Ángeles Mastretta: "Ehemänner!"
Erzählungen
Zweiundzwanzig
fesselnde Kurzerzählungen der mexikanischen Erfolgsautorin
Worum, vielmehr um wen, es in den zweiundzwanzig
Kurzerzählungen in Ángeles Mastrettas Buch geht,
verrät bereits der Titel. Es sind aber nicht die
Ehemänner allein, die im Buch porträtiert werden;
unter Umständen fehlen sie sogar, etwa in der Geschichte, in
der Dolores, eine gestandene, erfolgreiche Frau, plötzlich
merkt, dass sie sich für ihr eigenes Geschlecht interessiert
und nicht etwa für gar keines, wie sie ursprünglich
dachte. Oder als die Mutter eines Achtzehnjährigen feststellt,
dass es zwar modern sein mag, sich aus dem Liebesleben des Nachwuchses
herauszuhalten, doch nicht immer zu dessen Besten.
Ehemänner, meistens nicht allzu gute, und Ehefrauen oder
Geliebte, meistens stark genug für sie, finden in diesen
Erzählungen zueinander oder, was häufiger vorkommt,
trennen sich. Gelegentlich scheidet sie auch der Tod, wie bei Dominga
Fez, die ihre Fähigkeiten erst entfalten kann, als der
trunksüchtige Gatte unerwartet stirbt. Und als der Ehemann von
Luz stirbt, sieht diese sich mit seinem letzten Wunsch konfrontiert,
demzufolge auch seine Geliebte im Nachbardorf an der Beerdigung
teilnehmen soll. Luz lässt dies gelassen zu und wundert sich
über die echten Tränen der anderen Frau - sie selbst
hat schon lange keine mehr.
Seitensprünge der Frau als Rache für
Seitensprünge des Mannes, eine lange Affäre zwischen
einer verheirateten Frau und einem Mann, der sich für sie
scheiden lässt und dann feststellen muss, dass sie sich bei
aller Liebe zu ihm nie von ihrer Familie trennen wird, einmal aber auch
eine behutsame Wiederannäherung nach einer Scheidung,
verursacht durch die schon wieder verflossene Geliebte des Exmannes.
Eine Liebe, die sich aufgrund einer unglücklichen Obsession
der jungen Frau nicht erfüllen konnte, wird in reiferen Jahren
wiederbelebt; eine andere Frau, von ihrem Mann betrogen, zieht mit
ihrem schwulen Freund zusammen, den sein Geliebter für jemand
Anderen verlassen hat.
Viele Geschichten also, und sie reihen sich wie Perlen an einer
Kette schimmernd aneinander, jede kostbar, jede ein Unikat. Mastrettas
Protagonisten stammen aus allen sozialen Milieus Mexikos, aus der
Metropole oder vom Land, sind arm und einfach oder reich und gebildet,
und auch alle Altersklassen vom jungen Erwachsenen bis zur Greisin sind
präsent. Es überwiegen jedoch Charaktere in der Mitte
des Lebens, zwischen vierzig und fünfzig, nicht mehr ganz
jung, doch nicht vom alten Eisen.
Und fast immer geht es um die erotische Spannung zwischen Menschen,
einmal zwischen den beiden, die in der Erzählung aktiv
handeln, einmal zwischen dem Mann einer Protagonistin und einer ihr
fremden Frau. Nie auch nur annähernd pornografisch und doch
voller Eros, voller meist unerfüllter Sehnsüchte,
ganz einfach "sexy" sind die Geschichten, und es
ist vor allem die Sexualität reiferer Frauen, auf die
Mastretta offen, doch behutsam, respektvoll eingeht. Um diese erotische
Spannung, aktuelle und vergangene, baut sich das Beziehungsgeflecht
zwischen den Protagonisten, in dem Genuss und Schmerz dicht
zusammenliegen und der Schmerz zu überwiegen droht - aber
mancher der porträtierten Frauen gelingt die Befreiung und
Selbstfindung außerhalb der Ehe, die sie für ihren
Lebensinhalt hielt. Stark sind Mastrettas Frauen, während die
Ehemänner doch eher als eitle Gockel in der Mittlebenskrise
daherkommen, die zwanghaft nichtssagenden jüngeren Frauen
nachjagen, oder, träge und selbstgefällig, nicht
bemerken, wie sie zum Hahnrei werden; mancher ist doch immerhin ein
schmückendes Accessoire seiner Frau. Selten kommt auch einmal
die große Liebe vor, noch seltener jedoch in der Ehe.
