Li Er: "Koloratur"
Der
"Tagesspiegel" lässt auf dem Buchumschlag verlauten: "Li
Er gilt als vielversprechender Kandidat für den
Literaturnobelpreis." Der chinesische Schriftsteller, der im
Gastjahr 2009 auch auf der Frankfurter Buchmesse anzutreffen war,
erzählt im 440-seitigen Roman "Koloratur", der im August 2009
in deutscher Übersetzung bei Klett-Cotta erschien, die
Geschichte des Helden Ge Ren - und zwar gleich dreimal, und das in
einer Mischung aus Protokoll und Erzählung.
Zunächst berichtet
der Arzt Bai Shengtao im März 1943 von Ge Ren,
anschließend der Straftäter Aqing im Mai 1970 der
Untersuchungskommission, und zuletzt erzählt Fan Jihuai im
Juni 2000 von Ge Ren.
Ge Ren ist ein Held - oder auch nicht, denn die Geschichten, die man in
"Koloratur" von ihm lesen kann, sind widersprüchlicher Natur.
In der einen ist Ge Ren ein noch lebender Volksheld, der in den
Untergrund geflohen ist, in der nächsten ein toter Volksheld,
der sein Leben für die Ideologie gab, und
schließlich ist Ge Ren - vielleicht - einfach nur ein
Deserteur, ob nun noch lebend oder tot. Genau weiß und
erfährt man es nicht, auch wenn sich verschiedene Stationen im
Leben des Ge Ren und in den Aussagen der Leute wiederholen und
identisch sind. In den entscheidenden Punkten kommt es dann jedoch zu
Variationen, für die letztlich auch relevant ist, wie die
einzelnen Erzähler zu Ge Ren standen oder stehen, ob sie ihn
persönlich kannten oder Freunde von ihm, wie ihre eigene
politische Einstellung ist und welche ihrer Ansicht nach Ge Ren hatte.
Und können sie vielleicht einen bestimmten Standpunkt oder
eine bestimmte Ansicht vertreten, indem sie Ge Ren auf eine bestimmte
Art und Weise darstellen?
All diese Details, die prägend für die
Einschätzung und Berichterstattung der einzelnen
Erzähler sind, sorgen dafür, dass es keine eindeutige
Wahrheit gibt, sondern mehrere. Es ist nicht klar abzugrenzen, wo
Fakten beschrieben werden und wo Fiktionen.
Mit "Koloratur" ist Li Er sicherlich ein spannendes Experiment
gelungen, doch es ist auch eines, das sich zumindest westliche Leser
hart erarbeiten müssen. Ohne adäquate
Kenntnisse
der
chinesischen Geschichte ab den 1930er-Jahren ist das Buch
kaum
einzuordnen und teils unverständlich, und selbst mit diesen
gilt es, einiges selbst zu ergänzen. Da sich die einzelnen
Erzähler und ihre Zuhörer natürlich in dem,
was sie erzählen, "mittendrin" befinden, sind entsprechend
breiter gefächerte Erläuterungen selten,
wären aber für den Leser ungemein hilfreich gewesen.
"Koloratur" ist vor allem für Kenner der chinesischen
Geschichte von Interesse, wirft darüber hinaus jedoch einige
interessante Fragen auf:
Was ist Wahrheit? Wie wird sie definiert oder
festgelegt, und wie findet sie sich in der Geschichtsschreibung wieder?
Wie diskrepant sind Geschichtsgeschehen und
Geschichtsschreibung?
Gerade die landesübergreifenden Fragen sind es, über
die es sich nachzudenken lohnt. Nicht umsonst heißt es: "Die
Geschichte wird von den Siegern geschrieben." - und Koloratur
bedeutet im Chinesischen übrigens auch: "schöne
Worte machen, etwas schönreden".
(Tanja Thome; 10/2009)
Li
Er: "Koloratur"
(Originaltitel "Huaqiang")
Übersetzt von Thekla Chabbi.
Klett-Cotta, 2009. 440 Seiten.
