Viktor Pelewin: "Das fünfte Imperium"
Ein Vampirroman
Zu
Jahresbeginn 2009 erschien im Luchterhand-Verlag Viktor Pelewins Roman
"Das fünfte Imperium". Eine vierhundertseitige
Taschenbuchausgabe mit robustem und schön anzusehendem
Umschlag, auf deren Seiten eine Vampirgeschichte zu lesen ist, die sich
von "üblichen" Vampirgeschichten teils sehr unterscheidet.
Protagonist Roma folgt dem Aufruf auf einem Aushang, auf dem ein
anderes, besseres, elitäres Leben versprochen wird, wenn man
sich zu einer bestimmten Wohnung begibt. Neugierig und ein bisschen
wagemutig macht sich Roma auf den Weg - und der führt ihn
schnurgerade zur Verwandlung in einen Vampir. Diese Wohnung ist fortan
sein Zuhause, und er durchläuft ein Ausbildungsprogramm durch
vampirische Hauslehrer, um seinem neuen Dasein gerecht werden zu
können. Roma, der der Tradition der Vampire entsprechend einen
neuen Namen annimmt, Rama, hat sehr vieles zu lernen, und nicht alles
ist sonderlich eingängig. Neben seiner intensiven Ausbildung
wartet jedoch noch eine größere Probe auf ihn: der
so genannte große Sündenfall. Roma ist gespannt, und
er lernt kurz zuvor einen anderen Vampir kennen - eine Frau.
Pelewin begnügt sich in seinem Roman nicht mit den
althergebrachten Vampirklischees. Zwar finden diese im Roman ihren
Platz, allerdings genau als solche: Klischees. Die Vampire stellt er
als herrschende Rasse der Welt dar, die sich die Menschen für
ihre Zwecke herangezüchtet haben. Das Überragende,
das Pelewins Vampire somit darstellen, wird jedoch nicht durch die
bloße Darstellung von Superkräften, pure erotische
Ausstrahlung und Ähnliches vermittelt, sondern durch die sehr
aufwändig und liebevoll dargestellte Ausbildung von Rama,
dessen Wissensstand über Vampire zu Beginn dem des Lesers
entspricht, so dass auch dieser die wissenswerten Dinge durch Ramas
Ausbildung erfährt. Da geht es um Glamour
und Diskurs, ihr Wechselspiel und ihre Ähnlichkeiten, um
vampirische wie allgemein gesellschaftliche Regeln, um
Politik mit
besonderem Augenmerk auf die russische Entwicklung, Absichten und
Gepflogenheiten, um Verschwörungen, um Philosophisches und
zugleich um Klassiker wie Duellführung und
Kampfkunst.
Bei all der Theorie und Ausbildung Ramas ist es tatsächlich
ein Hauch von "Harry
Potter" für Intellektuelle, der durch den gesamten
Roman weht. Es passiert eigentlich nicht viel, der Großteil
des Buches plätschert gemächlich vor sich hin, und
doch sind es gerade die Ausbildungssequenzen, Lehrinhalte und
Diskussionen mit den Lehrern über
Philosophie, vampirische
Weltsicht und Weltordnung, die einen fesseln und mit auf eine Reise
nehmen, die etwas Traumhaftes an sich hat.
Traumhaft bedeutet bei diesem Roman allerdings keine Idylle von Friede,
Freude und Eierkuchen, sondern eher die Richtung des
kritisch-paranoiden Surrealismus. Und genau das fügt sich
herrlich in die Gesamtkomposition des Buches ein, indem der Protagonist
schon als Mensch auf authentische Weise kritisch und von der Umwelt und
dem Materiellen genervt ist, sich mit eben dieser Kritik als Vampir in
der Ausbildung jedoch erst recht auseinandersetzen und sie variieren
muss.
"Das fünfte Imperium" kann man in die Sammlung der
Vampirromane oder - allgemeiner gehalten - in den fantastischen Bereich
an sich schieben. Dort allein gehört dieser innovative Roman
jedoch nicht hin. Er ist geistreich, kritisch, politisch, postmodern,
zeitgenössisch und wirklich ein sehr ernst zu nehmendes Werk
der (Pop-) Literatur.
Wer nach turbulenten Ereignissen sucht, wird enttäuscht sein,
doch wer Vampirromane belächelt und in die triviale Ecke
schiebt, sollte unbedingt einen Blick riskieren und damit seinen
Genrehorizont erweitern.
Endlich einmall wieder ein wirklich ernstzunehmender fantastischer
Roman; großartig!
(Tanja Thome; 03/2009)
Viktor
Pelewin: "Das fünfte Imperium. Ein Vampirroman"
(Originaltitel "Empire V")
Aus dem Russischen von Andreas Tretner.
Sammlung Luchterhand, 2009. 400 Seiten.
Buch
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Ein weiteres Buch des Autors:
"Tolstois Albtraum"
Holzklasseabteil in der alten russischen Dampflok. Zwei Reisende im
Gespräch, einer in Priesterrobe, der andere im feinen Stadtanzug. Vor dem
Fenster Beschaulichkeit: ein Schlösschen auf einem Hügel, darunter ein Acker,
der Bauer hinterm Pflug. Das da sei Tolstois Landgut, und der Bauer sei
Tolstoi,
erläutert der Städter. Beziehungsweise ein Doppelgänger, denn der Graf sei auf
der Flucht vor Polizei und Behörden ... Ach, wundert sich der Priester, woher er
das wisse? In diesem Moment verschwindet der Zug in einem Tunnel, und der Waggon
wird für wenige Momente von Dunkelheit erfasst ... Als der Zug wieder aus dem
Tunnel kommt, ist klar: Graf T. und Geheimpolizist Knopf saßen sich verkleidet
im Abteil gegenüber. Jetzt aber liegt Knopf gefesselt mit dem eigenen Schal da,
und der Graf ist verschwunden. Denn T. weiß, dass er verfolgt wird. Und dank
Kondition und Finesse, exquisiter Bewaffnung und Versiertheit in fernöstlichen
Kampfkünsten vermag er seinen Verfolgern in "James Bond"-Manier zu entkommen. Was
T. freilich nicht so recht weiß: wer er eigentlich ist, was er vorhat und was
die Anderen von ihm wollen. Und warum sich sein Leben anfühlt, als sei er in
einen Albtraum geraten.
Viktor Pelewin ist dafür bekannt und berüchtigt, die Mythen der Vergangenheit
mit den Phantasmagorien der Gegenwart auf schwindelerregend freche Art und Weise
zusammenzuwürfeln. In "Buddhas
kleiner Finger" stellte er siebzig Jahre sowjetischer Geschichte auf den
Kopf. Mit "Tolstois Albtraum" holt er die große russische Literaturtradition vom
staubigen Klassikerpantheon ins grelle Heute. (Luchterhand Literaturverlag)
zur Rezension ...
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