Mo Yan: "Die Knoblauchrevolte"


Eine Bauernrevolte mit dramatischen Folgen

In den späten 1980er-Jahren befinden sich einige Provinzen der Volksrepublik China im Aufschwung, und so erhoffen sich zahlreiche Knoblauchbauern von Gaomi nach dem Bau einiger Kühlhäuser und der Erweiterung der Anbauflächen einen deutlichen Gewinn. Und das, obwohl die Steuern und die Preise für Dünger spürbar gestiegen sind. Schließlich haben sie in den letzten Jahren viele Steuern bezahlt, um die Verkehrswege zu verbessern, und in den Verwaltungen sitzen nun viel mehr Beamte und Funktionäre, die zu einem besseren Gelingen des Handels beitragen sollten.

Doch es ist durchaus nicht so einfach, von Wirtschaftsreformen zu profitieren. Zwar brauchen die Städte Knoblauch in Stangen- und in Knollenform, aber der Weg von den Feldern auf die Märkte ist beschwerlich und führt über viele Umwege, auf denen immer eine Hand offen ist, um "Wegezoll" zu kassieren. Und es gibt gerade auf Funktionärsbasis immer jemanden, der die Märkte eher erreicht - weil er die Wege direkt kontrolliert.

Die steigenden Kosten, tatsächlich anfallende "Steuern" für die Straßenbenutzung, die "Börsenabgabe" und ähnliche Belastunden lassen die eher ungebildeten Bauern zunehmend unzufrieden werden; besonders, als sie bemerken, dass ihr Kreisvorsitzender mit seinem Dienstauto die Märkte schon sehr früh beliefert hat, während sie selbst, nach einem langen Tag voller Sonderabgaben auf dem Weg an ein bereits gefülltes Kühlhaus kommen, das keinen weiteren Knoblauch mehr abnimmt.
Als der betrunkene Fahrer des Dienstwagens auch noch nachts auf dem Heimweg einen alten Bauern überfährt, der mit einem immer noch voll beladenen Wagen auf dem Heimweg ist, und das vor Augenzeugen, beginnt die Stimmung im Ort umzuschlagen, und die erboste Menge stürmt in einem zweiten Anlauf die Kreisverwaltung.

Detailliert beschreibt Mo Yan das Leben der Menschen in Gaomi, wo er selbst aufgewachsen ist, und besonders auch ihre zum Teil gar nicht liebenswerten Schwächen, die sich oft in einem Hang zeigen, sich selbst oder die direkten Mitmenschen zu "zerfleischen", anstatt sich gegen behördliche Willkür zu wehren. Sie sind auch die ständig wechselnden Reflektorfiguren dieses Romans, wie etwa der gleich zu Beginn verhaftete Gao Yang, dessen blinde Tochter sich nun zunächst ohne ihn durchschlagen muss, "Tante Vier", die Ehefrau des überfahrenen alten Bauern, deren zwei Söhne und eine Tochter ihr immer viel Kummer bereiten, und Gao Ma, der stark wie ein Pferd ist und durchaus heldenhaft wirkt, während er sich gegen den Willen der Familie Fang um die Tochter von "Onkel und Tante Vier" bemüht.

Angestachelt vom eigenen Elend, der Korruption der Verwaltung und dem Gestank von auf den Feldern verrottendem Knoblauch, der über der ganzen Geschichte liegt, lernt man das bäuerliche Leben Chinas fern jeder Romantik kennen, und wer in China auf dem Land unterwegs gewesen ist, der wird die hier beschriebenen Zustände auch im 21. Jahrhundert zum Teil noch bestätigen können. Nicht umsonst gibt es in der Volksrepublik eine anhaltende Landflucht. Dies wird in Mo Yans Roman trotzdem in einer farbenfrohen Sprache dargestellt, so dass man selbst bei sehr unappetitlichen Darstellungen quasi ans Papier gefesselt bleibt.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 08/2009)


Mo Yan: "Die Knoblauchrevolte"
Aus dem Chinesischen von Andreas Donath.
Unionsverlag, 2009. 384 Seiten.
Buch bei amazon.de bestellen

Weitere Buchtipps:

Annping Chin: "Konfuzius - Geschichte seines Lebens"