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Li
Er, geboren 1966, stammt aus
der Provinz Henan (Volksrepublik China), hat in Shanghai Sinologie
studiert und
lebt in Peking. Li Er wurde mit dem "Großen Medienpreis
für
chinesischsprachige Literatur 2004 in der Kategorie Belletristik"
ausgezeichnet und ist einer der verheißungsvollen
chinesischen
Autoren, die China nicht mehr unter dem Blickwinkel der
Kulturrevolution und
ihrer grausamen Folgen betrachten, sondern zur Generation des
Übergangs gehören,
die in ihren Büchern vor allem die emotionalen und geistigen
Konflikte ihrer
Figuren schildern. Seit der Veröffentlichung seines ersten
Romans,
"Koloratur", im Jahr 2002 in China genießt Li Er immer
größere
Popularität.
Ein weiteres Buch des Autors:
"Der Granatapfelbaum, der Kirschen trägt"
Kong Fanhua, selbstbewusste Dorfbürgermeisterin in der Provinz
Henan, möchte
bei den anstehenden Wahlen in ihrem Amt bestätigt werden.
Eigentlich reine
Formsache. Doch dann gefährdet die
außerplanmäßige Schwangerschaft einer
Bäuerin
ihre Wiederwahl. Humorvoll und sehr direkt schildert Li Er den Konflikt
zwischen
Tradition und Moderne, Rückständigkeit und
Fortschritt, chinesischer Lebensart
und westlichen Einflüssen. (dtv)
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Leseprobe:
1. Teil: Um der Wahrheit die Ehre zu geben
Zeit: März 1943
Ort: Unterwegs von Baipi nach Hongkong
Erzähler: Bai Shengtao, Arzt
Zuhörer: Fan Jihuai, Generalleutnant
Protokollant: Ding Kui, Fan Jihuais Begleiter
Mitteilung
General, um der Wahrheit die
Ehre zu geben: Tian Han überbrachte mir die Nachricht, als ich
noch in Hougou
war. Ihr Militärs kennt sicher alle den Dattelgarten in Hougou
an der
Arrestzelle. Ich saß in dieser Zelle, für knapp zwei
Monate. Am Abend, als
Tian Han eintraf, glaubte ich erst, er käme zu mir, seinem
Landsmann, um mir
Lebewohl zu sagen.
"Ist das jetzt mein Ende?",
fragte ich mich.
Eigentlich bin ich Mediziner.
Ich war im Krieg und habe unzählige Leichen
gesehen, ohne dass
ich mich gefürchtet
hätte. Aber mich verließ der Mut, kaum dass ich ihn
sah und mir seine
Alkoholausdünstungen in die Nase stiegen. Ich bekam weiche
Knie. Nicht im Traum
hätte ich mit dem gerechnet, was Tian Han mir
schließlich mitteilte.
Er begleitete mich hinaus. Als
wir auf den Hof kamen, bemerkte ich seine Wachleute. Geduckt schlichen
sie
einige Schritte von mir entfernt umher. Andere Posten hatten mit ihren
Lanzen
Position bezogen. Der Nordwind blies scharf, Schneeflocken fielen zu
Boden. Mit
einer Damastjacke über dem Arm, die an Krankenhauskleidung
erinnerte, rannte
ein Wachmann herbei und gab Tian Han die Jacke. Der Stoff war weicher
als das
handgewebte Tuch auf dem Land, das den Kommandanten und den gerade in
Yan'an
eingetroffenen Gelehrten vorbehalten war. Ich gebe zu, dass ich meine
Tränen
nicht zurückhalten konnte, als Tian Han mir die Jacke
über die Schultern
legte. Mein Gesicht war nass, die Nase lief. Tian Han musterte mich. Er
schien
mir etwas sagen zu wollen, schwieg aber. Das verwirrte mich noch mehr.
Einen
Moment lang blieben wir draußen stehen, dann sagte er: "Hier
ist es viel
zu kalt. Lass uns wieder rein gehen."
Er brachte mich nicht zurück in
meine Zelle, sondern führte mich in eine
Lösshöhle, an deren Wand ein
Lenin-Bild und ein Raumplan hingen. Es musste ein Büro der
Nordwestschule sein.
