Lu Xun: "Das trunkene Land"

Erzählungen


Ein Erzähler und Denker von Aktualität, in dessen Werk Melancholie und Militanz, Ironie und Trauer verschmelzen

Lu Xun gilt als einer der Begründer der literarischen Moderne in China. Der Sohn einer in der Qing-Dynastie in Ungnade gefallenen Administratorenfamilie lernte sowohl den Wechsel vom privilegierten zum extrem ruralen Leben kennen als auch den Übergang vom Kaiserreich zur Volksrepublik. Er studierte Medizin und Literatur, verbrachte Zeit in Japan und beschäftigte sich intensiv mit der europäischen sowie der us-amerikanischen Literatur, die er zum Teil ins Chinesische übersetzte. Er unterrichtete und war bis zu seinem Tod im Jahr 1936 einer der bedeutendsten linkspolitischen Autoren der neu entstandenen Volksrepublik.

Die vorliegende Sammlung von Kurzgeschichten zeigt seinen Weg zur Position eines Vordenkers und "Vorschreibers" über die Verurteilung des alten Kaiserreichs ("Das Tagebuch eines Verrückten", "Ein heller Glanz"), kafkaeske Einflüsse ("Eine Bagatelle", "Ein Gelehrter namens Gao"), eine Betrachtung der Veränderung der eigenen Lebensumstände ("Heimat", "Der Einsame") und die der chinesischen "Durchschnittsbauern" ("Die wahre Geschichte des Herrn Jedermann") und vieles mehr bis hin zu seiner "Reise über den Pass", worin er sich mit dem Konfuzianismus und dem Daoismus auseinandersetzt - allerdings aus einer auffallend kommunistisch geprägten Perspektive, die das "Alte" eben auslöschen möchte. Daneben gibt es auch einige eher persönliche Betrachtungen, wie etwa in "Unwiederbringlich - Die Aufzeichnungen des Juansheng" oder in "Mama Chang und das 'Buch der Berge und Meere'", sowie "Die Krankheit meines Vaters". Mit "Wider den Angriffskrieg" liefert der Autor eine wunderbare Erzählung zu diesem Thema, die sich problemlos in jeden anderen Kulturkreis übertragen lässt.

Ein überraschendes Stück chinesischer Literaturgeschichte voller westlicher und japanischer Einflüsse, die ein wenig an Haruki Murakami erinnern - neigte dieser in seinen Darstellungen mehr zum rustikalen Leben. Seine vergleichenden Betrachtungen zur westlichen und chinesischen Literatur gehen oft Hand in Hand mit jenen zur westlichen und traditionellen chinesischen Medizin und zeigen deutlich die Einstellung der damals "modernen Chinesen" zu diesem Thema; eine Einstellung, deren Auswirkungen seit Mitte der 1950er-Jahre auch auf Regierungsseite eine massive Gegenbewegung hervorgerufen haben.

Diese aus der sechsbändigen Werkausgabe entnommene Kurzgeschichtensammlung bietet insgesamt einen sehr guten Überblick über Lu Xuns literarisches Schaffen. Er hat auch noch viel "Sachliches" geschrieben, und die Anmerkungen zu Übersetzungsaspekten, Kultur und Geschichte am Ende des Buches sind vielleicht nicht immer notwendig, ermöglichen jedoch ein tieferes Eintauchen in die Geschichte, was sich auf jeden Fall lohnt.

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 07/2009)


Lu Xun: "Das trunkene Land. Erzählungen"
Aus dem Chinesischen von Ruth Cremerius, Raoul David Findeisen,
Angelika Gu, Christine Homann, Wolfgang Kubin, Michaele Link,
Stefan Maedje, Yu Ming-chu, Florian Reissinger und Ekkehard Sillem.
Unionsverlag, 2009. 251 Seiten.
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Lu Xun wurde am 25. September 1881 in Shaoxing, Provinz Zhejiang, geboren und starb am 19. Oktober 1936 in Shanghai an Tuberkulose. Stationen seines Lebens sind: traditionelle Ausbildung in einer Privatschule, Studium des Bergbaus in Nanjing und der Medizin in Japan, Mittelschullehrer in seiner Heimatprovinz, Beamter im Erziehungsministerium, Professor an verschiedenen chinesischen Universitäten (Peking, Xiamen, Guangzhou), freie literarische Tätigkeit in Shanghai.

