Hanne Ørstavik: "Die Pastorin"
"Die
Pastorin" ist ein tiefsinniger, sprachphilosophisch und theologisch
differenzierter Roman einer Autorin, die wohl selbst mit jenen Fragen
kämpft, die sie ihre Hauptperson stellen lässt.
Liv, die Pastorin, die Protagonistin des Romans der norwegischen
Schriftstellerin Hanne Ørstavik, ist erst Mitte
dreißig, als sie nach einem Studienaufenthalt an der
Theologischen Fakultät in Tübingen, wo sie
über den Aufstand der Samen geforscht hatte, wieder ans "Ende
der Welt" zurückkehrt, in den äußersten
Norden Norwegens, ganz in der Nähe der russischen Grenze. In
Tübingen hat sie Kristiane, eine lebhafte und eigentlich
lebensfrohe Puppenspielerin, kennengelernt. Sie haben um ihre
verschiedenen Lebenseinstellungen heftig miteinander gestritten.
Kristiane konnte dem
Glauben Livs und ihrer Liebe zur Theologie,
deretwegen sie ein wirtschaftswissenschaftliches Studium aufgegeben
hatte, nichts abgewinnen, und Liv wirft ihr wiederum
Oberflächlichkeit und unkritisches Verhalten vor. Zwei Wochen,
nachdem sie einander kennengelernt haben, ist Kristiane tot. Sie hat
sich erschossen.
Als Liv ein Jahr später in ihrer Gemeinde in Nordnorwegen mit
dem Selbstmord eines Mädchens konfrontiert wird, kommt nicht
nur die Erinnerung an Kristiane wieder schmerzhaft hoch, sondern sie
erlebt, wie ihr beim versuchten Trost für die hinterbliebenen
Eltern des Mädchens die Sprache versagt. Liv, die doch
Pastorin geworden ist, um "Wunden zu verbinden",
kann weder Kristiane retten noch die Trauernden trösten, nicht
mit Worten und auch sonst nicht.
Hatte sich Hanne Ørstavik im Jahr 2002 in ihrem Roman "Als
ich gerade glücklich war" mit dem sprachkritischen
Thema "Was ist wirklich?" befasst, heißt die Frage im
gegenständlich besprochenen Roman: "Warum verstehen sich die
Menschen nicht?"
Liv befasst sich aktuell, aber auch in ihren historischen Forschungen
über den Aufstand der Samen, fast wahnhaft mit dieser Frage.
Denn sie möchte unter die schauen. Sie will
erkennen und herausfinden, was der Kern von Sprache
ist. "Denn
alles Reden und Handeln geschieht in einem viel
größeren Netz von Bedeutungen, das für den
Menschen kaum zu entschlüsseln ist", sagt Liv an
einer Stelle. Sie leidet unter ihrer Sprachlosigkeit, unter Worten,
auch religiösen, die den Sinn nicht treffen. Ihre in der
Theologie erlernten sprachlichen Modelle und Systeme helfen ihr nicht
weiter, um an die Menschen, die sie brauchen, wirklich heranzukommen.
Doch Liv kommt sich auch selbst nicht nahe. Als sie einen Mann
kennenlernt, einen Geologen, von dem sie spürt, dass sie ihn
lieben könnte, schafft sie es nicht, sich auf ihn einzulassen.
Sie steht sich selbst im Weg. Vergangenheit (Kristianes und auch die
der Samen, welche die biblischen Worte wörtlich nahmen) und
Gegenwart vermischen sich ständig, und man leidet als Leser an
den Aporien diese jungen, einsamen, gläubigen und doch so
verzweifelten Frau mit.
Hanne Ørstaviks Sprache ist klar, ihr fehlt jegliches
Artifizielle. Minimalistisch hat man das einmal genannt. Und doch
beschreibt sie Großes. Ihr Buch ist ein Loblied auf die
Theologie
ebenso wie ein Dokument ihres dauernden Scheiterns. Sie ist
dem Wissen verpflichtet, dass es noch etwas Großes und
Wichtiges gibt, etwas, das in kein Modell und kein System passt.
Letztlich bleibt auch Liv nichts Anderes übrig, als offen zu
sein für eine Wahrheit, die verborgen ist.
Der letzte Satz der Ich-Erzählerin Liv, als sie das Trauerhaus
des Mädchens betritt, das sich in einer Fischlagerhalle
erhängt hat, zeigt, dass sie die verzweifelte Hoffnung darauf
nicht aufgibt:
"Ich ging auf sie (die Mutter des
Mädchens; Anm.) zu und reichte ihr die Hand."
(Winfried Stanzick; 09/2009)
Hanne
Ørstavik: "Die Pastorin"
(Originaltitel "Presten")
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger.
DVA, 2009. 238 Seiten.
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Hanne
Ørstavik, 1969 in Vadsø/Nordnorwegen geboren,
zählt zu den interessantesten Vertretern der jungen
norwegischen Schriftstellergeneration und gilt als Meisterin des
Minimalismus. Ørstavik hat für ihre Bücher
jede erdenkliche literarische Auszeichnung Norwegens erhalten.
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qualifizierte
Gastarbeiter willkommen sind. Wo die Regierung
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in dem der
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