Andrej Kurkow: "Der Milchmann in der Nacht"
Es
handelt sich um einen Andrej
Kurkow-Roman, also spielt er zunächst wieder einmal in Kiew
und in der näheren
Umgebung der ukrainischen Hauptstadt. Dort lebt Irina, alleinstehende
Mutter,
die sich ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf ihrer Muttermilch
verdient. Der
Erlös dieses Verkaufs finanziert ihr die stundenlange Busfahrt
nach Kiew, das Essen und all die anderen Dinge, die sie so benötigt - wie
etwa das Milchpulver, mit dem sie ihr eigenes Kind versorgt. Die Situation
erinnert ein wenig an die EU-Milchwirtschaft der 1980er-Jahre.
Dima arbeitet als Hundeführer
am
Flughafen von Kiew. Er ist seiner Arbeit immer
treu und redlich nachgegangen, bis sein Hund eines Nachts bei einem
Gepäckstück
anschlägt und ihn zwei anwesende
Gepäckträger dazu überreden, dieses
Gepäckstück verschwinden zu lassen und den Inhalt später untereinander
aufzuteilen. Doch handelt es sich bei dem Inhalt nicht - wie erwartet - um
"konventionelle Drogen", die sich auf dem normalen Schwarzmarkt schnell verscherbeln
lassen, sondern um etwas wesentlich Komplizierteres, das die
Lebensläufe der Gepäckträger sowie Dimas und seiner Frau Walja
grundlegend verändern soll und
gerade Dima Einblick gibt in die verborgenen Wege der neuen
ukrainischen Macht- und Parteienpolitik, denn die Demokratie hat so Einiges
verändert.
Semjon und Jegor arbeiten auf verschiedenen Seiten der Bewachung des
Parlaments, und in diesen Eigenschaften sehen sie eine ganze Menge
ungewöhnlicher Dinge.
Eines dieser Dinge ist, dass die Parlamentarier immer jünger
und gesünder zu
werden scheinen und dabei vorzugsweise in der Nacht arbeiten.
Außerdem beginnt
speziell Jegor, nachdem er Irina kennengelernt hat, an deren
Arbeitgebern gar Manches merkwürdig zu finden.
Tote und plastizinierte Apotheker, Männer die in schwarzen
Limousinen zum Muttermilchmelken vorfahren und eine ukrainische Anlehnung an
Stephen
Kings "Friedhof der Kuscheltiere" machen diesen Roman zu
einem richtigen Kurkow, wenn man so möchte, wobei sich die
Absurditäten diesmal
gerade noch im Rahmen des ungefähr Nachvollziehbarem bewegen.
Und das ist
eigentlich schade, denn so fehlt diesem Roman der
eigentümliche Zauber, mit dem
der Autor mit "Petrowitsch"
und "Picknick
auf dem Eis" in die Herzen seiner Leserschaft geschrieben
hat. Dennoch lohnt sich das Lesen dieser vielschichtigen Liebesgeschichte, in der
die Liebe zwischen Mann und Frau sehr in den Vordergrund gerückt ist.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2009)
Andrej
Kurkow: "Der Milchmann in der Nacht"
(Originaltitel "Noĉnoj Moloĉnik")
Aus dem Russischen von Sabine Grebing.
Gebundene Ausgabe:
Diogenes, 2009. 538 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
Diogenes, 2010.
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Ein weiteres Buch des Autors:
"Der Gärtner von Otschakow"
Jedes Mal, wenn Igor in die alte Uniform samt Stiefeln und Mütze schlüpft, reist
er durch die Zeit und landet in Otschakow am Schwarzen Meer, im Jahr 1957. Dort
trifft er auf Weindiebe und andere Gauner, und auf eine schöne, rothaarige
Marktfrau, bei deren Anblick Igor die Gegenwart beinahe vergessen möchte ...
Ein geheimnisvoller Mann, dieser Gärtner, den Igors Mutter eingestellt hat. Um
die 60, wortkarg, trinkt keinen Alkohol. Und was hat es mit der verwischten,
unleserlichen Tätowierung an seinem Oberarm auf sich? Mit Hilfe eines
befreundeten Computernarren gelingt es dem jungen Igor, sie zu entziffern: "Otschakow
1957" steht da, und: "Jefim Tschagins Haus". Als er diesem Rätsel auf den Grund
gehen will, gerät Igor nicht nur nach Otschakow, eine Hafenstadt am Schwarzen
Meer, über 500 Kilometer von seinem Haus bei Kiew entfernt. Sondern tatsächlich
auch in das Jahr 1957...
In Andrej Kurkows fantastisch-absurder Erzählkunst ist alles möglich - auch eine
Zeitreise in eine Vergangenheit, von der aus man die Gegenwart womöglich umso
klarer sieht .... (Diogenes)
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