu Mitsuko willen darum bemüht, die japanische
Teezeremonie
und mit ihr auch die zugehörige, von Meistern rituell
gefertigte
Keramik kennen zu lernen, macht er Beobachtungen, die den Schluss
zulassen, dass die Yakuza, die japanische Mafia, in Mitsukos Restaurant
eine nicht ganz unerhebliche Rolle spielt.
Richtig einordnen lässt sich dieser Roman nicht. Liebesroman?
Entwicklungsroman? Oder eher eine Mischung aus verschiedensten
Subgenres, zumal auch historische Elemente eine große Rolle
spielen? Sei's drum. Christoph Peters bietet mit "Mitsukos Restaurant"
wunderbare Unterhaltung und tiefgründige Literatur in einem;
er
schildert eine unerfüllte Liebe, die vor allem auf der
Anziehung
einer fremden, geheimnisvollen Kultur gründet, und die
Entwicklung
eines jungen Mannes, der sich zunächst ziellos treiben
lässt
und schließlich dank seiner unglücklichen, aber
nicht
sinnlosen Liebe ein Ziel findet - vielleicht - oder zumindest einen
Traum, den er sich erfüllen möchte.
Längere Kapitel, in denen Achim als Protagonist auftritt,
wechseln
sich mit kurzen Abschnitten aus der japanischen Vergangenheit ab. Diese
handeln von der Entstehung und dem weiteren, tragischen Schicksal einer
traditionell entstandenen Teeschale und deren weiterem Schicksal, die
schließlich, Jahrhunderte später, als
Erbstück in
Mitsukos Besitz auch Achim flüchtig begegnen und ihn
faszinieren
wird. Es sind die Teezeremonie und Achims Interesse an japanischer
Keramik, die ihn und Mitsuko ein Stück weit zusammenbringen,
letztlich aber zur Trennung führen.
Neben aller Feinsinnigkeit und dem bemerkenswerten Tiefgang sowie der
wunderbaren Vermittlung eines Stücks fernöstlicher
Kultur hat
Christoph Peters jedoch auch ganz alltägliche, so liebenswerte
wie
nervtötende Charaktere geschaffen. Japan und das
bodenständige Rheinland prallen in diesem Roman frontal
aufeinander, nachdem sie eine Weile mehr schlecht als recht
nebeneinander zu bestehen versucht haben. Auch Achim und Wolf mit ihrer
engen Männerfreundschaft, die aber nicht über die
extremen
Gegensätze in ihren Lebenskonzepten und Charakteren
hinweghelfen
kann, müssen schließlich getrennte Wege gehen.
So sind Annäherung und Entfremdung, Wahren des Scheins und
Gesichtsverlust, japanische Zurückhaltung und
rheinländischer
Frohsinn zentrale Elemente eines Romans, den man nur schwer vor
Erreichen der letzten Seite aus der Hand legen kann. Nach Beendigung
der Lektüre hat man wie Achim und Wolf das Wesen Japans nicht
gefunden, fühlt sich aber zumindest wie Achim versucht, ihm
umso
mehr nachzuspüren.
(Regina Károlyi; 02/2009)
Christoph
Peters: "Mitsukos
Restaurant"
Luchterhand Literaturverlag, 2009. 416 Seiten.
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Christoph
Peters wurde 1966 in
Kalkar geboren.
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Ein Zimmer im Haus des Krieges"
Ägypten, Luxor, 1993: Gemeinsam mit einigen arabischen
Mitkämpfern plant der junge Deutsche Jochen Sawatzky einen
Anschlag auf einen Tempel. Doch als die Attentäter den Nil
überqueren, geraten sie in einen Hinterhalt von Polizei und
Militär. Nur wenige überleben, darunter Sawatzky. Mit
dem
Fall betraut wird Claus Cismar, der deutsche Botschafter in Ägypten.
In langen Gesprächen mit Sawatzky versucht er, die Motive
seiner
Tat zu ergründen und seine Auslieferung nach Deutschland zu
erreichen ... (btb)
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"Heinrich
Grewents Arbeit und Liebe"
Im Leben des Angestellten Heinrich Grewent stimmt eigentlich alles: Er
hat eine sichere Stelle und ist glücklich mit einer
Grundschullehrerin verheiratet. Doch dann wird plötzlich
innerhalb
weniger Tage seine ganze Existenz aus der Bahn geworfen.
Christoph Peters entlarvt auf furiose Weise die Abgründe, die
unter der Oberfläche eines scheinbar wohlgeordneten
Kleinbürgerlebens lauern. (btb)
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"Das
Tuch aus Nacht"
Istanbul
im November 1994: Ein Mann wird in einem Hotel erschossen. Eine alte
Liebe zerbricht. Eine neue Liebe entsteht. Und dazwischen ein
trinkender und mit dem Leben hadernder Künstler, dem die
Wahrheit
zur Obsession und die Wirklichkeit zur Chimäre wird. Bis der
Tod
sich bei ihm holt, was ihm längst schon gehört.
Seltsam
unwirkliche Dramen spielen sich ab vor der Kulisse jener Stadt zwischen
Orient und Okzident, zwischen Fama und Wirklichkeit. Zwischen dem Glanz
der Geschichte und der Hektik der Moderne. (btb)
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