Prof. Dr. Peter Bofinger: "Ist der Markt noch zu retten?"
Warum wir jetzt einen starken Staat brauchen
Bestandsaufnahme
einer Krise
Schon der Nachsatz zum Buchtitel "Warum wir jetzt einen starken Staat
brauchen" macht Peter Bofingers Standpunkt deutlich, und auf Seite 11
seines Buches versucht er, dieses Bekenntnis zu einem starken Staat zu
präzisieren:
"Das vorliegende Buch ist ein Plädoyer für
eine neue Balance von Markt
und Staat, mit der die Wirtschaft und die Gesellschaft in Deutschland
mittel-
und langfristig besser fahren werden als mit einem starren Festhalten
am
wirtschaftspolitischen Kurs der letzten Jahre."
Unnötig, zu betonen,
dass dem Autor mit seinem starken Staat kein Polizei- und
Überwachungsstaat vor
Augen schwebt und auch kein sozialistischer Staat. Das Entscheidende
ist, wie
halt auch in anderen Bereichen des Lebens: die richtige Balance zu
finden. Im
Moment jedenfalls scheint diese Balance empfindlich gestört,
und Bofinger sieht
die Gefahr heraufschweben, dass sich die Krise des Marktes zu einer
Krise der
Demokratie ausweiten könnte. Und um genau das zu verhindern,
muss die Reform
der Finanzmärkte eine möglichst weitreichende sein,
es muss zu wirklich
grundlegenden Erneuerungen kommen, die über halbherzige
Ansätze hinausgehen.
So sieht das auch Peter Bofinger. Zunächst erläutert
er die Umstände und
Ursachen, die zur gegenwärtigen Krise geführt haben,
um dann Maßnahmen zum
Gegensteuern zur Diskussion zu stellen.
Im Einzelnen fordert er unter Anderem die Errichtung einer staatlichen Rating-Agentur.
Und auch bei dem System der Bonus-Zahlungen muss sich nach Meinung des
Autors
etwas ändern. Peter Bofinger zitiert in diesem Zusammenhang
den Züricher Ökonomen
Bruno Frey: "Wer Boni zahlt, lockt Leute an, denen es ums
Geld geht. Wer
feste Gehälter zahlt, lockt Leute an, denen es um die Arbeit
geht."
Auch in der Abkehr vieler Menschen von der Politik und deren
Repräsentanten
sieht Bofinger eine bedenkliche, wenn nicht gar gefährliche
Entwicklung. Und
neben einem Plädoyer für eine neue Ordnung der
Weltwährungen stellt er
beachtenswerte Gedanken zum Thema Globalisierung zur Diskussion. Dann
fordert er
eine Abkehr von der Politik der Lohnzurückhaltung. Zitat: "Wenn
sich
ein Unternehmen nur deshalb auf dem Markt behaupten kann, weil es ihm
gelungen
ist, seinen Arbeitnehmern ein besonders schlechtes Gehalt zu bezahlen,
erscheint
das als eine Perversion von Wettbewerb." Wer wollte ihm da
widersprechen? Des Weiteren fordert Peter Bofinger, mehr in die Bildung
zu
investieren. Dann kommt er auf die kontrovers diskutierte
Subventionspraxis zu
sprechen. Was hat es mit den Subventionen auf sich, wer profitiert
eigentlich in
erster Linie davon? Peter Bofingers Antwort wird vielleicht den einen
oder
anderen Leser überraschen. Eine weitere Forderung Bofingers:
Fuß runter von
der Schuldenbremse, denn er könnte sich dann als
Pferdefuß entpuppen und die nötigen
Investitionen in die Zukunft verunmöglichen, zumindest
erschweren. Und auch
wenn der Autor den sogenannten "Aufbau Ost" als ein zweites
Wirtschaftswunder würdigt, stellt er der deutschen Politik
insgesamt kein gutes
Zeugnis aus. "Wenn der Staat wieder eine aktivere Rolle
spielen soll,
muss es gelingen, den Prozess der Entfremdung der Bürger von
ihrem Staat zu
stoppen." Und Bofingers Schlussplädoyer lautet wie
folgt: "Nur
ein starker Staat, der von einer breiten Zustimmung seiner
Bürger getragen
wird, kann den Markt auf Dauer vor seinem eigenen Untergang bewahren
und damit
zugleich die Zukunft der demokratischen Gesellschaft wie der Wirtschaft
nachhaltig sichern." Die Chancen dafür sieht der
Autor immer noch als
recht gut an. Bofinger sieht jedenfalls noch Licht am Horizont.
Ja, auf Panikmache verzichtet Peter Bofinger in seinem Buch, und das
ist auch
gut so, denn Panik ist schon immer ein schlechter Ratgeber gewesen.
Bofingers präzise
Darlegungen dramatisieren nicht, aber sie beschönigen auch
nichts. Er übt maßvolle,
sachliche und kompetente Kritik, ohne dabei in die Rolle des
Anklägers zu schlüpfen.
