Bernd Sprenger: "Die Illusion der perfekten Kontrolle"
Bernd
Sprenger ist einer der
renommiertesten Psychotherapeuten und Psychosomatiker in Deutschland.
Nach fünfzehnjähriger
Tätigkeit als Chefarzt verschiedener psychosomatischer
Kliniken arbeitet er in
freier Praxis als Therapeut und als Coach,
Supervisor und Berater für
Organisationsentwicklung in verschiedenen Feldern.
In "Die Illusion der perfekten Kontrolle" befasst sich der Autor mit
einem Phänomen, das er seit Jahren in zunehmenden
Maße in seiner Arbeit mit
den unterschiedlichsten Klienten beobachtet. Obwohl die heutige
Generation im
Unterschied zu ihren Eltern oder gar Großeltern einen sehr
hohen Standard an
Wohlstand und Sicherheit genießt, leiden die Menschen dieser
Generation latent
unter Ängsten und Unsicherheit.
Das hängt sicher mit einer sehr viel komplexer gewordenen Welt
zusammen, in der
die Anforderungen im beruflichen Alltag wesentlich höher
geworden sind, in der
aber auch die Erwartungen an eine Beziehung ins Unendliche gewachsen
sind (vgl.
hierzu Arnold Retzer, "Lob der Vernunftehe", S. Fischer 2009)
und
die Kinder schon im Kindergarten früh unter erheblichen
Erfolgsdruck gesetzt
werden. Aber nicht nur. Denn die latenten Ängste vor der
Zukunft, vor den
vielen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten des Lebens,
können auch nicht mehr
"abgelegt" werden, wie man das nennen könnte, in einer
religiösen
Form der Lebensdeutung, die früheren Generationen viel mehr
Sicherheit und
innere Ruhe gab und noch selbstverständlicher zur
Verfügung stand.
Das ist den meisten Menschen abhanden gekommen, ihnen fehlt die
spirituelle
Gelassenheit, auch einmal etwas auf sich zukommen zu lassen und nicht
zu wissen,
was morgen genau sein wird. In einer solchen Situation suchen sich die
Ängste
der Menschen ein Ventil, und sie finden es, so Bernd Sprenger, in einem
übersteigerten
Kontrollbedürfnis im beruflichen und erst recht im privaten
Umfeld, wo man ja
meistens noch mehr Einfluss hat bzw. zu haben glaubt.
Sprenger zeigt anhand vieler Beispiele, wie dieser Weg in die Irre, ja
manchmal
sogar im wörtlichen Sinn in das Irresein, führt. Denn
der starke Wunsch und
die Sehnsucht nach völliger Kontrolle stehen in einem
diametralen Gegensatz zu
den fast täglichen Erfahrungen, dass die Menschen die meisten
Dinge ihres
Lebens eben nicht
im Griff haben, weil sie sich ihrer Kontrolle
entziehen.
Je mehr Kontrolle wir über die Dinge zu bekommen versuchen,
desto eher passiert
das, was wir doch so dringend zu verhindern suchten. Und so ist es kein
Zufall,
dass auch Sprenger gegen Ende seines Buches wieder auf die alten
Bewältigungsmechanismen
von Kontingenz zurückkommt: das
Einüben
(spiritueller) Gelassenheit, das
Loslassen und die Erfahrung, dass weniger Kontrolle meistens mehr ist.
(Winfried Stanzick; 11/2009)
Bernd
Sprenger: "Die Illusion der
perfekten Kontrolle"
Kösel, 2009. 222 Seiten.
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