André Gorz: "Auswege aus dem Kapitalismus"

Beiträge zur politischen Ökologie


Der 2007 zusammen mit seiner Frau aus dem Leben geschiedene (vgl. sein Buch "Brief an D. ", ebenfalls im Rotpunktverlag erschienen) französische Philosoph André Gorz war eigentlich sein ganzes Leben lang ein Vordenker der Linken. Als einer der Ersten aus deren Umfeld hat sich Gorz in seinem Buch "Abschied vom Proletariat" 1980 mit der ökologischen Zukunft des Kapitalismus und der Rolle der Arbeiterklasse beschäftigt und schon damals eigene Beiträge zu einer "Politischen Ökologie" veröffentlicht.

"Dass bei der Arbeit Herrschaft über uns ausgeübt wird, wissen wir seit etwa 170 Jahren. Nicht aber dass das Gleiche für unsere Bedürfnisse und Wünsche, unsere Gedanken und unser Selbstbild genauso gilt. Durch die Kritik des Modells unserer Konsumgesellschaft bin ich zum Ökologen avant la lettre geworden. Mein Ausgangspunkt war ein Artikel, der 1954 in einer US-amerikanischen Zeitschrift erschien. Darin stand zu lesen, dass der Konsum in den kommenden acht Jahren mindestens um 50 Prozent wachsen müsse, damit die Produktionskapazitäten gewinnbringend ausgeschöpft werden könnten, dass aber die Leute gar nicht in der Lage seien, sich vorzustellen, worin denn diese 50 Prozent zusätzlichen Konsums bestehen sollten."
(André Gorz)

Im gegenständlich besprochenen Band sind Aufsätze und Interviews zur politischen Ökologie versammelt, die André Gorz kurz vor seinem Tod noch selbst zusammengestellt hat. Eingeleitet ist das aufschlussreiche und immer noch höchst aktuelle Buch von einem Gespräch, das Gorz mit Marc Robert geführt hat und das sehr gut in das Denken Gorz' einführt. Anschließend wird ein im Jahr 2007 erschienener Aufsatz mit dem Titel "Das Ende des Kapitalismus hat schon begonnen" geboten, gefolgt von anderen Aufsätzen aus den Jahren zwischen 1975 und 2005. Auch ein überarbeiteter Abschnitt aus seinem "Abschied vom Proletariat" ist dabei.

Die Aufsätze stellen höchst anregende und wichtige Lektüre dar, zeigen sie immerhin auf, dass sich Ökologie, eine entsprechende Zukunft unseres dann veränderten Wirtschaftssystems und die Utopie von einem besseren Leben für die arbeitenden Menschen eben doch zusammendenken lassen. Es gibt mittlerweile eine Fülle von Veröffentlichungen, auch aus dem Bereich der Wirtschaft und ihren entsprechenden Forschungsinstituten, die durchaus in eine ähnliche Richtung gehen.
Als Beispiele seien hier genannt:
Maximilian Gege "Unterwegs zu einem ökologischen Wirtschaftswunder" (EVA, 2008) und Wolf Lotter "Die kreative Revolution. Was kommt nach dem Industriekapitalismus?" (Murmann, 2009) - (siehe auch nachstehende Buchtipps; Anm. d. Red.).

Es wird in Zukunft wohl vor allem darauf ankommen, alte ideologische Barrieren im Denken und Handeln zu überwinden, um sowohl für die Ökologie als auch die Lebenswelt der Menschen nötige und wichtige Veränderungen zu erreichen.
Die Aufsätze dieses Buches können einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

(Winfried Stanzick; 06/2009)


André Gorz: "Auswege aus dem Kapitalismus. Beiträge zur politischen Ökologie"
Übersetzt von Eva Moldenhauer.
Rotpunktverlag, 2009. 124 Seiten.
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André Gorz (1923-2007), eigentlich Gerhard Horst, geboren in Wien als Kind einer jüdisch-katholischen Familie, verbrachte die Kriegsjahre als Flüchtling in einem Schweizer Internat und ließ sich nach Kriegsende in Paris nieder. Er arbeitete mit Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir bei der Zeitschrift "Les Temps modernes", war Redakteur bei "L'Express", später bei der Wochenzeitung "Le Nouvel Observateur", die er 1964 zusammen mit Jean Daniel gegründet hatte.
In seinen Buchpublikationen profilierte sich Gorz als Theoretiker der Arbeiterselbstverwaltung und der politischen Ökologie. Zentrale Themen sind die Frage der Arbeit - Befreiung von der Arbeit, gerechte Verteilung der Arbeit, Entfremdung in der Arbeit - und der Wissensökonomie. Er galt als einer der bedeutendsten Theoretiker der Linken und als Vordenker der ökologischen Bewegung. 1958 erschien die Autobiografie "Der Verräter" (dt. 1980, Neuausgabe 2008), zu der Sartre das Vorwort schrieb. Darin erscheint bereits seine Frau Dorine unter dem Namen Kay. An sie ist "Brief an D. Geschichte einer Liebe" gerichtet. Kurz vor Drucklegung der zweiten Auflage, am 22. September 2007, hat sich André Gorz zusammen mit seiner schwerkranken Frau Dorine das Leben genommen.