Weitere Lektüretipps:

Lu Xun, Richard Trappl (Hrsg.): "China erlesen. Morgenblüten abends gepflückt"

Lu Xun (eigentlich Zhou Shuren, 1881-1936) wird vielfach als der Begründer der modernen chinesischen Literatur angesehen, als "chinesischer Gorki" bezeichnet oder mit Brecht verglichen. Sein Oeuvre entlarvt im Sinne der revolutionären Sichtweise des Autors ein Chinesentum zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das angesichts kolonialer Bedrohung dem Untergang geweiht zu sein schien. Die Sammlung "Morgenblüten abends gepflückt" enthält zehn Essays, die Lu Xun 1928 erstmals publiziert hat. (Wieser Verlag)
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Lu Xun: "Werke" Studienausgabe in 2 Bänden
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Wei Wang (Stephan Schuhmacher, Hrsg.): "Jenseits der weißen Wolken. Die Gedichte des Weisen vom Südgebirge"

Unter den berühmten klassischen Dichtern Chinas zählt Wang Wei (701- 761) zu den bedeutendsten. Sein großes Spektrum zeigen mehr als 120 ausgewählte Gedichte, die zur Kontemplation einladen und geprägt sind von der ästhetischen Sensibilität des Zen.
Wie gegenwärtig die jahrhundertealten Kostbarkeiten sind, erschließt der Herausgeber und Übersetzer in ausführlichen Kommentaren. (dtv)
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Olga Barrio Jiménez und Eva Schestag (Hrsg.): "Eine Sammlung chinesischer Klassiker"

Die chinesische Literatur ist eine der ältesten und reichsten Literaturen der Welt. In vier Bänden und mit einem Begleitband, mit Neuübersetzungen und den großen Texten bietet die Sammlung chinesischer Klassiker ein in seiner Form nie auf Deutsch da gewesenes Panorama - die Entdeckung einer großen Literatur.
Anlässlich der Frankfurter Buchmesse 2009 haben Olga Barrio Jiménez und Eva Schestag die Edition in vier Bänden im S. Fischer Verlag vorbereitet. Die beiden ersten Bände sind eigens für diese Ausgabe zusammengestellt und zum Teil neu übersetzt worden:

Eva Schestag (Hrsg.): "Band I: Das alte China. Die Anfänge der chinesischen Literatur und Philosophie. Eine Anthologie"
Der erste Band ist eine Einladung, die Ursprünge der großen Strömungen chinesischen Denkens zu entdecken: von den frühen klassischen Werken bis zu den philosophischen Texten der Hundert Schulen, vom Yi Jing bis hin zu den grundlegenden Schriften der daoistischen und konfuzianischen Meister. Die Quellen der chinesischen Kultur werden in zum Teil exklusiv für diesen Band angefertigten Übersetzungen sichtbar, die Einleitungen erschließen und Kommentare vertiefen. (S. Fischer)
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Olga Barrio (Hrsg.): "Band II: Von Kaiser zu Kaiser: Die klassische Chinesische Lyrik. Eine Anthologie"
Band 2 stellt die Tang- und Song-Dynastien als Blütezeit der chinesischen Lyrik in den Mittelpunkt, doch kann man die Gedichte von Li Bai, Tu Fu und Wang Wie nicht wirklich schätzen, wenn sie nicht im Zusammenhang ihrer Vorgänger und Nachfolger oder außerhalb des Kanons stehenden Zeitgenossen wie Han Shan sieht. Der Band stellt nicht nur ein Panorama der klassischen chinesischen Poesie dar, sondern ist gleichzeitig eine ganz neue Begegnung mit den eigenen großen Dichtern als Nachübersetzer, Bert Brecht, Günter Eich oder Albert Ehrenstein. (S. Fischer)
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Wolfgang Maria Bauer und Herbert Franke (Hrsg.): "Band III: Die goldene Truhe. Anthologie"
Zahllose, im Volksglauben wurzelnde Themen und Motive der chinesischen Literatur, die von seltsamen, wunderbaren, übernatürlichen oder außergewöhnlichen Begebenheiten erzählen wie berichten, gehen auf die Novellen, kleine Erzählungen, aus der klassischen Zeit zurück. In ihnen ist die Rede von mächtigen Kaisern, heldenhaften Rittern, Hofleuten und strengen konfuzianischen Gelehrten, von treuen Frauen und anspruchsvollen Kurtisanen. Neben den archaischen Legenden der Frühzeit steht eine Fülle von Liebesgeschichten aus der höfischen Welt. Wolfgang Bauer und Herbert Frank, zwei große deutsche Sinologen, haben diese Geschichten in einer Sammlung zusammengefasst, die inzwischen selbst zum Klassiker geworden sind. (S. Fischer)
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Manfred Porkert (Hrsg.): "Band IV: Der Aufstand der Zauberer. Ein Roman aus der Ming-Zeit"
Exemplarisch für den Roman steht "Der Aufstand der Zauberer": Im 11. Jahrhundert, so überliefert es die chinesische Geschichtsschreibung, zettelte Wang Ze aus Beizhou mit Hilfe daoistischer Praktiken einen Aufstand an. Es gelang ihm, sich zum Prinzen zu ernennen und 66 Tage in Beizhou zu regieren, bis Regierungstruppen die Rebellen niederwarfen. Dies der historische Kern des Romans, dessen Originalfassung vom klassischen Dichter Luo Guanzhong (Autor von "Die drei Reiche") in einer prachtvollen Bearbeitung von 1620 durch Feng Menglong (1574-1646) erhalten ist.
Der Daoismus gilt in der chinesischen Geschichte traditionell als Ferment politischer Revolten, getragen vom Aufstand der Sinne gegen die strenge Zucht des Konfuzianismus: "Dem Zwang der Moral", schrieb Marcel Granet über die Geisteshaltung der Ming-Zeit, "der Riten, der politischen Organisation und der Opferpraktiken, der von den düsteren Anhängern Mozis gepredigt wurde, stellten die daoistischen Denker das Ideal eines autonomen, natürlichen, freien und freudigen Lebens entgegen. Dieser Idealismus hat unzweifelhaft dem späteren Koautor des Luo Guanzhong noch entschiedener die Feder geführt als jenem. Der Aufstand der Zauberer wurde zu einem gewaltigen, tiefsinnigen Unterhaltungsroman, einem Schatzhaus volksreligiöser Motive, einem Gruppenbild mythischen Personals, daoistischer Zauberer. Und gleichzeitig reicht der Roman mit seinen beiden weiblichen Hauptfiguren tief in die matriarchalische Vorgeschichte der chinesischen Kultur."