Er zog seine Schuhe aus, nahm die Einlagen mit der Kohlezange heraus
und
schwenkte sie über der Feuerschale hin und her. Ein Wachposten
wollte ihm zur
Hand gehen, aber Tian Han winkte ab und befahl ihm, draußen
achtzugeben, dass
niemand her einkäme. In den strengen Geruch seiner dampfenden
Einlagen mischte
sich der Rauch des Holzkohlenfeuers. Meine Augen brannten, und ich
musste
blinzeln. Vielleicht lachen Sie mich jetzt aus, aber ich muss gestehen,
dass
dieser Geruch mir damals angenehm und vertraut erschien. Tian Han
öffnete seine
Hose, schnappte sich eine Filzlaus und warf sie in die Feuerschale, in
der sie
knackend zerplatzte. Er erwischte noch ein paar, warf sie jedoch nicht
mehr ins
Feuer, sondern zerdrückte sie zwischen den
Fingernägeln.
Er zog eine Kalebasse mit
Schnaps aus der Jackentasche und gab sie mir. Dann griff er zwei kleine
Gläser
und wischte sie rundherum mit dem Daumen sauber, schenkte sie voll und
überreichte
mir eines.
"Trink!", sagte er.
"Was ist los? Soll ich dich vielleicht bedienen?"
Seit zwei Monaten hatte mich
niemand mehr zum Trinken aufgefordert. Wieder rannen mir die
Tränen übers
Gesicht. Als er noch mal in seiner Brusttasche wühlte und zwei
Schweinefüße
zum Vorschein brachte, biss ich mir auf die Lippen.
"Schmeckt dir der Schnaps?",
fragte er mich, und ich bejahte zufrieden. Dann erfuhr ich es. Ich
knabberte
gerade an meinem Schweinefuß, als Tian Han sagte: "Es gibt
etwas, das ich
dir sagen will. Ge Ren ist noch am Leben."
Ich sprang erschrocken auf. Ich
traute meinen Ohren nicht. Letztes Jahr, im Winter des Jahres 1942, als
ich von
der Front nach Yan'an zurückkam, hatte mir
Tian Han unter Tränen von Ge Rens Tod berichtet. Was er mir
erzählt hatte,
klang glaubwürdig: Im Sommer desselben Jahres hatte Ge Ren
seine Kompanie in
der Abenddämmerung zu einer Operation an einen Ort namens
Erligang geführt.
Dort wurden sie von japanischen Truppen überrascht. Rund um
den Tempel des
Nationalhelden Guangong tobte mehrere Stunden lang der Kampf, in dem Ge
Ren
schließlich fiel. Dafür wurde er danach als
Volksheld gefeiert. Die
Einheimischen tuschelten, Ge Ren wäre Guangong
ebenbürtig, und forderten
sogar, eine Gedenktafel für ihn im Tempel aufzustellen.
General, ich hatte Tian
Han damals wie gebannt zugehört, und die Tränen
liefen mir dabei über die
Wangen. Kein Wort brachte ich über die Lippen. Noch lange Zeit
danach träumte
ich jede Nacht von Ge Ren und erwachte mit einem bleiernen Druck auf
der Brust.
Niemals hätte ich es für möglich gehalten,
dass Ge Ren noch am Leben war.
Tian Han schlug sich auf den
Schenkel.
"Verdammter Schweinehund",
rief er. "Bin ich froh, wirklich froh, Ge Ren hat diese
Tragödie überlebt.
Offenbar wird sein Einsatz belohnt. Keine Nacht konnte ich mehr
schlafen."
Dann gab er mir zu verstehen,
dass noch niemand davon wusste. "Wenn etwas durchsickert, geht es
schief.
Die japanischen Teufel und die reaktionären Nationalisten
wären sofort zur
Stelle. Dann wäre Genosse Ge Ren verloren."
Natürlich haben Sie recht, Herr
General, er musste etwas anderes im Sinn gehabt haben, wenn er sich
durch das
Schneetreiben zu mir bemüht hatte. Das war mir klar. aber er
sagte zunächst
nichts davon, und ich wagte es nicht, unbedacht Fragen zu stellen. Erst
nachdem
ich meinen Schweinefuß abgenagt hatte, rückte er mit
der Sprache heraus. Er
wollte mich in den Süden schicken, um Ge Ren abzuholen. Lassen
Sie mich kurz
nachdenken. Wie drückte er sich doch gleich aus? Ja, er sagte:
"Genosse Ge
Ren hat im Süden eine harte Zeit hinter sich, er ist bei
schlechter Gesundheit
und leidet an einer Lungenschwäche. Mehr kann ich dir nicht
sagen. Du fährst
hin und holst ihn nach Hause, damit er in Yan'an noch ein paar
glückliche Tage
verleben kann. Schließlich bist du Arzt. Und wenn du das
erledigt hast, werde
ich bei denen da oben ein Wort für dich einlegen, damit sie
sich um deine
Angelegenheit kümmern. Es ist doch beschämend, diese
Trotzkistenmütze zu
tragen, das ist sogar mir unangenehm. Immerhin kommen wir doch aus
demselben
Stall. Aber eins sage ich dir, wenn du es verpatzt, garantiere ich
für nichts,
dann bist du dran, auch wenn's mir schwerfällt."
