Chris Crudelli: "Die Kunst des Kampfes"
300 Kampfsportarten - Tradition, Entwicklung, Techniken
Von traditionellen Kampfkünsten
aus Indien und China über afrikanische Kampfstile bis zu modernen
Selbstverteidigungstechniken
Chris Crudelli ist Freunden von
Dokumentationsreihen über Kampfkünste in der Regel ein Begriff, weil seine
Serie zu den verschiedenen Kampfkünsten der Welt, bei der er sich immer wieder
selbst auf die Matte begeben hat, ihnen ganz unvermutete Einblicke in einige
Systeme ermöglichte. Das vorliegende Buch bringt diese Reisen und Beobachtungen
in eine lexikalische Form, so dass interessierte Profis und Laien ein ziemlich
breites Spektrum an Kampfkünsten vorfinden. 300 vorgestellte Stile sind bei
Weitem keine erschöpfende Betrachtung der in der Welt zu findenden Stile, und
man könnte zudem über die Wichtigkeit einiger Auslassungen - wie auch einiger
Beiträge - stundenlang streiten, aber es ist nun einmal so, dass ein gut
lesbares und global orientiertes Lexikon zu dieser Thematik heutzutage eher
schwierig zu finden ist.
Das Buch ist zunächst einmal geografisch aufgeteilt und beginnt mit einer
Betrachtung der Kampfkünste in Indien und Südasien; somit in jenem Bereich,
den viele Menschen als die historische Wiege der meisten heute verbreiteten
Kampfkünste sehen, weil sich von dort ausgehend viele Dinge Richtung China und
Japan bewegt haben. China und Südostasien sind dann der zweite große Bereich,
wobei man darin zum Beispiel über die
Wudang-Stile und die Bereiche des Xingyi
und Bagua erschreckend wenige Informationen bekommt. Aber dies mag daran liegen,
dass der Autor überwiegend in anderen Gebieten des doch sehr großen Chinas
unterwegs war.
Im Weiteren beschäftigt sich "Die Kunst des Kampfes" mit Südostasien
und Ozeanien und zeigt, was es dort an interessanten Dingen gibt, bevor sich der
Blickwinkel im nächsten Abschnitt nach Japan und Okinawa verschiebt, wo neben
den klassischen bekannten Stilen auch einige ältere Exoten und Neuschöpfungen
dargestellt werden. Hier hätte ich mir bei dem Kapitel über das Ninjutsu
allerdings noch ein paar Worte zum davon abgeleiteten Bujinkan gewünscht.
Als Nächstes gibt es eine Betrachtung der europäischen Kampfkünste, wobei
auch die ritterlichen Kampftechniken
mit Schwert, Lanze, Stock usw. eingehend
betrachtet werden, genau wie einige aktuellere Entwicklungen, wobei ich mich
aber persönlich schon frage, ob das durchaus interessante Parcouring wirklich
zu den Kampfkünsten zu zählen ist. Aber interessant ist es wie gesagt schon.
Die letzten beiden Kapitel behandeln zunächst die Kampfkünste in der
"Wiege der Menschheit", also in Afrika, im Mittleren Osten und in
Zentralasien, wobei hier immer wieder auch die soziale Bedeutung von Kampffähigkeit
noch in der heutigen Zeit verdeutlicht wird.
Das letzte Kapitel beschäftigt sich mit einem Teil der Kampfkünste der beiden
Amerikas, wobei die dortigen Stile naturgemäß
etwas jünger sind und auch
militärische Systeme der us-amerikanischen Streitkräfte mit eingebracht
werden. Unter all den verschiedenen Systemen, gerade auch aus Zentral- und Südamerika,
vermisste ich aber unter den Waffen das Bola, das doch sehr charakteristisch für
einen Teil des südamerikanischen Kontinents ist.
Trotz der erwähnten Mängel ist "Die Kunst des Kampfes" überaus
informativ und zeigt neben den verschiedenen Kampfkünsten und ihren Ausprägungen
auch die historischen Verbindungen zwischen den verschiedenen Regionen und wie
stark sich die Kampfkünste auf diesen Wegen gegenseitig beeinflusst haben. Die
ständigen Querverweise zwischen den Beiträgen ermöglichen es dem Leser, immer
wieder zwischen den Texten hin und her zu springen, und die Illustrationen sowie
Einschübe über persönliche Erfahrungen, die der Autor mit bestimmten Systemen
gemacht hat, lassen die Lektüre dieses Lexikons von Anfang bis zum Ende zu
einer wahren Freude werden; und hinterher ist der Arm, der das Buch gehalten hat,
sehr gut trainiert. Bis auf die genannten Einschränkungen ist "Die Kunst
des Kampfes" auf jeden Fall eine gute Ergänzung für jede ernsthafte
Kampfkunstbibliothek.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 10/2009)
Chris Crudelli: "Die Kunst des Kampfes.
300 Kampfsportarten - Tradition, Entwicklung, Techniken"
Dorling Kindersley, 2009. 360 Seiten.
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