Männerfeindlich wirkt das Buch dennoch nicht, sondern es zeigt
vor allem Respekt vor der Frau, die selbstbewusst ihren Weg geht,
akuter wie chronischer Seelenpein zum Trotz, die es zu
überwinden gilt. Das gilt für die Maisköchin
aus einem Elendsviertel von Mexiko-Stadt ebenso wie für die
Akademikerin und Geschäftsfrau, die sich eine schöne
Wohnung und ein schickes Auto leisten kann.
Mastretta erzählt fesselnd: romantisch und stimmungsvoll ohne
jeglichen Kitsch, erotisch ohne Exhibitionismus, einfühlsam
ohne lästige Längen, spannend, doch nicht atemlos.
Man sollte die Geschichten einzeln genießen wie besonders
köstliche Pralinen, um sie nachwirken zu lassen. Doch das
fällt schwer; allzu gut sind sie geschrieben!
(Regina Károlyi; 08/2009)
Ángeles
Mastretta: "Ehemänner! Erzählungen"
(Originaltitel "Maridos")
Aus dem Spanischen von Petra Strien.
Suhrkamp, 2009. ca. 220 Seiten.
Buch
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Ángeles
Mastretta wurde 1949 in
Puebla, Mexiko, geboren. Sie studierte Kommunikationswissenschaften an
der
Fakultät für Politik- und Sozialwissenschaften der
Universidad Nacional Autónoma
de México (UNAM), u.a. bei
Juan
Rulfo. Nach ihrer Promotion war sie bis 1985 als Redakteurin
und
Mitarbeiterin im Rundfunk, Fernsehen und bei verschiedenen
mexikanischen
Zeitschriften tätig.
Ángeles Mastretta widmete sich immer auch der
schriftstellerischen Tätigkeit,
deren Früchte sie nur zum Teil veröffentlichte, so
1975 ihren Gedichtband
"La pájara pinta". Den Titel für ihren ersten
Roman, der 1985 in
Mexiko erschien, fand sie in dem zeitgenössischen Tango
"Arráncame la
vida" (dt. "Mexikanischer Tango", 1988) des mexikanischen
Komponisten und Musikers Agustín Lara. Für diesen
Roman erhielt sie im selben
Jahr den hochangesehenen Literaturpreis "Premio Mazatlán",
der vor
ihr u.a. an Octavio Paz, Juan Rulfo, Elena Poniatowska und
Isabel
Allende verliehen wurde. 1990 folgte die
Veröffentlichung ihres dritten
Buches "Mujeres de ojos grandes" (dt. "Frauen mit großen
Augen",
1992).
Für ihren zweiten Roman, "Mal de Amores" (1996, dt. "Emilia",
1998), für den sie 1997 als erste Frau mit dem bedeutendsten
Literaturpreis
Lateinamerikas, dem "Rómulo-Gallegos-Preis", ausgezeichnet
wurde.
Angeles Mastretta lebt mit ihrem Mann, dem Schriftsteller und
Journalisten Héctor
Aguilar Camín, in Mexiko-Stadt.