Vieles blieb unausgesprochen. Er
erwähnte zwar den Süden, aber vom Dahuang-Gebirge war
nicht die Rede und erst
recht nicht vom Städtchen Baipi. Ich fragte ihn erstaunt,
warum er gerade mich
mit dieser Aufgabe betraute. Mich, einen einfachen Gelehrten, der zudem
einen
ideologischen Fehler begangen hatte. Ich wäre einer solch
hehren Sache kaum
gewachsen, sagte ich. Daraufhin antwortete er: "Weiße Katze,
schwarze
Katze, Hauptsache, sie fängt Mäuse.
Ich
wünsche dir, dass alles klappt."
Ich fragte ihn, ob die
Entscheidung der Partei bereits feststeht. Er machte ein ernstes
Gesicht und hob
den glühenden Schürhaken.
"Jaja, die Katze lässt das
Mausen nicht", sagte er. "Eins solltest du dir hinter die Ohren
schreiben: Stell nicht so viele Fragen. Und komm ja nicht auf die Idee,
private
Aufzeichnungen zu machen. Niemand wird dich für einen
Stockfisch halten, wenn
du nichts sagst. Und niemand wird meinen, du wärest ein
Analphabet, wenn du
kein Tagebuch führst."
Ich stand hastig auf und sagte,
dass ich für die Revolution schließlich den weiten
Weg nach Yan'an auf mich
genommen hätte. "Und jetzt werde ich mich nach
Kräften bemühen, deinen
Anweisungen nachzukommen."
Tian Han bat mich, an diesem
Abend noch einmal in Hougou zu übernachten. Ein
Wächter brachte mich in eine Lösshöhle,
die ich für mich alleine hatte. In jener Nacht fand ich kaum
Schlaf, stand
mehrfach auf, ging pinkeln und verneigte mich beim Abschütteln
jedes Mal vor
dem Lenin-Bild an der Wand. Der Schnee tauchte die Umgebung in eine
graue Dämmerung,
als würde es bereits Morgen. Das Licht brachte offenbar auch
den Hahn
durcheinander, als er krähte, war es Mitternacht. Bei jedem
seiner Rufe sprang
ich von meinem Lager auf. Das ging einige Male so. Ein Krampf durchfuhr
meinen
rechten Oberschenkel, ich fürchtete, die
Venenentzündung meiner Wade könnte
sich verschlimmern und würde meine Abreise verzögern.
Seit ich in der Zelle saß,
litten meine Beine unter den zahllosen Tritten der Wärter.
Welch Glück ist es, sein Herz
auszuschütten. Immer wenn ich an Ge Ren dachte, erschien mir
die bevorstehende
Reise wie ein großes Geschenk. Wahrscheinlich würde
Ge Ren erröten, wenn ich
vor ihm stand.
Sie haben recht, General, diese
Schwäche passt nicht zu einem Revolutionär. Aber
wäre es nicht merkwürdig
gewesen, wenn er im Wissen um die große Entfernung, die ich
zurückgelegt
hatte, nicht errötet wäre? Bei diesen Gedanken fiel
ich in einen unruhigen,
von Hahnengeschrei begleiteten Schlaf. Kaum hatte ich Ruhe gefunden,
schreckte
mich ein lauter Knall auf. Kurz danach rief jemand um Hilfe. Gejammer
und
Geschrei waren zu hören. Zunächst glaubte ich, der
Feind rückte an, und hob
rasch einen Stein vom Boden auf. Später vernahm ich aus dem
lauten
Stimmengewirr, dass eine Höhle eingestürzt war und
mehrere Gefangene zwischen
den Felsbrocken zerquetscht worden waren.
