Marek Krajewski: "Pest in Breslau"
Marek
Krajewskis mittlerweile vierter Kriminalroman mit Eberhard Mock, einem
Polizisten, als Protagonisten.
Oberwachtmeister Eberhard Mock von der Sitte lebt im Breslau der
Zwanziger Jahres des zwanzigsten Jahrhunderts. Besonders gut arrangiert
hat er sich mit Fällen aus dem Bordellmilieu, deren
(Dienstleistungs-)Angebot er auch privat nutzt, ebenso wie der Griff
zur Flasche für ihn kein ferner ist.
Diese Details aus dem Leben des Polizisten haben
verhältnismäßig wenige Auswirkungen auf
Mocks Arbeit und Reputation, doch das ändert sich.
Zunächst findet man ihn nackt, mit rosa Farbe beschmiert und
sternhagelvoll ohne Erinnerung an das zuvor Geschehene auf, dann
geschehen mehrere Morde - und alle Spuren weisen darauf hin, dass Mock
mit den Morden in Zusammenhang zu bringen ist ...
"Pest in Breslau" ist ein interessant zu lesender Kriminalroman.
Dafür verantwortlich sind vor allem Zeit und Ort des
Geschehens. Die Handlung nach Breslau in die Zeit nach dem Ersten
Weltkrieg zu verlegen, ist durchaus ungewöhnlich und peppt das
Krimigenre an sich schon gleich ein wenig auf. Zu beachten ist beim
Griff nach diesem Roman allerdings natürlich die entsprechende
Historie, denn der Roman ist in Bezug beispielsweise auf die
Namensgebungen sehr deutsch. Auch hier zeigt sich ein gelungener
Gedanke, der die Ausgangslage beeinflusst haben mag: Krajewski
erweiterte somit seinen potenziellen Leserkreis deutlich, da sich
sowohl deutschsprachige als auch polnische Leser von dem Umfeld der
Geschichte gleichermaßen angesprochen fühlen
dürften.
Für Krimifans bietet der Roman eher wenige
Überraschungen. Geboten wird ein geradezu klassischer Antiheld
auf Ermittlungsseite mit einigen "moralischen Leichen im Keller" und
einem Alkoholproblem, wie man ihn schon unzählige Male als
Protagonist eines Genretitels getroffen hat. Mock wirkt hierbei
allerdings ein bisschen authentischer und nahbarer als viele seiner
Kollegen aus anderen Büchern, und diese Nahbarkeit sorgt
zugleich für einen besseren Lesefluss ohne längere
Passagen, in denen man sich über die Aufgesetztheit des Ganzen
ärgert.
Krajewski beließ es nicht bei diesem Klischee, sondern
brachte seinen Protagonisten, ganz in der Tradition entsprechender Thriller,
noch in die Bredouille, sich mit einem Geheimbund auseinandersetzen zu
müssen, was - ohne zu viel zu verraten - mit das wichtigste
Element des Romans ist. Ob dies der Glaubwürdigkeit der
Geschichte eher zu- oder abträglich ist, sollte der einzelne
Leser für sich entscheiden.
Gelungen ist bei diesem Taschenbuch auch das Umschlagbild. Es handelt
sich um den Ausschnitt eines Bildes aus der Reihe "… et la
fête continue" des brasilianischen Künstlers Juarez
Machado und fängt Hauptaspekte des Romans, das ausschweifende
Leben und zugleich die Zwanziger Jahre, hervorragend ein.
In jedem Fall lohnt sich ein Griff zu "Pest in Breslau". Allein durch
Zeit und Umgebung des Romans hebt er sich angenehm aus vielen anderen
Kriminalromanen heraus, ist leicht zu lesen und entbehrt dennoch keines
gewissen Anspruchs.
Wer die anderen Romane rund um Eberhard Mock von Krajewski noch nicht
kennt, kann problemlos auch mit diesem Titel einsteigen und bei
Gefallen erst später zu den anderen greifen.
(Tanja Thome; 08/2009)
Marek
Krajewski: "Pest in Breslau"
(Originaltitel "Dzuma w Breslau")
Aus dem Polnischen von Paulina Schulz.
dtv, 2009. 271 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Weitere
Buchtipps:
"Breslau entdecken. Niederschlesien und seine tausendjährige
Hauptstadt"
In Breslau verbinden sich vielschichtige Vergangenheit und lebendige
Gegenwart
zu einer weltoffenen Atmosphäre. Die Stadt blickt auf eine
tausendjährige
Geschichte zurück, die von vielen Völkern
geprägt wurde. Man trifft auf
kulturelle Schätze aus allen Epochen seit der
Stadtgründung und auf zahlreiche
Spuren der wechselvollen Herrschaftsverhältnisse.
In diesem Reiseführer werden zudem lohnenswerte Ziele in der
Umgebung von
Breslau beschrieben. (Trescher Verlag)
Buch
bei amazon.de bestellen
Norman
Davies, Roger Moorhouse: "Breslau.
Die Blume Europas"
Breslau liegt in der Mitte zwischen
Berlin,
Prag,
Wien,
Budapest
und Warschau,
im Epizentrum zahlloser politischer und militärischer
Ereignisse, die
Mitteleuropa erschütterten. Auf tausend wechselvolle Jahre
blickt die ehemalige
schlesische Hauptstadt, die heutige Hauptstadt der polnischen
Woiwodschaft
Wroclaw zurück. Eine so lange Geschichte hinterlässt
Spuren: in den Namen -
Breslau, Wroclaw, Vratislavia - ebenso wie im Stadtbild. Zweimal wurde
die Stadt
verwüstet: beim "Mongolensturm" 1241 und im Frühjahr
1945 beim
monatelangen Kampf um die "Festung Breslau". Hin und her geworfen
zwischen Preußen, Böhmen,
Österreich, Polen, war Breslau Grenzstadt,
Handelszentrum, Schmelztiegel der Völker und kulturelle
Metropole. In diesem
Buch erzählt der Historiker Norman Davies zusammen mit Roger
Moorhouse am
Beispiel Breslaus die Geschichte der großen Reiche und ihres
Zerfalls, der
Kriege und der wirtschaftlichen Blüte, vor allem aber der
Menschen dieser
Stadt: Juden und Katholiken, Deutsche, Tschechen und Polen. Ihre
Schicksale
verweben sich zu einem Meisterwerk erzählter Geschichte.
(Droemer)
Buch
bei amazon.de bestellen
Gregor
Thum: "Die fremde
Stadt. Breslau nach 1945"
Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde aus Breslau, der damals
größten deutschen
Stadt östlich von Berlin, Wroclaw, eine Stadt im westlichen
Polen. Für Militärs
und Diplomaten ein Federstrich, bedeutete es für die Menschen
vor Ort einen
dramatischen Bruch, der das Leben Breslaus bis heute bestimmt.
Eindrucksvoll
schildert Gregor Thum diesen Prozess von Vertreibung und Ansiedlung,
Zerstörung
und Aufbau, Verdrängung und Erinnerung. Wer einen Ort sucht,
an dem sich das
Drama Europas
im
20. Jahrhundert verdichtet erfahren lässt, der
findet ihn in dieser Stadt.
(Pantheon)
Buch
bei amazon.de bestellen