Weitere Bücher der Autorin (Auswahl):
"Emilia"
Wie Márquez in "Die Liebe in den Zeiten der Cholera"
erzählt Angeles
Mastretta eine Liebesgeschichte, die ihren Ursprung in der
lateinamerikanischen
Kultur hat. (Suhrkamp)
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"Frauen
mit großen Augen"
"Alle träumten von
Cuba, vor allem diejenigen, die
nicht das Glück
gehabt hatten, hinüberzureisen." Der junge Manuel,
aus einem
galicischen Dorf stammend, hat dieses Glück: Als er 1916 in
Havanna eintrifft,
muss er jedoch feststellen, dass Cuba
nicht das tropische Schlaraffenland seiner
Träume ist. Wechselndes Glück begleitet seine
Versuche, sich als Kohleverkäufer
oder Trambahnfahrer eine Existenz aufzubauen, ebenso wie seine
Beziehungen zum
anderen Geschlecht. Von Heimweh geplagt, kehrt er in sein Dorf
zurück, kämpft
auf der Seite der Republikaner gegen Francos Truppen - und entscheidet
sich
schließlich doch wieder für Cuba, denn: "Havanna
ist fröhlich, trotz
allem." (Suhrkamp)
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Weitere
Lektüretipps zum
Bereich Mexiko:
Octavio
Paz: "Das
Labyrinth der Einsamkeit"
Octavio Paz' berühmter Essay "Das
Labyrinth der Einsamkeit", bereits
1950 erschienen, "ist das immer noch wichtigste Werk zum
Verständnis
Mexikos, dieses kastilischen Volkes mit aztekischen Streifen".
Für Paz
sind die Mexikaner sowohl Spanier wie auch Indianer, wenn sie auch
weder von den
Einen noch von den Anderen abstammen wollen. Mit der Ablehnung ihrer
Vergangenheit verneinen die Mexikaner sich selbst: "Sie
werden zu Söhnen
des Nichts und beginnen in sich selbst."
Octavio Paz wurde am 31. März 1914 in Mexiko-Stadt
geboren. Die Familie Paz
ist indianischer und spanischer Abstammung. Der Großvater
galt als
herausragende Figur des mexikanischen Liberalismus, und der Vater war
Mitarbeiter des Sozialrevolutionärs Zapata. Im Alter von 17
Jahren war er
Mitbegründer einer literarischen Zeitschrift und begann
gleichzeitig zu
publizieren. Im Laufe der Zeit erschienen zahlreiche Zeitschriften
unter seiner
Leitung. Nach seinem Jura- und Philosophiestudium arbeitete als Lehrer
und
engagierte sich politisch. 1944/45 hielt er sich als
Guggenheim-Stipendiat in
San Francisco und New York auf. 1946 trat er in den
Auswärtigen Dienst Mexikos
ein und wurde nach Paris entsandt. Dort begegnete er André
Breton und arbeitete
an surrealistischen Publikationen mit. 1962 wurde er zum Botschafter in
Neu-Delhi ernannt. Dieses Amt legte er 1968 aus Protest gegen das
Massaker an
demonstrierenden Studenten in Mexiko-Stadt nieder. Ab dieser Zeit
lehrte als
Gastprofessor in den USA. Im Jahr 1971 kehrte er nach Mexiko
zurück, wo er,
unterbrochen von Lehrtätigkeiten an nordamerikanischen
Universitäten, bis zu
seinem Tod am 20. April 1998 lebte.
In seinem berühmtesten Essay "Das Labyrinth der Einsamkeit"
analysiert er den Komplex verschiedener Kulturen in Lateinamerika. Sein
Gesamtwerk wurde 1990 mit dem Nobelpreis für Literatur
ausgezeichnet. (Suhrkamp)
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Carlos
Fuentes: "Alle glücklichen Familien"
Carlos Fuentes hat mit "Alle glücklichen Familien" ein
Porträt
seines Landes im 21. Jahrhundert entworfen, ironisch, schonungslos und
von
makelloser sprachlicher Schönheit.
"Familien, ich verachte euch!", soll
André Gide gesagt haben.
Die Familie als Keimzelle des Unglücks, davon erzählt
Carlos Fuentes in "Alle
glücklichen Familien".
Sechzehn Erzählungen, die um die Abgründe wissen,
die hinter der Fassade respektabler Wohlanständigkeit lauern.