Unerschöpflich sind im Roman aber auch die Nachrichten aus der irdischen, historischen Welt: große Volks-, Fest- und Schlachtenszenen, erotische Exkurse, Opfer- und Gebetsrituale, Aufnahmen aus der Straf- und Gerichtspraxis stehen neben mehr oder minder ausführlichen Skizzen aus der Welt der Ärzte, der Kaufleute, der Mönche und Räuber, der Kapitalisten und Handwerker - einer der zwölf großen Romane der klassischen chinesischen Literatur in der Übersetzung des bedeutenden Sinologen Manfred Porkert. (S. Fischer)
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"China-Bibliothek" (Sammelkassette)
Das besondere Geschenk in der China-Kassette: Der legendäre "Drei-Zeichen-Klassiker" - Ein Abriss der Jahrtausende alten konfuzianischen Tradition in 1200 Zeichen. (S. Fischer)
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Yan Lianke: "Der Traum meines Großvaters"
Voller Trauer und mit einer großen Liebe zum Leben setzt Yan Lianke all jenen Menschen ein poetisches Denkmal, die dem in China bis heute vertuschten AIDS-Skandal der 1990er-Jahre zum Opfer fielen. Ein zutiefst bewegender Roman von einem der wichtigsten chinesischen Schriftsteller der Gegenwart.
Die Sonne geht unter über der chinesischen Provinz Henan und taucht das Tal in Rot. Ein toter zwölfjähriger Junge erscheint seinem Großvater in dessen Träumen und erzählt uns diese unglaubliche Geschichte: Vor vielen Jahren folgten die Bürger im Dorf Dingzhuang einem Aufruf der Regierung und verkauften ihr Blut. Ein besseres Leben wurde ihnen versprochen, und der Großvater, Lehrer und Dorfvorsteher, riet ihnen gut zu. Sein ältester Sohn organisierte den Handel, und für eine Weile zog tatsächlich ein wenig Wohlstand ein. Dann aber kam die Krankheit, die die einstigen "Spender" schlicht "das Fieber" nennen und die sie nun aus dem Leben weht wie tote Blätter von den Bäumen.
Yan Lianke erzählt von einer Schicksalsgemeinschaft und ihrem zum Scheitern verurteilten Versuch, in einer extremen Situation menschlich zu bleiben. (Ullstein)
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Liu Heng: "Bekenntnisse eines Hundertjährigen"
Ein fulminanter Schelmenroman, der in China zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielt: Vor dem Hintergrund gewalttätiger Unruhen kommt es auch im traditionsreichen Haus der Familie Cao zu unerhörten Ereignissen.
Nie hat der Diener den Augenblick vergessen, als er zum ersten Mal die Braut des jungen Herrn Cao erblickte: Bei strömendem Regen stieg sie aus ihrer roten Sänfte, und er verliebte sich für immer. Dem französischen Ingenieur, den Cao aus dem Ausland mitgebracht hat, geht es nicht anders. Er soll eigentlich eine Zündholzfabrik dort in der chinesischen Provinz aufbauen, doch Cao experimentiert heimlich mit Sprengstoff. Sein Vater probiert ständig die merkwürdigsten Heilmittel aus, die Mutter hat sich als buddhistische Einsiedlerin zurückgezogen, und so dirigiert der älteste Sohn die Geschicke der Großfamilie. Beobachtet wird das ganze Treiben von dem naseweisen jungen Diener, dem auch nicht entgeht, was sich in den Kaschemmen am Fluss, in den Bordellen und den Teehäusern abspielt. In farbigen Details und einer lakonischen Sprache wird Chinas feudale Vergangenheit lebendig.
Liu Heng wurde 1954 als Sohn von Landarbeitern geboren. Seit 1977 schreibt und publiziert er Erzählungen, Romane und Drehbücher, von denen einige mit großem internationalen Erfolg verfilmt wurden.
Liu Heng ist einer der renommiertesten chinesischen Autoren. "Bekenntnisse eines Hundertjährigen" ist sein erster Roman auf Deutsch. (Hanser)
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Susanne Hornfeck, Nelly Ma (Hrsg.): "Erste chinesische Lesestücke"
Illustriert von He Gen De.
Chinesisch ist angesagt: Zunehmend wird die Sprache an Schulen, Volkshochschulen und Universitäten unterrichtet, auch Firmen bieten ihren Mitarbeitern Sprach- und Kulturtraining an. Eine Auswahl kleiner populärer klassischer sowie moderner Texte - Prosa und Lyrik - vermittelt neben der Sprache einen Einblick in eine ferne Kultur. Ein Buch für Chinesisch- Lernende, die sich über die Lektüre einfacher Texte freuen. (dtv)
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