Konfuzius ist der berühmteste Chinese der Welt. Nicht einmal die Kulturrevolution des Großen Vorsitzenden Mao konnte ihm diesen Platz streitig machen, und China erlebt seit einiger Zeit eine wahre Konfuzius-Renaissance. Der Weise, der den Quellen zufolge 551 v. Chr. geboren wurde, hat als geschichtliche Gestalt nicht nur das chinesische Denken, sondern die gesamte ostasiatische Kultur am nachhaltigsten geprägt. Doch was ist an Konfuzius tatsächlich historisch? Wer war der Mann, der zum gottgleichen Staatsheiligen aufstieg? Wer waren seine Eltern, wer seine Weggefährten? Welche Gebiete Chinas hat er durchwandert? Welchen Herrschern gedient? Was waren seine moralischen Beweggründe und politischen Ziele? Wie ging er als Pädagoge vor? Welche Kleidung trug er, und welche Speisen aß er?
Diesen und anderen Fragen geht die Historikerin Annping Chin nach. Mit Hilfe der ältesten Quellen durchdringt sie die Legenden und Klischees, die die Konfuzius-Verehrung in über zweieinhalb Jahrtausenden hervorgebracht hat, und zeichnet in ihrer ausführlichen Studie erstmals ein authentisches und erstaunlich lebendiges Bild des Mannes, der zu den größten Kulturstiftern der Menschheitsgeschichte zählt. (Verlag der Weltreligionen)
Buch bei amazon.de bestellen

Richard Wilhelm: "Die Seele Chinas"
Aus dem Vorwort des Buches: "In China rechnet man nach Jahrhunderten. Das war in der Vergangenheit stets die Losung der alten Kolonisten im Fernen Osten. Aber diese Losung ist längst zur Unwahrheit geworden. Heute entwickelt sich das Leben in China in fieberhafter Eile. Jeder Tag bringt neue Ereignisse und Entwicklungen, und hinter den lauten Tagesereignissen und Kämpfen vollzieht sich etwas ganz Großes: das Auftauchen einer neuen Welt. Ganz langsam und allmählich fing es an, aber mit immer wachsender Beschleunigung rollt das Rad des Geschehens weiter, dieses Rad der Wiedergeburt, das Altes, Überlebtes mit sich hinunter nimmt in die Unterwelt des Vergessens und Neues, nie Dagewesenes aus dem Nichts emporhebt. (...). Ich habe das große Glück gehabt, fünfundzwanzig Jahre meines Lebens in China zu verbringen. Ich habe Land und Volk lieben gelernt wie jeder, der lange dort weilte. Aber gerade die jetzt vergangenen fünfundzwanzig Jahre waren besonders wichtig, weil sie es waren, in denen Altes und Neues sich trafen. Ich habe noch das Alte China gesehen, das für die Jahrtausende zu dauern schien. Ich habe seinen Zusammenbruch miterlebt und habe erlebt, wie aus den Trümmern neues Leben blühte. Im Alten wie im Neuen war doch etwas Verwandtes: eben die Seele Chinas, die sich entwickelte, aber die ihre Milde und Ruhe nicht verloren hat und hoffentlich nie verlieren wird. Wenn etwas von dieser Seele Chinas dem Leser offenbar wird, dann ist der Zweck dieses Buches erfüllt." (Marixverlag)
Buch bei amazon.de bestellen

Vikram Seth: "Tianchi. Unterwegs in China und Tibet"
Um sein Studium voranzutreiben, geht Vikram Seth von 1980 bis 1982 nach Nanjing am Unterlauf des Gelben Flusses, lernt Chinesisch und versucht jede Möglichkeit zu ergreifen, sich durch das Land zu bewegen. Was nicht leicht ist; ohne Beziehungen lässt sich nicht viel erreichen in einer Gesellschaft, in der Geheimhaltung, Überwachung und starre Hierarchien den Alltag bestimmen. Doch mit List und Glück ergattert Seth Visum um Visum, eine Mitfahrgelegenheit nach der anderen und erfüllt sich einen Traum: vom "Himmlischen See" Tianchi im Nordwesten Chinas reist er auf dem Landweg in den Süden bis nach Tibet, überquert zu Fuß die Grenze nach Nepal und kehrt von Kathmandu schließlich zurück nach Neu-Delhi. In endlosen Weiten, auf steilen Gebirgsstraßen und Hochplateaus mit Yakherden trifft Seth auf Menschen, deren Freundlichkeit, Neugier und Eigensinn ihn immer wieder verblüffen; er lernt ein China kennen, das viel reicher und vielfältiger ist, als die offizielle Politik vermuten lässt.
Im Werk Vikram Seths schließt "Tianchi" eine biografische Lücke. (Fischer Taschenbuch Verlag)
Buch bei amazon.de bestellen