Da demütigt ein
ehrgeiziger Sohn seinen bereits gedemütigten Vater, nur um die
eigene Karriere
nicht zu gefährden. Eine Frau wird von ihrem Mann
gequält und zu Hause
gefangengehalten. Ein anderer hat die schöne Tochter einer
gutsituierten
Familie geheiratet und betrügt sie mit einer unattraktiven
Cousine. Ein Vater,
General der Armee, muss den eigenen Sohn gefangen nehmen.
Vielstimmig erzählt Carlos Fuentes vom privaten
Unglück, das sich ausweitet zu
einem universellen, dort, wo die Verwerfungen der mexikanischen
Gesellschaft
jene ausgrenzen, die keine Fürsprecher haben. Ihnen verleiht
Carlos Fuentes in
einem sprachmächtigen Fresko einzelner "Chöre" eine
Stimme, die ein
polyphones Bild des gegenwärtigen Mexiko entwirft.
Carlos Fuentes, am 11. November 1928 in Panama geboren, studierte Jura
und
schlug zunächst die diplomatische Laufbahn ein, um sich dann
vor allem dem
Schreiben und der Literatur zuzuwenden. In den 1970er-Jahren war er
mexikanischer Botschafter
in
Paris, lehrte in Harvard und lebte in den USA. 1987
erhielt Carlos Fuentes die höchste Auszeichnung der
spanischsprachigen Welt:
den "Cervantes-Preis". 2008 wurde ihm der "Premio Internacional
Don Quijote de la Mancha" verliehen. (S. Fischer)
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Gabriel
Trujillo Muñoz: "Tijuana
Blues"
Miguel Ángel Morgado treibt sich im Vorhof der
Hölle herum: im Norden
Mexikos, in Baja California, wo die Erste auf die Dritte Welt prallt.
Wo auf
beiden Seiten der Grenze die Korruption blüht, wo die
Geheimdienste ihre
schmutzigen Spiele spielen, wo nackte Gewalt herrscht. Und wo die Beatniks
einst glaubten, ihr gelobtes Land gefunden zu haben. Morgado, der
eigentlich
Anwalt für Menschenrechte ist, kann das Chaos nicht
aufräumen, aber hin und
wieder für ein bisschen Gerechtigkeit sorgen, die mit
Legalität nicht
unbedingt zu tun haben muss.
Gabriel Trujillo Muñoz definiert die mexikanische
Kriminalliteratur inmitten
von Hitze, Staub und grandioser Landschaft neu: farbenfroh,
kräftig und mit
neuem Blick auf eine heiße Region, die mehr ist als nur eine
Grenze zwischen
zwei Staaten.
Gabriel Trujillo Muñoz, geboren 1958 in Mexicali im Norden
Mexikos, war ursprünglich
Chirurg und hat heute eine Professur in Kommunikationswissenschaften an
der
Universidad Autónoma de Baja California inne. Als
Schriftsteller gilt er als
Vertreter der "frontera", als "die Stimme der Baja". (Unionsverlag)
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Ignacio
Padilla: "Schatten
ohne Namen"
"Schatten ohne Namen" ist ein atemberaubender Roman, der die Frage
nach der Bedeutung von Identität und Integrität in
Zeiten totalitärer
Herrschaft stellt. Vor dem Hintergrund der beiden Weltkriege entsteht
aus
unterschiedlichen Perspektiven eine kollektive Erzählstimme,
die die
Geschwindigkeit einer Detektivgeschichte hat und zugleich der
Banalität des
Grauens ein neues Gesicht verleiht.
Mitten im Ersten Weltkrieg spielen Viktor Kretzschmar und Thadeus
Dreyer bei
einer Zugfahrt an die Grenze des Habsburgerreiches eine Partie Schach.
Der
Gewinner wird Kretzschmars Identität als Weichensteller in der
Provinz
annehmen, der Verlierer sieht seinem vermeintlich sicheren Tod an der
Ostfront
entgegen. Als ein Mann namens Thadeus Dreyer Jahre später auf
Franz Kretzschmar
trifft, den Sohn seines einstigen Gegners, ist er ein hochdekorierter
Kriegsheld
und verantwortlich für ein Doppelgängerprogramm, das
dazu dient, ranghohe
Nazis bei riskanten öffentlichen Auftritten zu vertreten.