Wie diese Höhle einstürzen
konnte? Das ist eine gute Frage, General Fan. Vielleicht waren die
Leute
leichtsinnig geworden und hatten sich einen Weg gegraben, um
auszubrechen? Meine
Kopfhaut brannte, als hätte ich den Schuss mit eigenen Augen
mit angesehen, der
sich in die Stirn der Flüchtigen bohrte. Während ich
diesem Gedanken nachhing,
stürzte jemand an mein Lager und zerrte mich hoch.
"Was hast du vor, Genosse?",
fragte ich.
Er sagte, ich solle die Klappe
halten und ihm folgen. Als wir den Hof verließen, erkannte
ich im fahlen Schein
der schneebedeckten Landschaft schemenhaft Tian Hans Wächter.
Er erklärte mir
gleich, Tian Han habe ihn geschickt, um sich zu vergewissern, dass ich
nicht
verletzt bin. Wenige Meter weiter sah ich Tian Han neben einem
Viehstall, die Hände
tief in den Ärmeln seiner Winterjacke, eine Zigarette im
Mundwinkel. Er befahl
mir, Yan'an umgehend zu verlassen und mich nach Zhangjiakou zu begeben.
Dort
sollte ich Dou Sizhong treffen und anschließend zu Ge Ren in
den Süden
aufbrechen.
Nein, General, noch immer
verriet er nicht, dass mein Ziel Baipi sein sollte. Alles Weitere
würde mir Dou
Sizhong erklären, sagte er nur. Dou Sizhong war Tian Hans
Gefolgsmann, einer,
der ihm auf Leben und Tod treu ergeben war. Als Tian Han Zhangjiakou
erwähnte,
kam mir sofort mein Schwiegervater in den Sinn, der dort lebte. Ich
fürchtete,
mein Eintreffen könnte ihn in Schwierigkeiten bringen. Tian
Han war sehr
schlau, seinem Blick entging nichts. Als ich kurz zögerte,
erriet er meine
Gedanken und sagte: "Dein Schwiegervater hat damit nichts zu tun. Es
geht
einzig um den Genossen Ge Ren. Genosse Dou Sizhong wird dir helfen, den
Genossen
Ge Ren ausfindig zu machen."
Ich erkundigte mich, ob Bingying
bei Ge Ren war und ob sie ebenfalls zurückgebracht werden
sollte. Daraufhin
erwiderte Tian Han mit finsterer Miene, ich solle mich um meine Aufgabe
kümmern
und keine weiteren Fragen stellen. Es wurde kühl. Ich wollte
hineingehen, um
mir eine Jacke zu holen. Doch er hielt mich zurück und sagte:
"Alles liegt
für dich bereit, sogar eine Unterhose. Der Brief für
Dou Sizhong ist in die
Unterhose eingenäht."
Er wies mich noch einmal
eindringlich darauf hin, dass ich Ge Rens Namen unterwegs nicht
erwähnen
sollte.
"Merk dir das, Ge Rens
Codenummer lautet null, das bedeutet 'kugelrund'. Und ich
wünsche dir, dass
auch deine Mission eine runde Sache wird."
Dabei wies er ins Tal, wo ich im
Halbdunkel die unscharfe Gestalt eines Esels und einer Person erahnte.
Und damit ging Tian Han. Ich fühlte
mich plötzlich verlassen und leer. Eine ganze Weile verharrte
ich in der Kälte,
der Schneefall wurde heftiger. Bei dem Gedanken an meine baldige
Zusammenkunft
mit Ge Ren aber hob sich meine Laune.
Einige
Vögel flatterten
aufgeregt in die
Luft. Der Wind hatte das Stalldach abgedeckt, und aus den emporragenden
Schilfrohren erklangen Flötentöne. Ob die
Vögel Unheil bringende Raben oder
glückverheißende Elstern waren, wusste ich nicht.
Gegrillte Elstern
verabreichte ich immer gegen Verstopfung. Man sagt, sie
verheißen Glück und
gelten als Willkommensgruß für Gäste. Aber
für mich klang ihr Zwitschern
damals wie eine Aufforderung, das Feld zu räumen.
General, ich habe nicht im Traum
damit gerechnet, dass mein Abschied
endgültig sein sollte und
ich nie wieder
zurückkehren würde.
Wie bitte? Welcher Tag es war?
Hm, daran kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Während der
zwei Monate, die
ich in Hougou eingesperrt gewesen war, hatte mein Gedächtnis
nachgelassen.
(...)