Weitere Bücher des Autors (Auswahl):

"Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie"

Wissen ist keine ordinäre Ware. Es eignet sich nicht dazu, als Privateigentum behandelt zu werden. Seine Inhaber verlieren es nicht, wenn sie es weitergeben; je weiter es verbreitet ist, umso reicher ist die Gesellschaft. Es verlangt geradezu, als Gemeingut behandelt und von vorneherein als Resultat gesamtgesellschaftlicher Arbeit betrachtet zu werden.
Wenn Wissen aber als fixes Kapital funktionieren und zur Mehrwertabschöpfung dienen soll - wie der Kapitalismus es will -, so muss es ein patentiertes Monopoleigentum sein, welches seinem Inhaber eine Monopolrente einbringt. Der Wissenskapitalismus privatisiert denn auch Gemeingüter wie das Genom von Pflanzen, Tieren und Menschen und greift nach kulturellem Gemeingut, um es als kulturelles Kapital, als "Humankapital" zu verwerten. In dieser Logik steht die massive Förderung der künstlichen Intelligenz und des künstlichen Lebens: Deren Ziel ist nicht die Wissensgesellschaft, sondern eine posthumane Zivilisation.
Von einer Wissensgesellschaft im zukunftsweisenden Sinn, meinte André Gorz, wird erst die Rede sein können, wenn sich Wissenschaft und Ökonomie nach gesellschaftspolitischen, ökologischen und kulturellen Zielen richten und nicht nach dem Imperativ der Kapitalverwertung. Dafür gibt es eine noch kleine, aber steigende Anzahl von Befürwortern. (Rotpunktverlag)
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"Brief an D. Geschichte einer Liebe"
"Du wirst zweiundachtzig. Du bist sechs Zentimeter kleiner geworden, du wiegst nur noch fünfundvierzig Kilo, und immer noch bist du schön, graziös und begehrenswert. Seit achtundfünfzig Jahren leben wir nun zusammen, und ich liebe dich mehr denn je. Wieder trage ich eine verzehrende Leere in meiner Brust, die einzig die Wärme deines Körpers an dem meinen auszufüllen vermag." So beginnt diese "Geschichte einer Liebe", verfasst vom 83-jährigen Philosophen und Sozialtheoretiker André Gorz in Form eines langen Briefes. Er rekapituliert die 58 Jahre des Zusammenlebens mit D., einer Engländerin, die er 1947 in Lausanne kennen gelernt hatte und die dann seine Frau wurde. Wäre ihm und D. wundersamerweise ein zweites Leben beschieden, schreibt Gorz am Schluss seines Briefes, würden sie es wieder zusammen verbringen. Entstanden ist ein Rückblick der ganz besonderen Art auf ein gutes halbes Jahrhundert philosophisch-politischer und publizistischer Arbeit, bei der D. ihm immer zur Seite stand. Doch ganz am Anfang dieses Rückblicks steht auch die Frage: "Warum nur bist du in dem, was ich geschrieben habe, so wenig präsent, während unsere Verbindung doch das Wichtigste in meinem Leben gewesen ist?"
Dieses Buch ist kurz; es handelt nur von den wichtigsten Dingen. (Rotpunktverlag)
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"Der Verräter"
Mit dem Essay "Über das Altern".
In seinem "Brief an D." hatte André Gorz geschrieben: "Ich habe die gründliche Erforschung, die ich mir vornahm, als ich Der Verräter schrieb, nicht wirklich geleistet. Es bleiben noch viele Dinge, die ich verstehen, klären muss."
Und dennoch geht das erste Buch, das Gorz - 1958 - auf Französisch veröffentlicht hat, schon sehr weit in der Selbsterforschung. Es ist unerbittlich und schonungslos in seiner Selbstentblößung und Selbstkritik. Gorz erzählte in Er-Form sein bisheriges Leben, die Kindheit in Wien als Sohn eines jüdischen Vaters und einer katholischen Mutter, dann die Jahre als Gymnasiast und Student (und Flüchtling) in der Schweiz, wo er beschließt, Franzose zu werden, schließlich die Übersiedlung nach Paris.
Das Außerordentliche an diesem Buch ist die Genauigkeit, mit der hier Zeitgeschichte, Theorieentwicklung und individuelle Erfahrung verknüpft werden. Gorz, Emigrant, Sozialtheoretiker, vielfältig involviert in die Auseinandersetzungen der europäischen Linken seit den 1930er-Jahren, hat mit "Der Verräter" viel mehr als die Autobiografie des jungen Mannes geschrieben. Es ist die Monografie eines Denk- und Lebenszusammenhangs.
Der Essay "Über das Altern", den der noch junge Gorz 1961/62 geschrieben hat, wird in dieser Ausgabe zum ersten Mal auf Deutsch publiziert. (Rotpunktverlag)
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Weitere Buchtipps:

Maximilian Gege: "Unterwegs zu einem ökologischen Wirtschaftswunder"

Maximilian Gege, Mitbegründer und Vorsitzender des "Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management" ("B.A.U.M."), gehört zu den bekanntesten Vertretern einer neuen, verantwortungsvollen Unternehmensethik. In "Unterwegs zu einem ökologischen Wirtschaftswunder" entfaltet er die Vorstellung einer innovativen gesellschaftlichen Kooperation: Das dargestellte Zehnjahresprogramm könnte weltweit als herausragendes Klimaschutzprogramm unter Nutzung aller verfügbaren Technologien und Schaffung von Millionen neuer Arbeitsplätze erfolgreich realisiert werden. Ein nachhaltiges Zukunftsprogramm ist nicht nur möglich, sondern auch problemlos finanzierbar, wie Gege an einer Reihe von Modellprojekten erläutert. Im Zentrum steht die "Zukunftsanleihe", durch die das vorhandene Kapital der Bürger aktiviert wird, um ein auf zehn Jahre angelegtes Zukunftsprogramm zu finanzieren. Das Prinzip ist denkbar einfach: Als Solidaritätsbeitrag legen sämtliche Bürger z. B. fünf Prozent ihres Geldvermögens und fünf Prozent der Erbschaften freiwillig in einem Fonds an. Ein ordentlich verzinster Beitrag zur Zukunft, denn durch diesen Fonds wird die Entwicklung neuer umweltverträglicher Technologien und nachhaltiger Wirtschaftsformen schnell, effizient und unbürokratisch gefördert. (EVA)
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Wolf Lotter: "Die kreative Revolution. Was kommt nach dem Industriekapitalismus?"
Der Wandel ist in vollem Gange. Das Geschäft mit neuen Produkt- und Geschäftsideen wird immer wichtiger. Denn die alte Produkt- und Industriewelt ist in einer fundamentalen Krise. Die Kreativwirtschaft blüht. Kreativität heißt, Probleme auf einzigartige Weise lösen. Nur wer in diesem Sinne unwiderstehliche Ideen hat, wird morgen erfolgreich sein.
Wie geht man als Einzelner und als Unternehmen aus der kreativen Revolution als Gewinner hervor? Mit welcher Einstellung übersteht man den Abschied vom Industriezeitalter?
Ideen sind Kapital. Kapital ist personengebunden. Das Vermögen eines Unternehmens sind seine Mitarbeiter. Sie sind das Salz in der Suppe der "Creative Economy". Es geht um alles - um eine Wirtschaft von Menschen für Menschen und nicht auf Kosten von Menschen. Zu diesem Spiel sind nur noch Kreative zugelassen, die mit neuen, schöpferischen Tätigkeiten die Probleme einer komplexen Welt lösen. Punktgenau auf die jeweiligen Bedürfnisse des einzelnen ausgerichtet. Und nicht mehr als eindimensionales Massenprodukt für dumme Konsumschafe.
Wolf Lotter hat Kreativexperten eingeladen, mit ihm eine Landkarte dieser neuen Wirtschaft zu zeichnen: Lutz Engelke, Peter Felixberger, Dieter Gorny, Matthias Horx, Ralf Langwost und Gesa Ziemer. (Murmann Verlag)
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Prof. Dr. Peter Bofinger: "Ist der Markt noch zu retten?" zur Rezension ...