"Schatten ohne
Namen" verfolgt die ineinander verwobenen Schicksale der Protagonisten
über
mehrere Jahrzehnte und über die halbe Welt hinweg. Am Ende ist
niemand mehr
der, der er gewesen zu sein schien.
Ignacio Padilla, geboren 1968 in Mexiko-Stadt, war bis 2003
Kulturattaché an
der mexikanischen Botschaft in London und leitet heute die
Nationalbibliothek in
Mexiko-Stadt. Seit 1990 veröffentlicht er Romane und Essays.
Sein Werk wurde
mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet
und in mehr
als fünfzehn Sprachen übersetzt. Für den
internationalen Erfolgstitel "Schatten
ohne Namen" wurde er mit dem prestigeträchtigen "Premio
Primavera de
Novela" ausgezeichnet. Die französische Zeitschrift "LIRE"
zählt
ihn zu den fünfzig wichtigsten Autoren für das 21.
Jahrhundert. (Tropen /
Klett-Cotta)
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Klaus-Jörg
Ruhl, Laura Ibarra
García: "Kleine Geschichte Mexikos. Von der
Frühzeit bis zur Gegenwart"
Für alle, die sich für die Geschichte Mexikos
interessieren, für seine
sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen, bietet der
vorliegende
Band auf knappem Raum einen fundierten Überblick. Die Autoren,
die in Mexiko
leben, schildern die indianischen Hochkulturen - die Menschen, ihre
Religion und
ihre Rituale, ihre Städte, ihre Kunstwerke bis zur
Zerstörung durch die
Konquistadoren,
allen voran Hernán Cortés. In einem weiteren
großen Kapitel gehen sie ausführlich
auf die Kolonialzeit ein und setzen sich ebenso intensiv mit den
Umbrüchen im
19. Jahrhundert und der Geburt des modernen Mexiko im 20. Jahrhundert
auseinander. (C.H. Beck)
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Markus
Degen: "Nationale
Identitäten im Diskurs: Mexiko. Von der
Unabhängigkeit bis zur Gegenwart"
Der Autor begibt sich auf die Suche nach einer positiven Antwort auf
die Frage
nach den mexikanischen nationalen Identitäten, ihren Inhalten
und ihren
Geschichten. Jede Nation, sei sie jetzt in ein staatliches Gebilde
eingefasst
oder nicht, tendiert dazu, Diskurse über die eigene
Identität zu produzieren.
Die prinzipielle Frage ist, ob manche Nationen "natürlicher"
sind als
andere, da sie etwa in ihrem Diskurs über scheinbar objektive
Charakteristika
(wie etwa eigene Sprache, lang bewohntes Territorium; hier kommt die
Raum-Zeit
Komponente zum Tragen) verfügen und andere nicht, oder ob gar
diese essenziellen
Charakteristika primordial als Basis für eine kollektive
Identität vorhanden
sein müssen. Eine andere These besagt, dass alle Nationen oder
kollektive
Identitäten das Produkt von Konstruktionsprozessen sind. Die
Unterscheidung
liegt dann nicht zwischen mehr oder weniger authentischen kollektiven
Identitäten,
sondern in der Art und Weise, wie der Konstruktionsprozess
abläuft. Die gewählte
Methodik ist die der Diskursanalyse. Daher werden zuerst
Begrifflichkeiten wie
"Identität", "Nation", "Ethnie" und "Volk"
einer genauen Analyse ihrer Bedeutungen unterzogen.