Argumentation statt Polemik ist Trumpf bei Peter Bofinger. Man kann ihm
in allen
Punkten zustimmen, vielleicht sieht er die Perspektiven für
die Wirtschaft
sogar noch ein wenig zu rosig, aber das wird die Zukunft zeigen. Sein
Buch ist
neben dem Sachverstand des Autors charakterisiert von einer wohltuenden
Verständlichkeit,
die auch dem wirtschafts- und finanzpolitischen Laien dieses Buch mit
großem
Gewinn lesen lässt. Die sprachlichen Bilder, die Bofinger
bisweilen zum
Verdeutlichen von nicht immer einfachen wirtschaftlichen
Zusammenhängen
benutzt, lassen in ihrer Anschaulichkeit kaum zu wünschen
übrig. Ein wirklich
lesenswertes Buch.
(Werner Fletcher; 06/2009)
Prof.
Dr. Peter Bofinger: "Ist der Markt
noch zu retten? Warum wir jetzt einen starken Staat brauchen"
Econ, 2009. 256 Seiten.
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Peter
Bofinger, Jahrgang 1954,
lehrt Volkswirtschaftslehre in Würzburg. Er ist einer der
wenigen führenden
deutschen Ökonomen, die für eine eher linke,
nachfrageorientierte oder
keynesianische Wirtschaftspolitik stehen. Neben zahlreichen
Fachbüchern hat
Peter Bofinger 2004 den Wirtschaftserfolgstitel "Wir sind besser, als
wir
glauben. Wohlstand für alle" veröffentlicht:
"Wir sind besser, als wir glauben. Wohlstand für alle"
Noch nie beherrschte die Wirtschaftspolitik die öffentliche
Debatte so stark
wie heute. Der "Wirtschaftsweise" Peter Bofinger gibt
verständliche
Antworten auf die zentralen Fragen: Was bedeutet die Globalisierung
tatsächlich
für unsere Arbeitsplätze? Warum steigen die
Staatsschulden immer weiter an?
Wovon hängt es ab, ob wir die demografische Zeitbombe
entschärfen können? Wie
geil ist Geiz wirklich? Er zeigt, warum die bisherigen Reformen so
wenig bewirkt
haben, und entwickelt einen Zehn-Punkte-Plan für Wachstum und
Beschäftigung.
Vor allem aber liefert er fundierte Argumente gegen jene, die
Deutschland mit
radikaler Deregulierung und Sozialabbau nach vorne bringen wollen.
(Rowohlt)
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Weitere Buchtipps:
Paul Krugmann: "Die neue Weltwirtschaftskrise"
Schon vor etlichen Jahren wies Paul Krugman auf die Rückkehr
der ökonomischen
Missstände hin, die die Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre
ausgelöst haben.
Doch in der Hochblüte nach der Jahrtausendwende wurde seine
Warnung vergessen.
Jetzt steht eine neue Weltwirtschaftskrise vor unserer Tür. In
seinem Buch
zeigt der Nobelpreisträger, wie die mangelnde Regulierung der
Finanzmärkte die
Voraussetzungen für eine Rückkehr der
Weltwirtschaftskrise schuf. Er legt dar,
welche Schritte unternommen werden müssen, damit die Krise
eingedämmt und die
Weltwirtschaft vor dem Absturz in eine tiefe Rezession bewahrt werden
kann. (Campus-Verlag)
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Michael North: "Kleine Geschichte des
Geldes. Vom
Mittelalter bis heute"
Im Zeitalter von
Globalisierung
und Finanzkrise erscheint eine Besinnung auf die Grundlagen unseres
Geldes
geboten.
Diese "Kleine Geschichte des Geldes" hilft zu verstehen, dass
Kapitalströme noch nie auf den nationalen Rahmen
beschränkt waren, sondern in
einem weit verzweigten, nicht erst heute globalen Austausch standen.
Im historischen Vergleich wird der Eurobesitzer zu schätzen
wissen, dass er
gegenwärtig in Europa eine unvergleichlich lange Zeit der
Geldwertstabilität
genießt. (C.H. Beck)
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André
Comte-Sponville: "Kann Kapitalismus moralisch
sein?"
Aus dem Kalten
Krieg ist 1989
der
Kapitalismus als Sieger hervorgegangen.
Doch wozu war
dieser Sieg gut? Und was ist seither aus dem Sieger geworden?
André Comte-Sponville wurde 1952 in Paris geboren. Der
ehemalige Professor für
Philosophie an der Sorbonne widmet sich seit 1998
ausschließlich dem Schreiben.
Mit dem internationalen Erfolgstitel "Ermutigung zum
unzeitgemäßen Leben"
begründete er eine neue Welle, die "Philosophie für
alle", die den
Philosophiemarkt aufblühen ließ. (Diogenes)
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