Anschließend werden die drei Phasen (Unabhängigkeit,
Revolution, Aufstand der
Zapatisten 1994), die hinsichtlich des Aufbaus der mexikanischen
nationalen
Identität(en) entscheidend waren, dem Leser vorgestellt. In
allen Phasen gilt
es - der Diskurstheorie folgend - zu klären, wer, wo, was,
wann, warum gesagt
hat, denn hinter Diskursen stehen Menschen mit Interessen, die
letztendlich auch
die materiellen Möglichkeiten besitzen müssen, um
diese umzusetzen. Dort wo es
sinnvoll erscheint, wird einen Vergleich zur
Identitätskonstruktion in Österreich
angestellt. (Praesens Verlag)
Buch
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Erika
Bestenreiner: "Charlotte
von Mexiko. Triumph und Tragödie einer Kaiserin"
Voller Spannung und Dramatik erzählt Erika Bestenreiner die
Geschichte der
Charlotte von Mexiko, die durch fatale
Selbstüberschätzung und Ehrgeiz zum
Spielball der politischen Mächte wurde und auf tragische Weise
scheiterte.
Charlotte von Belgien (1840-1927) ist gerade 16 Jahre alt, als
sie sich
Hals über Kopf in
Erzherzog
Ferdinand Maximilian von
Österreich (1832-1867)
verliebt und ihm ohne zu zögern ihr Jawort gibt. Doch die
ebenso schöne wie
selbstbewusste Prinzessin will mehr als nur repräsentative
Pflichten bei Hofe
erfüllen: Als
Napoleon III. Maximilian die Kaiserkrone von Mexiko
anbietet, überredet sie ihn, den Thron anzunehmen und sich auf
die Reise in die
fremde Neue Welt zu begeben. Ein modernes, aufgeklärtes und
liberales Kaisertum
wollen die neuen Herrscher begründen - in einem vom
Bürgerkrieg
zerrissenen Land, in dem Armut und Unterdrückung herrschen.
Das abenteuerliche
Unterfangen sollte für Maximilian und Charlotte grausam enden.
(Piper)
Buch
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"Reise
nach Mexiko.
Geschichten fürs Handgepäck"
Schneebedeckte Vulkane, Palmenstrände, tropischer Dschungel -
schon die
geografische Vielfalt macht deutlich: Mexiko ist ein Land der
Kontraste. Die
indigene Kultur der Mayas,
Aztekenruinen
und gelebte Spiritualität treffen auf die urbane Gegenwart der
Riesenmetropole Ciudad de México. Diese Destination ist viel
mehr als Tequila,
Mariachi und Telenovelas: Auch Armut, Migration und der
unermüdliche Kampf der
Zapatisten sind Teil der Realität, die den Reisenden erwartet.
Über 200 Chilisorten wachsen auf mexikanischem Boden - eine
ebenso scharfe und
abwechslungsreiche Mixtur aus Geschichten hält dieser Band
bereit. (Unionsverlag)
Buch
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Leseprobe:
Alles oder nichts
Da konnte einen schon die Wut packen, denn nachdem man sich
dermaßen geliebt hatte und immer wieder auf andere Art, war
es ein Jammer, jetzt, nach den
zweihundert Jahren, die sie sich bereits kannten, auseinanderzugehen,
einfach
so.
Von zweihundert Jahren sprach sie, da sie mit der Zeit zu der
Überzeugung
gelangt war, dass es so sein musste. In ihrem eigenwilligen Glauben an
das
Absolute bediente sie sich aus allen ihr zur Verfügung
stehenden
Religionen,
und die Sache mit den mehreren Leben, den jungen und den alten Seelen,
hatte ihr
auf Anhieb gefallen, weil es sich anhörte wie eine aus
silbernen Fäden
gesponnene Wahrheit.
Nichts ließ sie an dem Glauben zweifeln, dass sie sich schon
zu lange kannten,
um sich noch zu erinnern, seit wann genau. Sicherlich, so vermutete
sie, waren
sie sich zum ersten Mal im Jahr 1754 begegnet, vielleicht in Valencia,
und ein
weiteres Mal oder viele weitere Male im Laufe des 19. Jahrhunderts,
mitten in
einem Krieg oder auf einem Ball, doch ihre Begegnung im Jahr 1967 auf
einer
Treppe unmittelbar im Zentrum von Puebla hatte den letzten Ausschlag
gegeben,
und zwar mit glücklichem Ausgang, obwohl es auch diesmal, wie
schon so manches
Mal, um ein Haar ein schlechtes Ende genommen hätte.
Wer weiß schon, warum das Leben ausgerechnet solchen Menschen
ein Bein stellt,
die von außen gesehen gar nicht anders können, als
für den Rest ihres Lebens
ein Paar zu bleiben; aber manchmal geschieht es, wie gesagt, und dann
trauern
nicht nur die beiden, sondern die ganze Welt wird merklich einen Hauch
trauriger.
Im 20. Jahrhundert wurden Ana García und Juan Icaza,
große Namen jener kleinen
Stadt, in dem Moment zum Paar, als besagte Treppe sie mit ihrem
magischen Zauber
belegte. Ana befand sich auf dem Weg hinauf, und er kam von oben
herunter, als
die Luft zwischen ihnen von dem Geruch unter ihren Kleidern gestreift
wurde. Sie
trug ein weißes Kleid, denn es war heiß. Er hielt
in der Hand einen Cordobeser
Hut, mit dem er jeden glauben machte, er sei auf dem Weg zum oder vom
Stierplatz.
Zu jener Zeit war es dort noch Sitte, dass die Männer den
Frauen den Hof
machten, und dafür brauchte er gerade mal eine halbe Minute.
Er fragte sie, ob
sie die Tochter ihres Vaters sei, und erklärte ihr, er stelle
den Zwirn her,
mit dem der gute Señor seine Stoffe webe. Und dann
fügte er noch hinzu, sie
erinnere ihn an eine Friedenstaube, woraufhin sie ihm lächelnd
entgegnete, die
Tauben befänden sich doch ständig im Krieg, immerhin
gebe es keinen Platz,
keinen Glockenturm, der das Gegenteil beweise, und einer Frau in
Weiß sei
ohnehin nie über den Weg zu trauen.
Sie hatte die alte Weisheit, nach der Ironie bei Männern nicht
ankommt,
vergessen und sich zu ebensolcher hinreißen lassen. Fortan
sollte ihre
Beziehung ihre Hochs und Tiefs erleben, sooft Ana das
Unabänderliche mit Spott
bedachte. Das galt etwa für Juans Selbstverliebtheit, seine
Geschwätzigkeit,
seine maßlose Eitelkeit und die Tatsache, dass man ihm den
notorischen Trinker
ansah.
Eine Zeitlang waren sie ein Paar. Eines von denen, die sich noch vor
der Haustür
verabschieden, wo ihr Rendezvous eigentlich erst richtig hätte
beginnen sollen.
Einmal ging er nach solch einem Abschied mit seinen Freunden noch einen
trinken,
und aus dem Umtrunk wurde im Nu ein Techtelmechtel mit einer
Rothaarigen. Am nächsten
Morgen erwachte die halbe Stadt zu dem Getuschel, Icaza habe mit einer
Gringa
getanzt, die an ihm geklebt habe wie eine Briefmarke.
"Ich war doch betrunken",
entschuldigte er sich.
"Umso schlimmer", sagte Ana und löste sich aus der Umarmung,
die kaum eine
gewesen war.
An jenem Morgen und an den dreißig folgenden stand Juan
singend unter Anas
Balkon, und während sie sich taub stellte, bedauerte der Rest
ihrer Familie, es
nicht zu sein. Begleitet wurde er von einem Mariachi, der alle Lieder
von vorne
bis hinten auswendig kannte, in denen an irgendeiner Stelle eine
undankbare
Taube besungen wird. Ganz zu schweigen von der schwarzen Taube oder der
geliebten Taube, derjenigen, die sich am Fenster niederlässt,
oder einer
anderen, die niemals kommt, der Taube, in deren Armen man die nie
erträumte
Liebe erfahren hat, derjenigen, die sehr wohl weiß, dass es
ihn zerstören
wird, sollte sie je den Glauben an ihn verlieren.
Doch sosehr sie sich auch die Kehle aus dem Leib sangen, weder der
Mariachi noch
die Tauben
und am allerwenigsten Juan fanden Pardon. (...)